Mannheim, 25. Februar 2016. (red/as/hmb) Die Sonderausstellung „Versunkene Geschichte – Archäologie an Rhein und Neckar“ ist nach 13 Jahren fertig gestellt worden und eröffnet am 28. Februar. Die Reiss-Engelhorn-Museen stellen dafür mehr als 3.000 Exponate aus ihren archäologischen Sammlungen vor, die hauptsächlich in der Rhein-Neckar-Region geborgen wurden. Der Rundgang führt als Zeitreise durch die Geschichte der Menschen von der Steinzeit über die Metallzeiten und das römische Reich bis hin zum Frühmittelalter. Die Sonderausstellung ist bis zum 30. Juli geöffnet.
Von Hannah-Marie Beck und Annika Schaffner
Vor 13 Jahren ist der erste Teil der Sonderausstellung „Versunkene Geschichte – Archäologie an Rhein und Neckar“ für Besucher eröffnet worden – in den folgenden Jahren kamen drei weitere Bereiche hinzu. Diese vervollständigten die Geschichte der Menschen von der Steinzeit, über die Bronze- und Eisenzeit und die Römerzeit bis hin zum Mittelalter.
Alle Exponate sind dabei aus dem Rhein-Neckar-Kreis und größtenteils aus ehemaligen Rhein- oder Neckarbetten, was den Titel der Ausstellung erklärt. Die Ausstellung umfasst nun 1.200 Quadratmeter und mehr als 3.000 Exponate.
Am 28. Februar wird die gesamte „Versunkene Geschichte“-Ausstellung eröffnet, da nun auch die mittleren Teile „Innovation Metall“ und „Ein Hauch von Rom“ fertig gestellt wurden.
Dass die Fertigstellung der kompletten Ausstellung so lange andauerte, lag vor allem daran, dass das benötigte Geld nicht aus öffentlicher Hand oder von Stiftungen kam, sondern nur von Drittmitteln gespendet wurde. Der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museums Prof. Dr. Alfried Wieczorek sei nun aber sehr stolz und dankbar, dass die Ausstellung fertig gestellt werden konnte.
Die Ausstellung unterscheidet sich von anderen Ausstellungen in Deutschland, weil sie Erlebnisräume bietet,
so Prof. Dr. Alfried Wieczorek. Man wollte ein „Eintauchen in die geschichtlichen Perioden“ ermöglichen und so die „versunkenen Welten Mannheims wieder beleben“.
Durch die Erlebniswelten sei die Ausstellung vor allem für junge Menschen und Kinder attraktiv, was man beim ersten Teil „Menschenzeit“ schon gemerkt habe. Ob dieser Plan mit so ausführlichen geschichtlichen Themen aufgegangen ist?
Auge in Auge mit Neandertalern
„Menschenzeit – Geschichten vom Aufbruch der frühen Menschen“ heißt der erste der vier Teile der gesamten Ausstellung, den es schon seit einigen Jahren zum Besichtigen gibt und das Leben der Menschen vor 6.000 Jahren in der Steinzeit darstellt. Zunächst läuft man durch eine nachgebaute Höhle, bestückt mit Gegenständen des Neandertalers, genauer dem „homo heidelbergensis“. Am Ausgang der Höhle steht man dann Auge in Auge mit einer nachgestellten Neandertaler-Familie.
Weiter zeigen verschiedene Exponate und Nachbauten die Entwicklung der Menschen nach der Eiszeit und die Veränderungen der Landschaft. Dem Projektleiter der Ausstellung und Direktor für Archäologie und Weltkulturen an den rem, Privatdozent Dr. Michael Tellenbach war es wichtig, dass der Besucher mit dem Gehen durch die Teilausstellung „Menschenzeit“ eine Reise durch Geschichte der Menschen macht.
Von Metallverarbeitung, Grabhügeln und einem Riesenbecher
Die Frühbronzezeit und damit der zweite Teil der neuen Ausstellung „Innovation Metall – von der Bronzezeit zu den Kelten“ wird mit einem Leinwand-großen Foto eröffnet, dass die Mündung von Rhein und Neckar damals darstellen soll. Die Farbe Grün sticht ins Auge: Fruchtbare und sumpfige Auenlandschaften bestimmten die Natur.
Dadurch gab es in unserer Region auch Malaria, „und das muss man wissen, um die Geschichte von damals verstehen zu können“, so Dr. Michael Tellenbach. Interessant ist, dass das Foto eine aktuelle Aufnahme eines Altrheinarms in der Umgebung von Mannheim ist.
Besonders stolz sind PD Dr. Michael Tellenbach und Dr. Klaus Wirth, der Leiter der Archäologischen Denkmalpflege und Sammlungen an den rem, auf einen in der Region seltenen „Riesenbecher“, der in Ilvesheim gefunden wurde. Er stammt aus dem Jahr 2.500 vor Christus.
Das große Gefäß wurde zunächst als „Fake“ mit Gipsergänzungen rekonstruiert, doch Mitarbeiter der Reiss-Engelhorn-Museen lösten die Originalstücke aus der Rekonstruktion wieder heraus und ließen Zeichner die ursprüngliche Form rekonstruieren. Dann wurde eine kleinere Kopie des Gefäßes erstellt und die Originalstücke darauf gelegt. So hätte man eine viel genauere und authentischere Rekonstruktion geschaffen, so Dr. Klaus Wirth.
Der Ausstellungsteil „Innovation Metall“ hebt hervor, dass in der Spätbronzezeit die Leimfachwerkhäuser gerade in unserer Region besonders waren, da sie mit Farben und Dekorationen bemalt waren. Dies wird mit Nachbauten dargestellt. Auch nachgebaute Schmelzöfen sollen die Verarbeitung von Bronze und Eisen nachvollziehbar darstellen.
Außerdem gibt es den Nachbau eines großen eisenzeitlichen Grabhügels, den man betreten kann. Im Inneren läuft an der Decke ein Film, mit dem man sich wie ein Begrabener fühlen soll und die Geschichte des Grabhügels bis zu seiner Entdeckung von Archäologen miterlebt. Insgesamt zeigt „Innovation Metall“ über 600 Exponate aus den religiösen Gebrauch oder Alltag der damaligen Menschen.
Ein Hauch von Rom in unserer Heimat
Raus aus der Welt der Kelten betritt man eine römische Straße und damit die Zivilisation. „Ein Hauch von Rom“ heißt der dritte Teil der Ausstellung, der auch frisch fertig gestellt wurde. Die nachgebaute Straße ist umzäunt von Grabsteinen, die Kurfürst Carl Theodor von Mainz nach Mannheim abkaufte.
Jeder der Grabsteine beschreibt die Geschichte des verstorbenen Menschen, die meisten waren Soldaten. Und eine Geschichte sticht hervor, weil sie einen aktuellen Bezug zu unseren heutigen Geschehen hat: Vor 1.950 Jahren war Sibbaeus Eron (aus Syrien, Palästina oder dem Libanon) über das gesamte römische Reich bis hin zum Rhein gewandert, um dort zu leben. Durch ein besonderes Instrument (ähnlich einer Vuvuzela), das die Römer nicht kannten und nur er bedienen konnte, konnte er der Infanterie als Signalgeber beitreten. Sein Name wurde einfach „lateinisiert“.
Römer war, wer das römische Bürgerrecht hatte. Punkt.,
so Dr. Mathilde Grünewald, die wissenschaftliche Leiterin von „Ein Hauch von Rom“.
Steine und Säulen, die im ganzen Raum verteilt sind, zeigen Götterbilder der verschiedenen antiken Götter. Die Steine wurden in mühevoller und kostenspieliger Arbeit vom „Mannheimer Altertumsverein“ rekonstruiert.
Ein weiteres Highlight von „Ein Hauch von Rom“ ist der Einblick in das römische Haus („villa rustica“), das in Oftersheim entdeckt wurde. Es konnten zwei große Flächen der bemalten Wände rekonstruiert werden und ein Modell der ganzen Hausanlage nachgestellt werden. An der Villa merkt man, dass der römische Einfluss auch auf diese Region doch sehr groß war. Doch um 500 nach Christus endete das römische Reich, auch in der Mannheimer Umgebung.
Wilde Völker im Frühmittelalter
Der Ausstellungsteil „Wilde Völker – an Rhein und Neckar“ schließt den Rundgang durch die Geschichte der Menschen in unserer Region ab. Dieser Teil wurde schon vergangenes Jahr eröffnet. Nach den zivilisierten Römern wurde es wieder turbulent: Eine Reihe von blutroten Vitrinen zeigen verschiedene Speere und zertrümmerte Schädel einer „jungen und gewaltbereiten Bevölkerung“ (so Dr. Michael Tellenbach), die unter der Herrschaft der Franken im 6. Jahrhundert lebten.
Anschaulich sind die Bodenvitrinen mit Skeletten, die aus Gräbern in Seckenheim geborgen wurden. Man kann die menschlichen Überreste in ihrer ursprünglichen Lage in den Gräbern von oben betrachten.
Auch Grabbeilagen konnten geborgen werden, da die Gräber durch die Überflutungen des Neckars von Grabräubern lange Jahre geschützt wurden.
Ein nachgebauter Töpferofen, Glas-Gefäße, schöne Perlenketten und ein nachgebautes „Grubenhaus“, bei dem man mehrere Räume begehen kann, veranschaulichen das alltägliche Leben der Menschen in der damaligen Zeit.
Erlebniswelt oder doch Vitrinenwälder?
Insgesamt ist die sehr umfangreiche Ausstellung „Versunkene Welten“ interessant und zugängig gestaltet, man erlebt tatsächlich eine Reise durch die Geschichte und dies bezogen auf unsere Heimat. Doch von „Erlebniswelten“ zu sprechen wirkt an vielen Stellen doch etwas zu hoch gegriffen.
Wir wollten keinen Vitrinenwald, sondern Erlebnisräume schaffen,
so Dr. Michael Tellenbach. Allerdings findet man doch sehr viele Vitrinen wieder, vor allem bei „Wilde Völker“ ist der erste Raum sehr wohl ein „Vitrinenwald“.
Natürlich ist es auch sehr schwer, wertvolle Exponate wie Speere anders anschaulich zu machen. Aber ob es wirklich so ein Erlebnis ist, Schubladen oder Schränke auf zu machen, in denen nochmal kleine Exponate „versteckt“ sind?
Alternativ kann man sich auch auf eine antike Bank setzen und sich wie ein römischer Stadthalter fühlen… Das ist ein guter Ansatz, aber für unsere moderne Gesellschaft vielleicht noch nicht interaktiv genug.
Für Familien mit Kindern und Geschichtsinteressierte ist die Ausstellung allerdings mit Sicherheit empfehlens- und sehenswert, da die authentischen Nachbauten zum Spielen anregen können.