Mannheim, 14. April 2016. (red/hmb) Wer sind die Helden unserer Geschichte? Sie blicken von Sockeln auf uns herab: In Stein wurden ihre Gesichter eingemeißelt und Denkmäler erbaut. Sie begegnen uns in verstaubten Geschichtsbüchern – jeder kennt sie. Doch da sind auch die stummen Helden, ohne Namen und ohne Geschichte. Journalisten fotografierten sie im entscheidenden Moment – eine Mannheimer Künstlerin hielt sie in „Anonymen Skulpturen“ fest.
Von Hannah-Marie Beck
Fotos, die in die Geschichte eingingen: Vom Vietnamkrieg, den Demonstrationen auf dem Tiananmen-Platz in Peking, der Studentenrevolte in Paris,… So wie viele andere auch verbindet die gebürtige Mannheimerin Brigitte Zieger, die seit vielen Jahren in Paris lebt und wirkt, diese Ereignisse mit Bildern, die die Welt bewegten – und Menschen, die in Vergessenheit gerieten. Menschen, die einen stummen Protest wagten – die im Stillen aufbegehrten.
Da ist eine Frau, die Militärpolizisten eine Blume entgegenstreckt. Ein Mann, der mit Einkaufstaschen in den Händen eine Reihe von Panzern stoppt. Eine Steinewerferin, die kindlich ihre Zunge herausstreckt. Auf Fotos wurden diese und viele weitere Taten verewigt – die Menschen danach nie wieder gesehen. Man weiß nicht, was aus ihnen geworden ist – kennt meist noch nicht einmal ihren Namen.
Auf den Bildern, die zu Ikonen journalistischer Berichterstattung geworden sind, beweisen sie sich nicht mit heroischen Gesten, sondern durch eine stille Revolte in täglichen Attitüden.
Anonyme Skulpturen
Brigitte Zieger spielt mit Denkmälern, stellt keine Helden oder großen Politiker dar, sondern Leute, die stumm aufbegehrt haben. Halb, fragil wirken ihre lebensgroßen „Anonymen Skulpturen“, die ihrer Meinung nach eigentlich gar keine Skulpturen sind.
Sie lassen die Abgebildeten nicht wie zu Stein geworden wirken – sondern vergänglich. Als würden sie in jedem Moment zu Staub zerfallen,
findet die Künstlerin. Seltsam gesichtslos wirken ihre schatten-schwarzen Skulpturen – nie stellt Brigitte Zieger den ganzen Körper der Menschen dar. Sie denkt die Originalbilder nicht weiter, sondern zeigt nur das, was auf den Fotografien zu sehen ist: Der Teil des Menschen, der nicht abgebildet ist bleibt hohl.
Man kann richtig in sie hineingleiten – man kann ihre Rolle einnehmen,
so Brigitte Zieger. Bewusst legt sie den Besuchern ihre Foto-Vorlagen nicht zum direkten Vergleich. „Denkmäler sollen zum Denken, zum Erinnern anregen“, meint sie. „Wer sich mit den Bildern beschäftigt, findet sie leicht.“
Was wäre wenn…?
Die Ausstellung von Brigitte Ziegers Werken eröffnet am 17. April um 11:00 Uhr im Mannheimer Kunstverein und wird bis zum 29. Mai gezeigt. Der Eintritt kostet ermäßigt 2, sonst 3 Euro. Ergänzt wird sie durch eine Reihe von „digitalen Skulpturen“.
In Reliefs hat die Künstlerin Fotos von Flower-Power-Festivals eingebaut – eine alte Form mit neuem Inhalt. Herrscher, Krieger und Männer in heroischen Posen wurden durch freie Körper ersetzt. Darstellungen der Antike werden hinterfragt: Was wäre wenn…? Kann eine veränderte Vergangenheit die Möglichkeit eröffnen, eine andere Zukunft zu errichten? Ausstellungsleiter Dr. Martin Stather:
Brigitte Zieger hat alte Reliefs für eine Generation im Aufbruch gelöscht.