Rhein-Neckar, 16. November 2020. (red/pro) Monika Hausammann ist Schriftstellerin. Sie machte eine kaufmännische Lehre, studierte Betriebswirtschaft und leitete eine PR-Agentur. Sie kennt sich mit „Storytelling“, aka „Framing“ aus. Irgendwann waren es zu viele „Stories“ und sie stieg aus der Mühle aus, um Bücher zu schreiben. Polit-Krimis. Aktuell erlebt sie einen real – Corona. In unserer Reihe „Montagsgedanken“ erklärt die Schweizerin, die in Frankreich lebt, wie die Welt gerettet werden wird. Wenn die richtige Story ge- und erfunden wird, erfolgt das garantiert.
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Essay: Monika Hausammann
Das sogenannte „Storytelling“ – zu deutsch: Geschichten erzählen – ist eine Methode, um mittels konstruierter oder realer Geschichten Informationen zu verpacken und zu vermitteln.
Das Ziel: Die bewusste Verankerung der Botschaft der Sender im Gedächtnis der unbewussten Empfänger. (Anm. d. Red.: Wir verzichten bewusst auf *Innen.)
Diese Methode kommt nebst dem Bildungs- und Psychotherapiebereich, vor allem im Journalismus und im Marketing (und PR) zur Anwendung.
Es gilt: Menschen mögen Geschichten.
Und: Je öfter eine Geschichte „öffentlich“ erzählt wird, umso stärker ist ihre „gemeinsame“ Verankerung im Gedächtnis derer, die sie hören und damit empfangen und verinnerlichen.
Das Mädchen, die Milch, die Mousse
Wenn also ein Nahrungsmittelkonzern seine neue Mousse au Chocolat (Schokoladenmischmasch) angenommener Weise als „La Laitière“ promotet und dabei die Geschichte vom Milchmädchen erzählt, das die Milch mit Pferd und Wagen bei den Bauernhöfen einsammelt, um dann in liebevoller Handarbeit die Mousse im Kupferkessel über dem Feuer zuzubereiten und Glas um Glas abzufüllen, dann weiß jeder Konsument, dass solches nicht der Realität entspricht.
Und dennoch: Die Geschichte wird, einmal gesehen, ob man es will oder nicht, zu einem „realen“ Teil des Produkts. Wer dann diese Mousse kauft, kauft damit auch die Geschichte. Vielleicht will auch niemand diese Mousse kaufen, dennoch die ihr innewohnende Geschichte.
So funktioniert unser Gedächtnis. Unser „berechenbarer Verstand“.
Dasselbe gilt, wenn ein Autobauer den neuen Kleinwagen als Teil einer urbanen, fortschrittlichen, bewusst lebenden, technik-affinen und gleichzeitig naturverbundenen Existenz vermarktet: Es spielt keine Rolle, ob es diesen ewigjugendlichen Menschen überhaupt gibt und wenn ja, ob für ihn Natur mehr ist als eine romantische Variabel. Er wird mit der Geschichte Teil des Produkts wie ein Satz Felgen und mit dem Autogekauft.
Wenn ein Unternehmen solche Geschichten redaktionell aufbereitet und sie in einer Zeitung oder einem anderen Medium platziert, muss das solcherart präsentiert als verkaufte Werbefläche, Anzeige oder Publireportage (Hybrid zwischen PR und Journalismus – mittlerweile Gang und Gäbe) gekennzeichnet werden, um nicht als Irreführung zu gelten.
Außerdem unterliegt ein Unternehmen stets einem Budgetzwang. Der Betrag für Werbung, den Kauf von Werbefläche und damit die Wiederholung seiner Geschichte sind damit limitiert.
Freiwilligkeit. Risiko. Produkte
Anders sieht es aus, wenn private Medien sich dieser Methode bedienen. Ihr Risiko liegt nicht im „Platzverbrauch“, sondern im richtigen Maß beim steten Wiederholen der Kernbotschaft.
Wenn ein privates Medium auffällig oft und auffällig freundlich über eine Firma oder eine Person berichtet, dann riskiert es, sich unglaubwürdig zu machen. Es verliert dann Leserschaft und damit Anzeigekunden und Umsatz.
Da im Fall eines privaten Mediums jedoch das Riskieren ebenso wie das Lesen auf Freiwilligkeit beruhen, ist das moralisch betrachtet kein Drama.
Dasselbe gilt, wenn eine Privatperson entscheidet, ihre eigene Geschichte oder sich selber quasi als Produkt in die Welt zu tragen.
Solange das Verkaufen und das Darüber-Berichten privat bleiben, ist das okay. Es bleibt im Rahmen der Verkaufsstrategie eines Produkts und ist deshalb ein Teil des freien Marktgeschehens.
Anders sieht es aus, wenn Staat und Medien – letztere motiviert durch Begünstigung, Förderung oder Vollfinanzierung – sich zum Storytelling zusammenschließen.
Storytelling im Ausmaß von „arm dran“ oder „gut dran“
Und genau das hat in den vergangenen Jahren ein Ausmaß angenommen, das nicht mehr bloß fragwürdig, sondern schlicht abstoßend ist. Denn hier wird kein Produkt verkauft.
Der Staat hat ja keine Produkte zu verkaufen. Was er hat, sind Maßnahmen, Projekte, Gesetze, Gefälligkeit, Verordnungen und irgendwelche Ziele.
Die Geschichten, die im Rahmen dieser unappetitlichen Kooperation erzählt wurden und werden, änderten sich zwar im Lauf der Jahre; die Kernbotschaft blieb sich indes immer gleich. Sie lautet: Das, was wir als „arm dran“ definieren, ist nicht nur „gut“, sondern gehört gefördert und finanziert. Und das, was wir als „gut dran“ definieren, gehört bekämpft, beneidet und beseitigt. Dabei gilt zweierlei: Wer das als gut definierte nicht gut findet, ist böse und umgekehrt. Und: Je mehr Menschen und Dinge „arm dran“ sind, umso mehr Staat braucht es. „Arm“ oder „gut dran“ können in diesem Verständnis absurderweise sowohl Personengruppen, Berufssparten, Dinge, Konzepte und Ideologien sein.
In den vergangenen Jahren galten als „arm dran“ ganz allgemein Frauen, Alleinerziehende, Flüchtlinge, Schwule, die Natur, die Wälder, der Planet, das Klima, die „sozial Schwachen“, alle Arten von „Benachteiligten“ und so weiter und so fort. Als „gut dran“ und deshalb fragwürdig gelten der Kapitalismus, Erfolg oder erfolgreiche Menschen, das Leistungsprinzip, Unabhängigkeit, Freiheit, alte (weiße) Männer, Autofahrer, Eigentümer, Fleischesser, etc.
Staat und Medien belegen nicht Werbe-, sondern Textflächen
Eine Begrenzung in der Wiederholung der Geschichte gibt es im Rahmen der Storytelling-Kooperation Staat-Medien nicht, da weder der Staat noch die Redaktionen unter einem Budgetzwang stehen – was sie belegen ist nicht Werbeplatz, sondern redaktionelle Textfläche.
Und wenn’s dem Leser zu bunt wird, weil die Geschichte von dem Flüchtling (arm dran), der viel Geld findet und es ins Fundbüro bringt (gut) einmal zuviel lesen muss und er abspringt, dann gleicht der Staat den Verlust mit direkter oder indirekter Finanzierung gerne aus, da ihm wohlgesinnte Medien aus seiner Sicht durchaus das Etikett „systemrelevant“ verdienen.
Persönlich war ich der Meinung, dass diese unselige und unlautere Allianz früher oder später an ihre Grenzen stoßen würde.
Irgendwann würde das Konzept des Storytellings zugunsten der „richtigen“ Werte, Tugenden und Normen, dieser Erziehungsjournalismus für die Politiken der Immigration, des Nationenbashings, der Geldentwertung und Pleitisierung, der Kulturaufgabe und Überfremdung an seine Grenzen stoßen.
Ich habe mich geirrt.
Da ging noch mehr. Viel mehr.
Greta – globale Story
Greta Thunberg betrat die Bühne. Eine hervorragende Story, die alles enthält, was eine „gute“ Story und ihre Erzählwürdigkeit ausmacht: Eine emotionale Protagonistin, ein hoch emotionalisierbares Problem, drohendes Scheitern und mögliche Lösung und Erlösung. Das ganze global. Also alle Menschen betreffend.
Dabei gilt auch hier: Greta Thunberg, ihre Eltern und ihr Anliegen sind kein und nicht das Problem, das man im Blick haben sollte.
Man mag die Art und Weise der Vermarktung eines Kindes und die Vermischung seines Arm-Dran-Seins (Asperger, Panikattacken, Angstzustände, androgyner Körper) mit einem Thema (Klima) zum Zweck der Geldbeschaffung fragwürdig finden.
Aber solange solches privat bleibt und Medien darüber auf eigenes Risiko berichten, ist es ein Produkt wie jedes andere auch.
Aber dabei blieb es nicht: Hier wurden zum ersten mal global, staatlich, zivilgesellschaftlich (NGOs) und privat (Investoren) ein Kind, eine Doktrin, eine Ideologie und den letzteren angepasste Fakten vermengt, durch den PR-Fleischwolf gedrückt und zu mitreißenden Geschichten verarbeitet.
Ihre diversen Titel: Menschengemachter Klimawandel, Klimakollaps, Klimakatastrophe.
Die Kernbotschaft: Wenn wir die Vorschläge der Politik und ihrer Berater und Zuträger nicht annehmen, geht die Welt unter. Wer das nicht glaubt, ist böse.
Wer nicht glaubt, ist böse. Es funktioniert
Das alles war verrückt.
Aber das Verrückteste dabei ist: Es funktioniert.
Wo ich einen Dammbruch der Erkenntnis erwartet und erhofft hatte, wurde der staatlich-mediale Komplex in den Augen einer Mehrheit der Menschen zu einem Bollwerk der Fürsorge und Sicherheit. Er wurde nicht etwa kritisch hinterfragt, was unabhängige Medien eigentlich als systemrelevante Leistung liefern müssten, sondern überwiegend unisono in der Echo-Kammer verstärkt.
Der Boden war bereit für eine noch größere Story. Wieder global, wieder eine Katastrophe, noch drängender als die zuvor und wieder menschheitsbedrohend.Corona tauchte auf.
Die Helden der Geschichte sind wieder der Staat und staatsnahe Institutionen. Bill Gates, Maskenträger, Milliardenbeträge und „die Wissenschaft“, also solche edlen Wissenschaftler, die das gewünschte Storytelling als Experten befördern.
Rettung ist möglich
Die Kernbotschaft: Wenn wir die Helden machen lassen, ihnen blind vertrauen und gehorchen, dann ist Rettung möglich.
Seit Dienstag, den 10. November 2020, haben wir den „Beweis“, dass es stimmt: Wir haben BionTech. Wir haben Özlem und Ugur. Und wir haben einen Impfstoff. Wir sind gerettet.
Für den Moment zumindest.
Final gerettet werden wir indes erst dann sein, wenn alle diese katastrophalen Probleme – Flucht, Klima, Krankheit, Ungleichheit – zusammen und global in einer einzigen Geschichte vereinigt, erzählt und zu einem Happy End geführt werden können.
Zur Person:
Monika Hausammann, alias Frank Jordan, geboren 1974 in Bern, studierte nach einer kaufmännischen Lehre Betriebswirtschaft und spezialisierte sich danach auf Marketing und Public Relations.
Später gründete und leitete sie eine Firma für Öffentlichkeitsarbeit. Seit 2012 lebt und arbeitet sie in Frankreich. Sie betreibt den FRANKJORDANLOG und hat beim Lichtschlag Buchverlag bisher die Romane „Die Ministerin“, „Der Fonds“, „Das Attentat“ und aktuell „ARES“ veröffentlicht.
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