Mannheim/Weinheim/Stuttgart, 15. Juni 2019. (red/pro) Der im Wahlkreis Mannheim-Nord direkt gewählte Landtagsabgeordnete Rüdiger Klos (AfD) hat bei der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Geheimnisverrats erstattet. Dabei ist die Rolle des Weinheimer Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) unklar, der Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) ist.
Von Hardy Prothmann
Der Vorwurf “Geheimnisverrat” wiegt schwer – allerdings ist derzeit noch nicht klar, ob es überhaupt zu Ermittlungen kommen wird, was wiederum auch eine gewisse Brisanz in sich birgt, ebenso wie die Frage, ob das Innenministerium die Beobachtung von Abgeordneten verfügt hat.
Eigentlich alles sehr geheim
Das PKG kontrolliert als Landtagsausschuss gemäß § 15 LVSG die Arbeit des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Mindestens ein Mal pro Quartal berichtet das LfV über seine Tätigkiten und die Durchführung von “G10-Maßnahmen”. Hiermit sind nach Artikel 10 Grundgesetz die Durchführung von Maßnahmen der Brief-, Post- und Telekommunikationsüberwachung gemeint. Der Ausschuss hat neun Mitglieder, Vorsitzender ist Hans-Ulrich Sckerl (Grüne und rechtspolitische Sprecher der Fraktion).
Die Rechtmäßigkeit von G10-Maßnahmen wiederum prüft die vom Landtag gewählte “G10-Kommission”, die aus drei Mitgliedern besteht. Seit drei Jahren ist Rüdiger Klos (AfD) dort Mitglied, der auch rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist.
Beide Gremien tagen im abhörsicheren Raum des Landtags. Sowohl die Sitzungstermine als auch die Tagesordnung wie geladene Teilnehmer sind geheim. Über alle Inhalte ist Geheimhaltung zu wahren.
Was ist die bekannte Sachlage?
Am 16. Mai 2019, zehn Tage vor der Europawahl und den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, berichtete die Südwestpresse über eine Sitzung des PKG, die kurz zuvor stattgefunden haben muss, denn darin wird der Besuch einer AfD-Veranstaltung im süddeutschen Greding benannt. Die Schlagzeile: “AfD-Mann Rüdiger Klos im Zwielicht. Abgeordneter und Mitglied der G10-Kommission tritt beim „Flügel“ auf.”
Im weiteren wird betont, dass dem Autoren “eine Korrespondenz” vorliege und auf diese geht er ein. Er berichtet, dass das Innenministerium das PKG darüber unterrichtet habe, dass Herr Klos an dieser Veranstaltung teilgenommen habe, die zum “Flügel” (einer als rechtsextrem geltenden Strömung innerhalb der AfD) gehöre, die “Erfurter Erklärung” als auch die “Stuttgarter Erklärung” unterschrieben habe und über sein Facebookprofil Posts der “Jungen Alternative”, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, geliket worden seien.

Wird der AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos vom Verfassungsschutz überwacht? Bild: Archiv
Allein dieser Vorgang ist elektrisierend – denn damit steht die Frage im Raum, ob der Verfassungsschutz aktiv einen unabhängigen Abgeordneten überwacht. Und ob dieser der einzige ist, der überwacht wird.
Das ist eine andere “Hausnummer” als die Beobachtung von Parteimitgliedern und anderen wie auch immer organisierten Gruppen.
Hohe Hürden für Überwachung
Eine solche Überwachung ist an extrem hohe Hürden geknüpft, wie das Bundesverfassungsgericht erst vor wenigen Jahren unmissverständlich klar gemacht hat – hier müssen sehr harte Belege vorliegen, dass ein Abgeordneter durch sein Verhalten eine Bedrohung für die freiheitlich demokratische Ordnung darstellen könnte. Facebook-Likes oder der Besuch von Veranstaltungen reicht dafür allemal nicht aus – die Erhebung dieser Daten deutet aber darauf hin, dass der Verfassungsschutz aktiv tätig ist. Wie sonst hätte das Innenministerium dazu berichten können?
Man muss die AfD und auch den Abgeordneten Klos nicht mögen – doch dieser ist bislang nicht als “rechtsextremer Hardliner” in Erscheinung getreten. Ganz im Gegenteil kritisierte er in der Vergangenheit immer wieder von sich aus solche Entwicklungen in der Partei.
Wer hat aus der geheimen Sitzung Informationen weitergegeben?
Die Frage ist nun – wie kam die Südwestpresse in den Besitz “der Korrespondenz” und wie an konkrete Inhalte aus dem im geheimen tagenden PKG? Die Gruppe der Personen, die dafür in Frage kommen, ist überschaubar klein und auch der Verdacht, dass Hans-Ulrich Sckerl die Quelle sein könnte, ist nicht unbegründet, zitiert die Südwestpresse doch wörtlich aus einer email von Sckerl an Klos:
“Die “aktive Teilnahme” in Greding wecke “erhebliche Zweifel an Ihrer Eignung, weiterhin der G-10-Kommission anzugehören”, schrieb der PKG-Vorsitzende Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) an Klos und forderte ihn zu einer Stellungnahme im PKG auf. Dem kam aber Klos nicht nach. Auf Nachfrage sagte Klos, er vermute ein “politisches Manöver” Sckerls. Dieser instrumentalisiere sein Amt parteipolitisch: “Eine Überwachung von Abgeordneten ist in keiner Weise zulässig”, so Klos.”, berichtete die Südwestpresse am 16. Mai 2019.

Wie kam die Korrespondenz von Hans-Ulrich Sckerl zur Südwestpresse? Bild: Archiv
“Korrigierte” Berichterstattung – warum fehlt plötzlich ein Zitat?
Am 17. Mai 2019 wurde der Artikel der Südwestpresse bearbeitet, dort steht jetzt nur noch: “Klos sagt, er vermute ein „politisches Manöver“ des PKG-Vorsitzenden Hans-Ulrich Sckerl (Grüne). Dieser instrumentalisiere sein Amt parteipolitisch. „Eine Überwachung von Abgeordneten ist in keiner Weise zulässig.” Die Zitation aus dem Schreiben von Herrn Sckerl fehlt vollständig. Warum? Hat “jemand” darum gebeten, diesen Hinweis auf die mögliche Quelle zu löschen?
Landtagspräsidium muss Ermittlungen freigeben
Nach RNB-Informationen braucht die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart eine Freigabe des Landtagspräsidiums, um Ermittlungen aufnehmen zu können. Landtagspräsidentin ist grüne Muhterrem Aras.
Soviel ist sicher – die allererste Frage, die schnell beantwortet werden muss, ist: Wie stellen das PKG und dessen Vorsitzender Hans-Ulrich Sckerl sicher, dass keine als geheim geltenden Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, die zudem unter dem Verdacht einer gezielten Rufmordkampagne aus “politischen Absichten” verstanden werden könnten? Immerhin wurden die Informationen in der heißen Wahlkampfphase von Europawahl und Kommunalwahl durchgestochen.
Doch auch die weiteren Fragen sind relevant:
Beobachtet der Verfassungsschutz den Abgeordneten Rüdiger Klos?
Wer im Innenministerium hat das veranlasst?
Wenn der Abgeordnete nicht beobachtet wird – wieso wurden dann diese Informationen im PKG vorgetragen?
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat zwischenzeitlich die Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Stuttgart weitergegeben, wie die AfD-Fraktion mitteilt.
Anm. d. Red.: Andere Medien wie der SWR berichten über eine konkrete Strafanzeige von Herrn Klos gegen Herrn Sckerl. Nach RNB-Informationen ist das nicht zutreffend. Die Rolle von Herrn Sckerl wird zwar thematisiert und hinterfragt, die Anzeige lautet aber gegen Unbekannt.