Weinheim/Wahlkreis, 17. März 2016. (red/cr) Dass Dossenheim die grünste Gemeinde an der Bergstraße ist – wen wundert das? Schließlich leben hier viele Akademiker im Vorort von Heidelberg. Die CDU kann wenigstens die Gemeinde Laudenbach gewinnen – verliert aber das Direktmandat im Wahlkreis Weinheim. Die AfD ist mit 15,18 Prozent leicht besser als im Land (15,1 Prozent), auch die SPD liegt mit 15,32 Prozent über Land (12,7 Prozent). Das geht nur, weil die Ergebnisse von CDU (25,82 Prozent) und Grünen (29,19 Prozent) unter dem Landesdurchschnitt sind. Mit anderen Worten – im Wahlkreis Weinheim ist alles etwas anders und durchwachsen.
Von Christin Rudolph

Hans-Ulrich Sckerl (links) gewinnt als erster Grüner das Direktmandat, Gerhard Kleinböck hält sein SPD-Zweitmandat.
Eine gute Nachricht zur Landtagswahl vorneweg – die Wahlbeteiligung ist in allen Kommunen des Wahlkreises Weinheim um mehrere Prozentpunkte gestiegen. Insgesamt liegt sie mit 73,7 Prozent genau 3,3 Prozentpunkte über dem Landesschnitt.
Die „grüne Welle“ hat auch vor dem Wahlkreis Weinheim nicht Halt gemacht. Bislang war der Wahlkreis immer schwarz – seit 20 Jahren hatte Georg Wacker (CDU) das Direktmandat. Nun wird er abgelöst – vom grünen Hans-Ulrich Sckerl. Herr Wacker gewinnt allerdings das Zweitmandat und bleibt im Landtag.
Dabei liegt er mit 25,8 Prozent zwar um 1,2 Prozentpunkte unter dem Landesergebnis, seine Verluste sind jedoch nicht so stark wie die der CDU landesweit. Er verlor 9,2 Prozentpunkte, die CDU im Landesdurchschnitt 12 Prozentpunkte.
Hans-Ulrich Sckerl liegt mit 29,2 Prozent genauso wie sein Konkurrent unter dem landesweiten Schnitt seiner Partei. Allerdings profitiert er eher wenig vom Ministerpräsidenten-Bonus. Landesweit konnten die Grünen 6,1 Prozentpunkte gutmachen, ihr Kandidat im Wahlkreis Weinheim verbuchte mit einer Steigerung um 2,8 Prozentpunkte weniger als die Hälfte des Zuwachses.
Das Ergebnis des SPD-Kandidaten hingegen unterscheidet sich deutlicher vom Landesdurchschnitt. Mit 15,32 Prozent erringt Gerhard Kleinböck 2,62 Prozentpunkte mehr als die SPD im Land. 2011 erreichte er noch 25,5 Prozent. Die Stimmverluste dagegen folgen dem Trend.
FDP, Die Linke und AfD liegen leicht über denen des Landesdurchschnitts.
Einsames Laudenbach

Georg Wacker verliert das CDU-Direktmandat, bleibt aber über das Zweitmandat im Landtag.
Einen Ort im Wahlkreis Weinheim konnte der CDU-Kandidat Wacker allerdings gewinnen, nämlich Laudenbach. 2011 gewann Georg Wacker dort noch mit 38,1 Prozent und mehr als zehn Prozentpunkten Abstand zur zweitstärksten Partei, der SPD. 2016 hat die CDU jedoch mit 27,61 Prozent die größten Verluste im ganzen Wahlkreis zu verzeichnen; sie verliert 10,49 Prozentpunkte.
Dieser Verlust und der der SPD um 11,54 Prozentpunkte dürften zu großen Teilen der AfD zugute gekommen sein. Sie verzeichnet mit 20,1 Prozent in Laudenbach ihr stärkstes Ergebnis im gesamten Wahlkreis Weinheim, Platz zwei ist Hemsbach mit 19,9 Prozent, Platz drei Heddesheim mit 18,52 Prozent.
Im Gegensatz dazu konnten sich die Grünen nur gering steigern und erhalten so mit 24,8 Prozent ihr schwächstes Ergebnis. Die FDP steigert sich zwar, erzielt aber mit 6,14 Prozent ebenfalls ihr schlechtestes Ergebnis.
Extreme in Dossenheim
Besonders auffällig sind die Ergebnisse in Dossenheim. Mit 36,5 Prozent sind die Grünen deutlicher Gewinner und Dossenheim liefert ihnen das beste Ergebnis; die CDU hat ganze 10,6 Prozentpunkte weniger. Die SPD liegt mit 12,6 Prozent zwar nur knapp unter dem Landesschnitt, erreicht hier aber insgesamt das schlechteste Ergebnis des Wahlkreises.
Die AfD liegt mit 11 Prozent deutlich sowohl unter dem Schnitt des Wahlkreises als auch des Landes.
Bei der Landtagswahl 2011 kam die NPD noch 0,6 Prozent der Stimmen, bei dieser Wahl sind es in Dossenheim nur noch 0,1 Prozent und damit das schwächste Ergebnis des Wahlkreises. Die Linke hingegen war in Dossenheim im Verhältnis zu den anderen Gemeinden am erfolgreichsten. Mit 4 Prozent erreicht sie sowohl ihren besten Wert als auch die größte Steigerung, sie konnte ihr Ergebnis fast verdoppeln.
Kein Heimspiel für Wacker
Bis auf diese Ausnahme bewegen sich die Gewinne und Verluste der Linken unter einem Prozent. In Ladenburg und Heddesheim verzeichnet Die Linke mit 2,53 Prozent ihre schwächsten Ergebnisse für den Wahlkreis.
Bemerkenswert: In Schriesheim, dem Heimatort des CDU-Kandidaten Wacker, verbucht Grünen-Kandidat Sckerl 32,5 Prozent – sein zweitbestes Ergebnis im Wahlkreis.
Überraschung in Edingen-Neckarhausen?
Eine weitere bemerkenswerte Entwicklung zugunsten von Herrn Sckerl fand in Edingen-Neckarhausen statt. Erst im vergangenen November wurde mit Simon Michler (CDU) aus Aalen ein mit 31 Jahren ungewöhnlich junger Außenseiter zum Bürgermeister gewählt. Damit löste er nach 24 Jahren Roland Marsch (SPD) ab.
Der Kandidat der Grünen für die Bürgermeisterwahl, Ulf Wacker, kam damals im ersten Wahlgang auf 16,1 Prozent. Vier Monate später bei der Landtagswahl wurden die Grünen mit 31,2 Prozent nicht nur stärkste Kraft, sondern konnten mit 5,9 Prozentpunkten den größten Zuwachs im Wahlkreis Weinheim verzeichnen.

Ergebnisse im Wahlkreis Weinheim.
Unentschiedene Weinheimer
Wie in den anderen Kommunen des Wahlkreises auch, gingen in Weinheim diesmal deutlich mehr Menschen wählen als noch vor fünf Jahren. 2.328 Wähler mehr wählten in Weinheim – eine Steigerung um 6,54 Prozentpunkte und damit deutlich über dem Landesschnitt. Allerdings ist die Einwohnerzahl der Stadt seit 2011 auch gewachsen – das macht eine Einordnung schwierig, ob hier Nichtwähler motiviert werden konnten.
Die Wählergunst ist jedoch nicht so klar verteilt wie in anderen Gemeinden: Die Grünen kamen auf 27,42 Prozent, die CDU folgt vergleichsweise dicht mit 25,61 Prozent. Auch der Abstand zwischen AfD und SPD ist mit 16,43 Prozent für die AfD und 14,64 Prozent für SPD geringer als im Landesschnitt (2,4 Prozentpunkte).
Herausragend ist das Ergebnis der FDP. Sie kann sich auf 10,1 Prozent steigern, eine Verbesserung um 4,49 Prozentpunkte und damit bestes Ergebnis im Wahlkreis. Insgesamt erreicht die FDP mit 8,8 Prozent im Vergleich zum Landesschnitt mit 8,3 Prozent ein Top-Ergebnis.
Starke FDP in Hirschberg
Ihr bestes Gesamtergebnis erzielten die Freien Demokarten allerdings in Hirschberg. Im Gegensatz zu anderen Orten des Wahlkreises liegen sie dort mit 10,96 Prozent vergleichsweise dicht an den 12,12 Prozent der AfD.
In Hirschberg reichte außerdem das beste Ergebnis für die CDU (28,04 Prozent) im ganzen Wahlkreis nicht aus, um den Ort für sich zu entscheiden. Die Grünen hatten mit 30,7 Prozent immer noch 2,66 Prozentpunkte Vorsprung. Dass das eher konservative Hirschberg nun grün ist, ist auch eine kleine Sensation.
Knappe Entscheidung in Heddesheim
Der Wahlsieg der Grünen war in Heddesheim allerdings noch knapper. Im Gegensatz zum Trend konnten die Grünen nur 0,89 Prozentpunkte gutmachen und 24,85 Prozent erringen. Damit liegen sie nur 0,7 Prozentpunkte vor der CDU.
Der größte Verlust in Heddesheim machte die SPD, wo sie mit 17,15 Prozent zwar deutlich über dem Landesergebnis liegt, aber im Vergleich zu 2011 ganze 12,62 Prozentpunkte verliert. Die NPD verlor in Heddesheim sogar knapp die Hälfte, die verbliebenen 0,58 Prozent sind trotzdem ihr stärkstes Ergebnis im Wahlkreis Weinheim, in dem sie nur Verlust machte.
Hemsbacher Nichtwähler mobilisiert
In Hemsbach verlor die NPD sogar mehr als zwei Drittel und kommt nun nur noch auf 0,6 Prozent.
Die Hemsbacher hatten mit 70,42 Prozent die wenigste Lust zum Wählen. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl ist die Wahlbeteiligung allerdings um ganze 7,72 Prozent gestiegen, was im Vergleich mit den anderen Gemeinden die größte Zunahme bedeutet. Obwohl es 176 Wahlberechtigte weniger gab, haben 579 Menschen mehr ihre Stimme abgegeben. Hier konnten also einige frühere Nichtwähler mobilisiert werden.
In Zusammenhang damit fällt ein Muster auf. In Orten mit eher niedriger Wahlbeteiligung, nämlich Hemsbach und Weinheim, liegt die AfD vor der SPD; in Orten mit höherer Wahlbeteiligung die SPD vor der AfD. Davon abgesehen stellt sich die Reihenfolge der Parteien genau gleich dar – Grüne, CDU, SPD oder AfD, FDP, Die Linke. Ausgenommen Laudenbach, denn dort konnte sich die CDU gegen die Grünen durchsetzen.
Ilvesheim
Wie in allen Kommunen des Wahlkreises musste die SPD auch in Ilvesheim herbe Verluste hinnehmen. Mit 12 Prozentpunkten weniger bleiben der SPD 18,87 Prozent, was ihr Spitzenergebnis für den Wahlkreis ist. Auch hier ist die AfD mit 16,51 Prozent stark. CDU (24,8) liegt knapp hinter den Grünen (25,99). Die FDP gewinnt mit 4 auf 7,33 Prozent satt dazu, Die Linke hält mit 3,1 das Ergebnis aus 2011.
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Fazit
Der Wahlkreis Weinheim ging mit 29,19 Prozent klar an die Grünen. Allerdings wird das Landesergebnis (30,3 Prozent) nicht erreicht – trotzdem ist der Verlust des Direktmandats ein herber Schlag für die CDU (25,82 Prozent). Die starken Ergebnisse in Hemsbach, Laudenbach und Heddesheim für die AfD legen einen Zusammenhang mit den untergebrachten Flüchtlingen nahe.
Müsste im Wahlkreis Weinheim eine Regierung gebildet werden – es wäre dieselbe Situation wie derzeit in Stuttgart. Grün-rot hätte keine Mehrheit. Es blieben nur eine grün-schwarze Option oder eine Koalition grün-rot-magenta.
Im Gegensatz zu Mannheim konnte die CDU wenigstens eine Gemeinde gewinnen – im Gegensatz zu Heidelberg und Mannheim konnte die AfD nirgendwo als beste Partei reüssieren. Die SPD schneidet besser ab als im Land – ein schwacher Trost. Gerhard Kleinböck behält das Zweitmandat.