Schwetzingen, 13. Mai 2016. (red/cr) Die Oper wird meist mit edlen Abendgarderoben und gehobenem Genuss verbunden – und nicht unbedingt mit einem jungen Publikum. Die TourneeOper Mannheim will die Begeisterung allerdings so früh wie möglich wecken: Jedes Kind soll mindestens einmal eine Oper gesehen haben – und wenn sie dafür von der Oper besucht werden müssen. Mit ihren interaktiven Kinderopern besuchen sie Schulen und Kindergärten. Wir haben den Spieß umgedreht – und einen Teil des Ensembles bei einer Probe begleitet.
Von Christin Rudolph
Ein unscheinbares Büro im Schwetzinger Industriegebiet. Von außen nicht zu erkennen, dass da Musik drin steckt. Drinnen ein Labyrinth aus bunten Bühnenbildern und Requisiten. Davor steht Sängerin Alishia Funken und fragt:
Wer von euch hat schon einmal das Lied von Tamino Mausewitz gesungen?
Zwei Frauen an einem Tisch vor ihr melden sich. „Ich, ich!“, sagt die eine mit verstellter Stimme. Die andere trägt ein Prinzessinnenkostüm und ein Krönchen. Schließlich singen alle drei zusammen das Titelied von „Tamino Mausewitz in der Oper“ – die Komposition ist zwar noch jung, hat aber das Zeug, zu einem Klassiker für Kinderohren werden.
Dann verschwindet Frau Funken hinter einer Stellwand – und ein Mäuserich kommt hervor: Tamino Mausewitz träumt davon, genau wie sein Großvater einmal eine richtige Oper zu sehen. Wie gerufen kommt der Sandmann vorbei, singt ein wunderschönes Lied und bestreut ihn mit Schlafsand.
Die Zauberflöte einmal anders
Schon ist er im Opernland. Gleich kommt die Königin der Nacht um die Ecke und singt ihre bezaubernde Arie. Da macht Tamino eine schwungvolle Drehung und – zack – verliert er seine Mäuseohren und der Schauspieler steht entblößt auf der Bühne.
„Können wir andere Ohren nehmen? Das nervt.“ Schauspieler Christian Birko-Flemming legt die Requisite auf den Tisch und ist sofort wieder in der Szene als Tamino. Hinter dem Tisch sitzt Tanja Hamleh und macht sich Notizen:
Da hat ein Satz gefehlt – an der Stelle musst du die Glocke läuten – das Lied etwas langsamer
Vor sieben Jahren hat die Sängerin den TourneeOper Mannheim e.V. gegründet, um Kindern Opern und klassischen Gesang näherzubringen. Sie kennt jedes Gesangsstück, jeden Satz und jeden Handgriff der Kinderoper.
Das muss sie auch, denn sie leitet nicht nur die Wiederaufnahmeproben von „Tamino Mausewitz in der Oper“, sondern ist für alle Stücke der TourneeOper Mannheim verantwortlich – von Kinderopern ab drei Jahren bis zu Operettenrevuen für erwachsenes Publikum.
Ein Sänger, viele Gesichter
Jedes Kind soll mindestens einmal eine Oper gesehen haben – denn man kann sich für nichts begeitern, das man nicht kennt. Ob man diese Möglichkeit hat, sollte nicht vom Einkommen der Eltern abhängen.
Daher führt die TourneeOper ihr Stücke in Kindergärten und Grundschulen auf. Sechs Werke für die Altersklassen ab drei, ab fünf und ab sieben Jahren gehören zum Repertoire. Besetzt sind sie immer mit einer Darstellerin und einem Darsteller. Ausnahme ist das Präventionsstück „Marco und das Feuer“ mit drei Darstellern.
Auch für Erwachsene wird Opernmusik geboten. Die Reduktion auf zwei Darsteller bedeutet allerdings nicht, sich nur auf zwei Rollen zu beschränken.
Bei „Tamino Mausewitz in der Oper“ etwa schlüpft Sängerin Alishia Funken in die Rolle der Königin der Nacht, singt als Wassernixe Rusalka den Mond an, spielt den Vogelfänger Papageno und bringt als Sandmann den Schlaf.
Genaue Choreografie
Beim ständigen Wechseln von Rollen, Requisiten und Kostümen muss jeder Handgriff sitzen. FSJ-lerin Rahel Sikner beschreibt das wie eine Choreografie: Für jedes Stück gibt es mehrere Besetzungen, die bei den Reisen zu den Aufführungen flexibel wechseln können müssen.
Jede Schaupielerin muss also das Stück mit jedem Schauspieler aufführen können. Die Dialoge müssen passen, Duette harmonieren, alles muss zeitlich genau auf die Musik abgestimmt sein.
Um aber Kinder zu begeistern, reicht es nicht gut zu singen und zu schauspielern. Frau Hamleh erzählt, viele seien der Meinung, für Kinder zu spielen sei weniger anspruchsvoll als bei einem erwachsenen Publikum. Genau das Gegenteil ist der Fall: Gerade bei Kindern muss jede Sekunde neu um Aufmerksamkeit gerungen werden.
Zum Beispiel ist „Tamino Mausewitz in der Oper“ klar auf Kindergartenkinder ausgelegt. Wenn Papageno auf der Bühne verzweifelt ein Quietsche-Entchen sucht, das sich in seiner Hand befindet, helfen ihm die jüngsten Zuschauer gerne und rufen: „Da ist es doch“. Ältere Kinder hingegen durchschauen das Schauspiel – sie glauben nicht mehr, dass Papageno sein Entlein wirklich nicht sieht.
Anspruchsvolles Publikum
Kinder in allen Altersklassen zu begeistern und mitzureißen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Eine, die Leidenschaft verlangt.
Das Schauspiel muss echt sein. Kinder verzeihen einem eher mal einen falschen Ton als unechtes Schauspiel.
Schauspieler Christian Birko-Flemming nickt und ergänzt:
Kinder wollen nicht veralbert werden.
Stücke für Kinder und Jugendliche liegen ihm am Herzen. Als freischaffender Schauspieler bringt er unter anderem Kinder- und Jugendtheater auf die Bühne. Bei der TourneeOper, sagt er, gelange Schauspiel und Gesang „in die Provinz“ – an „Orte, wo sie selten hinfinden“.
Eingespieltes Team
Es herrscht eine familiäre Atmosphäre. Die Musik verbindet hier. Bei der TourneeOper kommen über 30 Personen aus verschiedenen künstlerischen Bereichen zusammen. Ob langjährige Schauspielerfahrung an verschiedenen Bühnen wie bei Christian Birko-Flemming oder „frisch von Studium“ wie bei Sängerin Alishia Funken, man spielt sich wortwörtlich aufeinander ein.
Und wenn doch mal etwas nicht klappt, wird improvisiert. Pragmatismus gehört zum Arbeiten mit Kindern. Ebenso wie Flexibilität.
Das mobile Bühnenbild wird in Windeseile aufgebaut und aus einem großen Fundus werden Requisiten und Kostüme zusammengetragen.
Kinder dürfen mitmachen
Bei den Aufführungen bekommen auch einige Kinder aus dem Publikum Kostüme. Sie dürfen sich etwa als Prinzessin retten lassen oder als Fische Maus Tamino helfen sicher über den See zu gelangen.
So werden sie Teil der Geschichte. Außerdem singen alle zusammen ein Titellied, das für jede Kinderoper extra komponiert wird – echte Ohrwürmer.
Bevor die Kinder Besuch von der TourneeOper bekommen, üben sie das Lied mit ihren Erzieherinnen oder Lehrkräften. Darauf freut sich Gründerin Tanja Hamleh immer:
Da strahlen die Kinderaugen – wenn man wochenlang das Lied übt und dann kommt der echte Tamino und alle singen es zusammen.
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