Mannheim, 14. April 2016. (red/cr) Das Jetztmusikfestival bietet Raum zum Experimentieren. Die Band Grandbrothers nutzte diesen Raum – sie spielen einen Flügel vierhändig, und das nicht nur mit den Tasten. Die Klänge des Flügels mischen sie zu elektronischer Musik, die faszinierend vielschichtig und teilweise auch tanzbar ist. Am Mittwochabend begeisterten sie das Publikum im SWR-Studio.
Von Christin Rudolph
Dim-dim-dim. Drei Töne. Immer wieder wiederholt von einem Laptop. Ein minimalistisches Motiv.
So beginnt das Konzert der Grandbrothers. Dann kommen die beiden Musiker auf die Bühne. Lukas Vogel begibt sich an den Laptop. Verkabelt ist dieser mit einem offenen Flügel.

Jazzpianist Erol Sarp und Lukas Vogel spielen den Flügel gewissermaßen vierhändig – auf eine sehr unkonventionelle Art.
An diesen setzt sich sein Bandkollege Erol Sarp. Prüft die Stellung von Hämmerchen, die in das Instrument hineinragen. Und dann beginnt er, zu spielen.
Klangfülle überrascht

Die beiden Musiker wirken vor allem bei Moderationen noch unsicher. Beim Spielen ist aber offensichtlich, wie viel Spaß sie haben.
Mal hört man ein Klavier und ein Schlagzeug, mal ein Cembalo und Percussions wie bei Clubmusik. Aus den reduzierten, eltronisch klingenden Motiven am Anfang entwickeln sich Stücke von einer Klangfülle epischer Filmmusiken. Oder virtuose Klavier-Melodien zu tanzbaren Beats.
Immer hört man sehr viel gleichzeitig . Viele Songs bauen sich langsam auf, indem immer mehr Geräusche und Effekte dazukommen. Gerade wenn man denkt, der Höhepunkt sei erreicht, werden gefühlt zehn kombinierte Klänge dazugeschaltet und der Rhythmus des Klavierspiels wechselt abrupt.
Solche Momente des Aufblühens verursachen Gänsehaut. Wirklich faszinierend wird die Musik der Grandbrothers allerdings erst, wenn man weiß, wie sie gemacht wird.
Elektronische Musik ohne Synthesizer
Ihr fragt euch sicher, was hier auf der Bühne so passiert,
mutmaßt Pianist Erol Sarp. Lukas Vogel erklärt die Erfindung der beiden:
Alles was man hört kommt aus dem Flügel.
Die beiden Musiker beschränken sich nicht auf die Tasten des Instruments. Kleine Hämmerchen werden über eine selbstgeschriebene Software angesteuert und schlagen die Saiten direkt an. Das erzeugt einen Klang ähnlich dem eines Cembalos.
Das Instrument voll ausschöpfen

Immer wieder greift der Pianist innerhalb eines Stückes in den Flügel, um Hämmerchen zu verschieben. Bei diesem Stück benutzt er sogar einen sonst für Schlagzeug üblichen Besen.
Aber nicht nur die Saiten werden gespielt. Die Grandbrothers wollen klanglich das Maximum aus dem Instrument herausholen. Daher wird auch an Metall und Holz des Flügels geschlagen.
Diese Klänge werden aufgenommen, elektronisch verfremdet, mit Effekten versehen, zerstückelt, aneinander gereiht und direkt wieder abgespielt. Diese elektronischen Sounds werden unterschiedlich eingesetzt.
Als Rhythmuselemente, um Spannung aufzubauen oder als Klang- und Geräuschteppich zur Klaviermelodie, so dass sich einzelne Geräusche und Effekte kaum noch unterscheiden lassen.
Eingängig sind die Songs der Grandbrothers nicht. Dafür beeindruckt jedes Stück neu, wie viel man aus einem Flügel „herausholen“ kann. Und was die Grandbrothers daraus machen.
Neue Spieltechniken für neue Musik
Das Publikum im SWR-Studio am Mittwochabend war begeistert. Elektronische Musik ohne synthetische Sounds – ein gelungener Beitrag zum Jetztmusikfestival. Das Mannheimer Festival will elektronische Musik mit anderen Kunstformen zusammenbringen und Raum zum Experimentieren geben.
Die Musik der Grandbrothers ist nicht nur experimentell und eine neue Erfahrung für Musik und Publikum. Sie ist vor allem Konzeptkunst, die sehr gut hörbar ist – und teilweise auch sehr gut tanzbar.
Das zehnte Jetztmusikfestival dauert noch bis zum Samstag, den 16. April.