Mannheim, 03. Dezember 2015. (red/ms) Die Stadtverwaltung will die Offizierssiedlung des Benjamin Franklin Village deutlich „versiedeln“, also verdichten, um so einem Wohnungsengpass entgegenzuwirken. Dafür wird massiv in den Bestand eingegriffen. Im Ausschuss für Umwelt und Technik hatte das Vorhaben noch eine knappe Mehrheit. Ob sich diese aber auch bis zum Satzungsbeschluss im Gemeinderat hält, ist dank grundsätzlicher grüner Verweigerungsmentalität zu Verdichtung jeglicher Art und erpresserischer Forderungen der CDU-Fraktion fraglich.
Von Minh Schredle
Mannheim will wachsen – hat aber wenig Flächen zur Stadtentwicklung. Nach Angaben von Baubürgermeister Lothar Quast gebe es im gesamten Stadtgebiet nur noch etwa 100 Hektar, die man frei bebauen könne. Konversionsflächen bereits inbegriffen.
Der Wohnungsmarkt ist angespannt: Es gibt nur wenige Möglichkeiten zur Eigentumsbildung, nach Untersuchungen der Stadt sind aus diesem Grund schon zahlreiche junge Familien ins Umland umgezogen. Außerdem gibt es einen hohen Bedarf im preisgünstigen Segment, der sich in den kommenden Jahren voraussichtlich erhöhen wird.
Mit der Entwicklung des Benjamin Franklin Village habe man die Chance, nahezu alle Defizite des Mannheimer Wohnungsmarkts zu beseitigen, sagen Bürgermeister Quast, Konversionsbeauftragter Dr. Konrad Hummel, Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und die gesamte Fachverwaltung der Stadt bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit. Allerdings, betont insbesondere Herr Quast, müsse Franklin eine „Punktlandung“ werden, da ansonsten kaum noch entwickelbare Flächen zur Verfügung stünden.
Wohnungsbauflächenmangel
Vor diesem Hintergrund will die Verwaltung die Offizierssiedlung verdichten. Ausschlaggebend sei in erster Linie nicht der finanzielle Aspekt – Bürgermeister Quast lobte das Engagement der Bürgerinitiative Offizierssiedlung, die sich für einen Erhalt des Bestands einsetzt und Interessierte für einen Vertrieb desselben sucht. Man könne es sich aber laut dem Baubürgermeister nicht leisten, auf einem so großen Areal nur 103 Wohneinheiten anzubieten. Mit der Verdichtung könne man Wohnraum für bis zu 900 Menschen schaffen.
Thomas Trüper (Die Linke) bezeichnete die Siedlung in ihrem aktuellen Zustand als „ja wirklich sehr schnuckelig“ und parkähnlich. Aber man lebe leider nicht in einer Märchenwelt:
Wir brauchen dringend Wohnungen für alle Einkommensklassen. Wohnungen, die finanzierbar sind.
Man folge daher schweren Herzens diesem Plan, auch wenn der Grünverlust schmerzhaft sei. Ähnlich argumentierte auch die SPD.
Die Stadt Mannheim darf aus rechtlichen Gründen keine Gewinne mit der Entwicklung von Franklin erzielen. Insgesamt darf die Bilanz bestenfalls auf Null hinauslaufen. Dadurch sind allerdings weiterhin „Quersubventionierungen“ möglich: Wenn an einer Stelle Franklins ein Überschuss eingenommen wird, kann der an anderer Stelle beispielsweise sozialen Wohnungsbau bezuschussen. Es geht daher bei allen Teilplanungen zu Franklin in erster Linie um das Gesamtkonzept.
Keine Verdichtung mit den Grünen
Die Fraktion der Grünen lehnt die Planung ab. Gabriele Baier begründet, ein Rote-Liste-Käfer würde vermutlich seine Heimat verlieren, außerdem sei die Verdichtung der Flächen viel zu hoch:
Das ist keine gelungene Stadtentwicklung, das ist ein Trauerspiel.
Baubürgermeister Lothar Quast zeigte sich regelrecht entnervt gegenüber der destruktiven Verweigerungshaltung der Grünen-Fraktion, die in den vergangenen Wochen „über 500 Wohneinheiten abgelehnt“ habe, „ohne einen einzigen Vorschlag einzubringen“, wo denn an anderer Stelle eine Bebauung erfolgen könne:
Wir wollen eine Großstadt voranbringen. Dabei müssen wir nachhaltig und langfristig denken. Und wir wollen Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Wie soll das bitte funktionieren, ohne Eingriff in den Bestand und Verdichtung?
Dirk Grunert, Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagte darauf, die Verwaltung hätte trotzdem sehr viel besser planen können. Was genau man wie „sehr viel besser hätte planen können“, sagt er nicht.
In der Rhein-Neckar-Region gibt es im Gegensatz zum Mannheimer Stadtgebiet noch reichlich Flächen zur Entwicklung. Dort wird neuer Wohnraum entstehen. In Ilvesheim konnte ein Neubaugebiet hunderte Familien anziehen. Auch Heddesheim und Ladenburg weisen neue Baugebiete aus. Als Metropole kann Mannheim unangefochten das attraktivste Arbeitsangebot vorweisen. Das gilt für den Wohnungsmarkt nur bedingt. Viele Arbeitnehmer kommen schon heute von außen und bringen umweltschädlichen Verkehr in die Stadt. Wenn Innenentwicklung konsequent verweigert wird, wird sich das zu Lasten der Ökologie weiter zuspitzen – mal abgesehen von den Steuerausfällen für die Stadt.
Zweite Zufahrt nötig?
Laut Konrad Schlichter (CDU) liefere die Planung der Verwaltung zwar „nicht exakt das Portfolio, was sich die CDU gewünscht“ hätte (mehr Eigentumsbildung, weniger Mietwohnungen). Es sei aber dennoch ein „tragfähiger Kompromiss, der viele Interessen berücksichtige“.
Fraktions-Kollege Peter Pfanz-Sponagel stimmte dem grundsätzlich zu, kritisierte aber die verkehrliche Erschließung: Eine Zufahrt zur Ringstraße sei zu wenig, hier müsse dringend nachgebessert werden. Wenn keine zweite Zufahrt eingeplant wird, müsse er seiner Fraktion empfehlen, die Planungen abzulehnen.
Damit wäre eine Mehrheit im Gemeinderat dahin: FDP, Mannheimer Liste und Grüne lehnen die Planung ab. Somit braucht die Verwaltung die Stimmen der CDU für eine Mehrheit. Die Forderung grenzt damit an Erpressung.
Ursprünglich waren in der Planung zwei Zufahrten vorgesehen. Eine davon wurde inzwischen gestrichen. Klaus Elliger, Fachbereichsleiter für Stadtplanung, begründet, aus fachlicher Sicht sei eine zweite Zufahrt nicht sinnvoll, weil sie kaum Entlastung für den Verkehr bringe, aber weitere Grünflächen zerstöre. Vor diesem Hintergrund wäre es sehr bedauerlich, wenn das Gesamtkonzept Offizierssiedlung und damit ein bedeutender Teil Franklin aus Starrsinn scheitern würde.