Mannheim, 14. Dezember 2015. (red/cr) Antike – ist das mehr als verstaubte Vasen und irgendwelches Werkzeug? Was das antike Orakel über die eigene Zukunft zu sagen hat, wie man ein antikes Gewand trägt und vieles mehr kann man selbst ausprobieren. In den vergangenen Monaten wurde die Antikensammlung der Reiss-Engelhorn-Museen umgebaut und erweitert. Seit Samstag können Besucher durch über 160 neue Ausstellungsstücke in in die Welt der Griechen, Etrusker und Römer eintauchen.
Von Christin Rudolph
Die Sammlung der Reiss-Engelhorn-Museen beherbergt viele Ausstellungsstücke, die bisher vor den Augen der Besucher verborgen geblieben waren. Durch die Neugestaltung der Antikensammlung erhalten mehr als 160 Exponate, teils aus Privatbesitz, nun einen Platz in der Ausstellung.
Insgesamt zeigt sie 450 Keramiken, Schmuckstücke, Waffen, Alltagsgegenstände, Münzen und kleinere Skulpturen. Die ältesten darunter stammen aus dem dritten Jahrtausend vor Christus.
Dabei folgt der Besucher der Route Alexander des Großen von Kleinasien in den Vorderen und Mittleren Orient.
Wenn das Orakel spricht
Außer den Gegenständen in den Vitrinen gibt es aber noch eine Menge zu entdecken – viele Mitmachaktionen lassen die Geschichte lebendig werden.
So kann man mit der Geschichte auf Tuchfühlung gehen, indem man eine Toga anprobiert und sich auf Polstern bettet wie bei einem antiken Trinkgelage.
Orakel, Geheimschriften, Reihenhäuser
Wer an Prophezeiungen glaubt, sollte das Orakel von Delphi nach der Zukunft fragen. Es gibt Antworten, die auch schon Persönlichkeiten der Antike bekamen. Die Besucher müssen also genauso wie die Helden damals grübeln, wie der Orakelspruch am besten zu interpretieren ist.
Und wer gerne Botschaften in Geheimschrift verschickt, kann Wörter in andere Schriftsysteme übertragen lassen wie in Keilschrift oder Hieroglyphen. Außerdem zeigen Architekturmodelle, dass zum Beispiel die Idee des Reihenhauses keineswegs „modern“ ist, sondern klassisch antik. Wem das alles zu theoretisch ist, kann Helme tragen, die Soldaten zur Zeit von Alexander dem Große auf dem Kopf hatten.
Antike? – Ganz klar Motive für moderne Werbung
Dr. Claudia Braun, Leiterin der Antikensammlung und Kuratorin der Ausstellung, sagt:
Ich sollte ein Konzept entwerfen für die Besucher, nicht für ein Fachpublikum.
Das ist ihr auch gelungen. Gleich die erste Vitrine ist bestückt mit modernen Gegenständen – Werbung und Verpackungen. Sie alle werben mit antiken Göttern, um ihre Produkte zu veredeln. Anhand derer erklärt Dr. Braun:
Die Antike ist nichts, was vor 2.000 Jahren einfach aufgehört hat. Sie umgibt uns noch heute.
Die Ausstellung ist geteilt in die Welt der Griechen, die der Etrusker und die der Römer. Bei allen drei werden die Themen Religion, Totenkult, Alltagsleben, Kunst und Architektur dargestellt. So lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen.
Zukunft aus der Leber lesen
Auf dem Weg tiefer in die Geschichte gibt es immer wieder Schubladen zu entdecken. Bei ihnen darf man den Inhalt auch anfassen. Geht es aber zum Beispiel um die Erklärungen, wie die Zukunft aus der Leber von Opfertieren gelesen wurde, wendet man sich vielleicht doch lieber den Guckkästen zu.
Hier kann man Priester bei Ritualen beobachten. Dank tief angebrachter Gucklöcher können auch die Kleinsten einen Blick in die Vitrinen werfen ohne getragen werden zu müssen.
An einer Stelle werden auch Bilder von Palmyra gezeigt – der Kulturstätte, die vom sogenannten „Islamischen Staat“ zerstört wurde. Kuratorin Dr. Braun war selbst schon in der Oasenstadt. Die Zerstörung und der illegale Antiken-Handel durch den „IS“ sind ein trauriges Beispiel, wie „wertvoll“ die Antike auch für Verbrecher ist.
Wir als Museen können da wenig tun. Illegalen Antiken-Handel wird es immer geben.
Man trete in den Dialog mit Sammlern, um sie dabei zu unterstützen, die Herkunft der Ware zu prüfen, sagt Dr. Braun hoffnungsvoll.
Hat man die neugestaltete Ausstellung gesehen, kann man vor allem verstehen, wie sich die verschiedenen Kulturen gegenseitig befruchtet haben. Diese Erkenntnis ist aktueller denn je. Dr. Braun fasst es so zusammen:
Jede Kultur kann sich nur entwickeln, wenn sie Kontakt nach außen hat. Bei der europäischen Entwicklung kamen viele Impulse aus dem Osten. Das sollte man nicht vergessen.
Migrationsströme habe es schon immer gegeben. Man dürfe keine Angst haben, sondern auch solche positiven Aspekte sehen. So gesehen wird eine Ausstellung mit antiken Gegenständen ein politisches Erlebnis. Die neugestaltete Antiken-Ausstellung ist also aktueller denn je.