Heidelberg/Rhein-Neckar, 11. März 2013. (red/zef) Eine vom Mieterverein Heidelberg und dem Deutschen Gewerkschaftsbund organisierte Kundgebung forderte in der vergangenen Woche sozialverträglichere Mietpreise. Redner auf der Demonstration war Lothar Binding, Vorsitzender des Mietervereins Heidelberg und Bundestagsabgeordneter der SPD. Obwohl die Mietpreise in Heidelberg mit 7,80 Euro pro Quadrameter bundesweit auf dem dritten Platz liegen, nahmen nur 80 Personen an der Demonstration teil. Dabei fallen allein schon die 34.000 Studenten der Heidelberger Hochschulen unter die einkommenschwachen Gruppen.
Von Ziad-Emanuel Farag
Auch der Vergleich mit Mannheim zeigt: Der Heidelberger Mietspiegel von 7,80 Euro pro Quadrameter ist sehr hoch. In Mannheim beträgt er lediglich 6,26 Euro pro Quadratmeter. Auf die Frage nach der trotzdem geringen Resonanz erklärt Binding:
Die Armen würden sich zu ihrer Armut mit der Kundgebung öffentlich bekennen. Das wollen sie aber nicht. Die Reichen interessiert die Demonstration ohnehin nicht.
Im Schnitt betragen die Mietpreise in neuen Mietverträgen 9,50 Euro pro Quadratmeter, oft seien sie sogar noch höher. Sie sind Binding besonders ein Dorn im Auge:
Die Neuvertragsmieten sind in den letzten beiden Jahren explodiert. Unter 10 bis 12 Euro Kaltmiete findet sich kaum noch ein öffentliches Wohnungsangebot.
Für freie Wohnungen gibt es in Heidelberg viele Interessenten. Jeder, der dort mal eine Wohnung gesucht hat, weiß, wie schnell sie belegt ist. Binding zufolge liege das daran, dass es in Heidelberg viele sozial besser Gestellte gebe, die sich dies leisten könnten. Der Markt gebe also diese Preise her. Gleichzeitig bestehe jedoch eine große Nachfrage von Menschen mit mittlerem und unterem Einkommen. Das Angebot für sie gehe aber gegen null.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die sozialen Wohnungen in Heidelberg, deren Zahl in den letzten Jahren abnahm. Diese Wohungen haben besonders günstige Mietpreise, werden mit öffentlichen Geldern bezuschusst und richten sich an Einkommensschwache. 2007 gab es noch 7.200 Sozialwohnungen, inzwischen seien es nur noch 5.600. Hinzu komme, dass inzwischen keine solcher Wohnungen mehr gebaut werde. Früher seien es immerhin 200 Stück gewesen. Binding forderte, dies wieder aufzunehmen:
Die Stadt kann das jedoch nicht allein leisten. Das Land muss sie mit Geldern unterstützen. Hier Geld in einem Sparhaushalt einzusparen käme uns sehr teuer,
so Binding weiter.
Die US-Flächen sollen sozial genutzt werden
Als eine Möglichkeit nimmt Binding hierfür die Flächen in den Blick, die bis vor Kurzem noch die US-Armee in Rohrbach nutzte. Die neuen Wohnungen auf diesen Flächen sollen gerade für sozial Schwache bezahlbar sein, daher dürfe nicht der Gewinn für die Vermieter im Vordergrund stehen. Immerhin werden hier nun Wohnungen für 128 Studenten noch in diesem Jahr geschaffen. So hätten aktuell bei dutzenden Bewerbungen für eine Wohnung Kleinverdiener und Arme keine Chance. Im Bundesdurchschnitt werden 42 Prozent des Einkommens für die Miete verwendet werden. In Heidelberg sei dies laut Binding oft sogar die Hälfte
„Besonders betroffen sind junge Familien“
Dies wirke sich laut Binding auch auf die Altersverteilung in der Stadt aus:
Seit langen Jahren schon ziehen Jungfamilien mit Einkommen unter dem Durchschnitt aus Heidelberg weg. In immer weniger Haushalten gibt es Kinder.
Laut dem Heidelberger Amt für Statistik haben 84,6 Prozent der Haushalte keine Kinder unter achtzehn Jahren. Das zeige: Selbst Familien mit mittleren Einkommen hätten Probleme. So koste eine Vier-Zimmer-Wohnung für eine vierköpfige Familie mit 110 Quadratmetern 1200 Euro. Selbst bei 2800 Euro Einkommen könne dies die Familie aber kaum aufbringen.
Der Bundestag solle nun ein Gesetz verabschieden, das vorsieht, dass in den durschnittlichen Mietpreis, den Mietspiegel, nicht nur die Mieten der letzten vier, sondern der letzten zehn Jahre einbezogen werden. Sonst drohe gerade in Heidelberg ein weiterer Anstieg. Der Gesetzgeber solle Neuvertragsmieten auf den dann ermittelten Mietspiegel begrenzen.
Er appelliert an den Gemeinderat, beim Land vorstellig zu werden, weitere Schritte einzuleiten: Das Land solle angesichts der angespannten Wohnungssituation in Heidelberg wieder Zweckentfremdungen per Landesverordnung unter Strafe stellen. Unter Zweckentfremdung versteht man, dass Wohnraum in gewerbliche Flächen umgewandelt wird. Zudem fordert er, dass eine Wohnung nach Kündigung eines Mietvertrages künftig wieder erst nach zehn Jahren in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden darf statt wie aktuell nach drei Jahren.
„Mieterhöhungen müssen in Heidelberg auf maximal fünfzehn Prozent begrenzt werden!“
Die Kosten für die energetische Modernisierung dürften in der Landesverordnung für Binding außerdem nicht allein die Mieter tragen. Aktuell dürfen die Vermieter elf Prozent dieser Kosten pro Jahr von den Mietern einholen. Dadurch trügen diese Kosten über 10 Jahre hinweg die Mieter alleine. Für den Vermieter bleibe dabei sogar eine Wertsteigerung. Hier fordert Binding, dass künftig nur noch neun Prozent den Mietern pro Jahr aufgebürdet werden sollen.
Kritisch sieht Binding die Kappungsgrenze. Diese regelt, dass die Miete innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 Prozent erhöht werden dürfe.
In der gleichen Landesverordnung kann die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen von zwanzig Prozent auf fünfzehn Prozent für Heidelberg gesenkt werden,
so Binding weiter. Bei der neuen Landesregierung erkennt Binding hier noch nicht genügend Initiative und fordert, sie solle jetzt aktiver werden. Christoph Nestor, der Geschäftsführer des Heidelberger Mietervereins, ist optimisch:
Wir hoffen, dass die Landesregierung in den nächsten drei Monaten handelt. Entsprechende Vorlagen liegen dort auf dem Tisch.
Schließlich verweist Binding darauf, dass die Mieter mit 60 Prozent die Mehrheit stellen und für diese Mehrheit auch eine entsprechende Politik zu machen sei. Es bleibt abzuwarten, inwiefern er als Bundestagsabgeordneter bei der grün-roten Landesregierung Gehör findet.
Nach Bindings Rede verlief sich die Kundgebung sehr schnell. Um 17:40 Uhr wurde noch in losen Kleingruppen diskutiert, die Transparente wurden aber schon weggeräumt. Die Demonstration verlief also überschaubar und friedlich.
Der Verein „Haus- und Grundverein Heidelberg e. V.“, der Zusammenschluss der Heidelberger Mieter, war für eine Stellungnahme bisher nicht zu erreichen.