Mannheim, 09. Februar 2018. (red/pro) Aktualisiert. Die vierte Große Strafkammer und Vorsitz von Bettina Krenz hat heute einen Mannheimer Rechtsanwalt zu einer Gesamtstrafe von einem Jaahr und sechs Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt. Die höchste Einzelstrafe beträgt zehn Monate, das ermöglicht dem Anwalt aller Voraussicht nach, seine Zulassung zu behalten.
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Von Hardy Prothmann
Das Urteil der vierten Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Bettina Krenz ist mit großer Spannung erwartet worden.
Der Fall außergewöhnlich. Ein Mannheimer Rechtsanwalt steht als Angeklagter vor Gericht. Weil er Drogen gekauft und besessen hat und weil er Beihilfe zum Drogenhandel geleistet hat. Und nicht irgendein Rechtsanwalt, sondern der vermutlich prominenteste Strafverteidiger der Region und einer, der bundesweit schwer kriminelle Personen verteidigt.
Kein Lächeln trotz Erleichterung
Einer, der von sich selbst sagt, er habe ein “freches Maul” und ein “heißes Herz” bei seiner Arbeit. Selbst vor Gericht, war er keineswegs kleinlaut, aber doch demütig. Seine gezeigte Reue war keine Taktik – der Mann ist, seit er im Dezember 2017 verhaftet worden war und zehn Tage in Untersuchungshaft saß, selbst mit sich ins Gericht gegangen. Ganz privat. Er hat erkannt, dass er sich mit exzessivem Drogenkonsum selbst geschädigt und fast um seine Existenz gebracht hat.
Als das Urteil gefällt ist, geht kein Lächeln über sein Gesicht. Die Miene ist eisern. Denn klar ist: Er ist jetzt ein verurteilter Straftäter. Aber er hat auch die Aussicht auf eine neue Chance, denn das Gericht folgte nicht der Strafforderung der Staatsanwaltschaft. Die wollte ihn wegen Drogenbesitzes mit mindestens 1,3 Jahren für die Einzeltat bestraft sehen, das wäre sein berufliches Aus gewesen, weil die Rechtsanwaltskammer Karlsruhe ihm dann zwingend die Zulassung entzogen hätte.
Urteil gegen einen bekannten und versierten Rechtsanwalt
Das Urteil der Kammer lautet auf zehn Monate für die Beihilfe und je sechs und sieben Monate für Drogenkauf und -besitzt, als Gesamtstrafe ein Jahr und sechs Monate. Ausgesetzt zur Bewährung auf einen Zeitraum von drei Jahren mit Bewährungsauflagen. Die Staatsanwaltschaft forderte weiter 15.000 Euro Geldbuße, die hat das Gericht kassiert. Aber die Kosten des Verfahrens trägt der Verurteilte selbst.
Zur Urteilsverkündung. Die Vorsitzende Bettina Krenz ist eine sehr erfahrene Richterin und hat sich selbst durch einen äußerst anstrengenden Verteidiger Dr. Jens Graf im Grunde nicht aus der Ruhe bringen lassen – bis auf ein einziges Mal, als Sie heftig auf den Tisch haute und meinte: “Jetzt ist aber Schluss damit.” Dr. Graf hat das praktische Strafverteidigen bei Maximilian E. gelernt, der jetzt sein Mandant ist. Freches Maul und heißes Herz eben.
Dieser Prozess fällt aus dem Rahmen, steht doch ein bekannter und versierter Rechtsanwalt vor Gericht,
sagt Frau Krenz und ergänzt, dass fast jeder Richter schon mehrfach über viele Jahre in zahlreichen Strafprozessen mit diesem Anwalt zu tun hatte: “So auch ich.”
Problematischer Fall
Warum ist das erwähnenswert? Weil sich die Frage der Befangenheit stellt. Die Richterin verneint das und stellt fest, dass es um Strafsachen geht, die der Sache nach behandelt wurden. An diesem Eindruck gibt es keinen Zweifel. Es waren weder für noch gegen den Angeklagten Stimmungen der Kammer bemerkbar. Der Prozess diente der Aufklärung der Straftaten, dem Prüfen der Zeugenaussagen und Beweise. Die Staatsanwältin Linda Thomsen blieb eher verschwiegen, die Verteidiger Dr. Klaus Malek und Dr. Jens Graf hatten ausreichend Raum für ihre Vorträge.
Problematisch war der Fall durch die öffentliche Aufmerksamkeit, emotionale Plädoyers und Ihre Bekanntheit und Ihre Persönlichkeit, die durchaus polarisiert.
Aufgabe des Gerichts sei es, alles adäquat einzuordnen -unabhängig von Meinungsäußerungen und Medienberichten.
Weiter sei wesentlich für die Abwägung des Strafmaß’ die seit 1987 gefestigte Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs gewesen, auch die beruflichen Perspektiven eines Angeklagten im Blick zu haben – denn die sind bei einem Urteil mit einer Einzelstrafe ab 12 Monaten für einen Rechtsanwalt vernichtet. Das würde den Anwalt zwingend seine Zulassung kosten – quasi ein Berufsverbot darstellen.
Der Sachverhalt
Die Richterin stellt den Sachverhalt dar. Aus Sicht des Gerichts bezog der Angeklagte sechs Mal 10 Gramm Kokain von einem Drogenhändler und sechs mal 20 und zwei Mal zehn Gramm von einer weiteren Person. (Anm. d. Red.: Beide wurde zwischenzeitlich ebenfalls verurteilt und sagten als “Kronzeugen” gegen den Angeklagten aus, was ihnen nach § 31 Betäubungsmittelgesetz eine Strafmilderung brachte. Mit beiden Personen war der Angeklagte früher befreundet.) Zudem habe er beide Personen miteinander bekannt gemacht, “weil Sie sich versprachen, weiter mit Drogen beliefert zu werden.”
Dadurch sei es zu mindestens einem Geschäft zwischen diesen Personen gekommen, zu einer Lieferung des Mannes an die Frau, 90 Gramm Marihuana und rund 150 Ectasy-Pillen, was den Vorwurf der Beihilfe begründe.
Der Angeklagte hatte die Taten unmittelbar nach der Inhaftierung gestanden und auch in der Hauptverhandlung wiederholt zugegeben. Dies wertete das Gericht als “qualifiziertes Geständnis”.
Was die Mengen und die Qualität des Rauschgifts angeht, sei das Gericht zur Auffassung gelangt, dass diese im Kern zutreffen und der Wirkstoffgehalt dem des “Straßennieveus” von rund 30 Prozent entspräche – hier wurden auch Erkenntnisse aus einem Parallelverfahren herangezogen. (Anm. d. Red.: Vermutlich ein Verfahren gegen albanische Drogenhändler, in deren Umfeld erst die Lieferanten des Anwalts und dann dieser selbst in den Fokus der Ermittlungen rückten.)
Laut Gutachter bestand bei dem Angeklagten im Zeitraum von Februar bis Juli 2016 eine Alkohol- und Kokainabhängigkeit. Er sei eine suchtmittelgefährdete Persönlichkeit. Der Konsum sei auch über eine Haarprobe bestätigt worden.
Weiter habe die Beweisaufnahme auch ergeben, dass sich der Angeklagte selbständig in verschiedene Maßnahmen begeben habe, um sich von der Sucht zu distanzieren. Die Therapiebereitschaft sei gegeben. Ein Gutachten der Rechtsmedizin der Universität Heidelberg habe belegt, das der Angeklagte abstinent sei.
Nur die Beihilfe wirkte strafschärfend
Der Erwerb und Besitz der Drogen diente der früheren Sucht. Es handle sich um geringe oder nur geringfügig überschrittene nicht geringe Mengen (ab 5 Gramm).
Ganz zentral für den Angeklagten spricht, dass er nicht vorbestraft ist,
führte Richterin Krenz an. Weiter bestehe bei ihm eine sehr hohe Haftempfindlichkeit. Er habe ein umfassendes Geständnis abgelegt. Die Straftaten entstanden aus seiner Abhängigkeit heraus. Seine Therapiebereitschaft wirke ebenfalls strafmildernd.
Nicht jedoch die Beihilfe – diese wirke strafschärfend. Deshalb sei hier auch die höchste Einsatzstrafe von zehn Monaten angemessen.
Kein innerer Zusammenhang zwischen Beruf und strafbarem Handeln
Einen inneren Zusammenhang zwischen dem Drogenerwerb und der Stellung als Rechtsanwalt erkannte die Kammer explizit nicht. Deshalb sei dies auch nicht strafschärfend.
Die Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ist auf den Zeitraum von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt – bei Bewährungsauflagen wie beispielsweise Drogenscreenings. Der Haftbefehl wurde aufgehoben.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat sich die Prüfung einer Revision vorbehalten. Dies muss innerhalb einer Woche angezeigt werden.
Ob und wann die Rechtsanwaltskammer das Urteil prüft, ist offen. Dies wird nicht vor Rechtskraft geschehen. Diese tritt ein, wenn keine Revision eingelegt worden ist und das Urteil zugestellt ist.
Die Kammer ist damit ganz wesentlich den Anträgen der Verteidigung gefolgt, die deutlich gemacht hatte, dass es sehr viele Angriffspunkte für eine Revision geben würde, wenn man den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen würde, die wesentliche Abwägungen nicht vorgenommen habe.
Dr. Malek sagte im Anschluss:
Der Mandant kann zufrieden sein, weil er jetzt voraussichtlich eine weitere berufliche Perspektive hat.
Dr. Graf sagte:
Ein Jahr lang schwebte das Damoklesschwert über ihm. Das ist jetzt weg. Fassungslos macht mich, dass die Staatsanwaltschaft die ganze Zeit über den Haftbefehl aufrecht erhielt, obwohl man selbst zwei Jahre auf Bewährung gefordert hatte. Warum sollte einer fliehen, wenn klar ist, dass noch nicht mal die Staatsanwaltschaft auf Haft plädiert? Das muss man nicht verstehen, außer – den Rest denken Sie sich bitte selbst.