Berlin/Leipzig/Rhein-Neckar, 12. Oktober 2016. (red/pro) Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass manche Behörden am Anschlag sind und der Rechtsstaat aus dem Ruder läuft, dann ist es der vermutliche Selbstmord des mutmaßlichen Terroristen J.A.. Der 22 Jahre alte Syrer soll einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant haben. Er entkam der Polizei. Er wurde von anderen Syrern festgesetzt. Die machten ihn verächtlich. Die Bild-Zeitung verbreitete das Foto. Der Mann ging in Haft und ist trotz Überwachung nun anscheinend einen Tag später tot.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wer jetzt noch behauptet, man habe alles im Griff, ist entweder ein Phantast oder weiß mehr als die Bevölkerung.
Es ist absolut unerträglich für einen Rechtsstaat, wenn Beschuldigte nicht vor Gericht gebracht werden, sondern vorher in der Obhut der staatlich angeordneten Haft sterben. Egal durch wen.
Das ist ein Skandal – egal, wer verantwortlich ist.
Ein gesunder Mensch stirbt nicht einfach so. Man stirbt nur durch Vorsatz – durch sich selbst oder andere. Dass der Terrorverdächtige J.A. angeblich Selbstmord verüben konnte, ist nicht zu begreifen. Der Mann war im Ausnahmezustand. Er wurde öffentlich verhöhnt und verächtlich gemacht. Was hatte dieser Mensch noch zu verlieren? Genau nichts. Genau so hoch war sein Todesrisiko. 100 Prozent.
Was hat die Justiz getan, um diesen Menschen in seiner Situation vor sich selbst zu schützen? Wer übernimmt für dessen Tod die Verantwortung? Das kann nicht folgenlos bleiben und ganz sicher kann es nicht nur “den Kopf” des Schichtdienstes oder des Gefängnisleiters kosten. Das ist mindestens auf Landesebene politisch relevant, viel eher noch für die Bundesregierung.
Wir haben als einziges Medium in Deutschland die Erniedrigung des Tatverdächtigen thematisiert und die entscheidende Frage gestellt, wer “wir” als Gesellschaft sein wollen.
Da wussten wir noch nicht, wie tief der Abgrund sein kann. Wir haben auch nicht ansatzweise Zweifel gehabt, dass die Strafverfolgungsbehörden den Mann sicher unterbringen und darauf achten, dass ihm nichts passiert, damit er fair und gerecht vor Gericht gebracht wird.
Sein jetzt über Medienmeldungen kolportierter Tod ist die größtmöglich vorstellbare Katastrophe.
Die Mann ist als Dschihadist gestorben – wenn auch nicht im Kampf, aber er hat sich den Ungläubigen nicht ergeben müssen. Er wird als Held gefeiert werden und niemand wird ihm seine Belohnung im Paradies absprechen.
Sein Tod wird die Grundlage für Verschwörungstheorien sein. Der Beweis dafür, dass unser Rechtsstaat nur ein Lügengebilde ist und Ungläubige die wahren Gläubigen nach Lust und Laune töten oder in den Tod treiben – ohne Folgen.
Vielleicht wäre alles auch eine Nummer kleiner gegangen – aber ist nach der jauchzenden Heldenstory-Berichterstattung der vergangenen Tage nicht mehr möglich. Die Story hängt an der ganz großen Glocke.
Wenn sich jetzt noch bestätigen sollte, was Spiegel online berichtet, dass die syrischen “Helden” möglicherweise keine sind, dann nimmt das alles einen ganz bösen Verlauf.
Die Ermittlungen gegen den zweiten Verdächtigen laufen laut Generalbundesanwalt weiter, wie dieser uns auf Anfrage mitteilte. Ob gegen die drei Syrer ermittelt wird, die den verstorbenen Tatverdächtigen festgenommen hatte, wollte man nicht kommentieren.
Warum ist das für uns hier in der Metropolregion ein Thema? Weil wir hier einen der konzentriertesten Füchtlingsschwerpunkte in Deutschland haben, weil in der Umgebung von Speyer und in Leimen Terrorverdächtige festgenommen worden sind, weil wir in Mannheim salafistische Zellen haben.
Und das wird einem zwangsgebührenfinanziert auf Facebook unter “SWR-Eilmeldung” geboten. Das ist ein anderer Skandal – aber auch einer, der es in sich hat. Wir lassen die Namen der Verfasser stehen – die wollten schließlich öffentlich Stellung nehmen.