Mannheim, 01. Juni 2015. (red/pro) Nikolas Löbel ist unter enormem Druck. Der Wahlkampf läuft nicht gut und dann noch dieser Zoff um die Finanzen – erst mauert er, dann entschließt er sich für Aktionismus. Er will für Transparenz sorgen, doch das erzeugt noch viel mehr Fragen, als Antworten geliefert werden können. Die CDU Mannheim ist seit 2007 in einem tiefen Loch und braucht dringend eine Neubesinnung – denn die Fokussierung auf „Talente“ tut nicht gut.
Von Hardy Prothmann
Woran erkennt man ein politisches „Talent“? Beispielsweise daran, getriebenes Handeln als entschlossene eigene Innovation zu verkaufen:
Wir legen hier eine Erklärung mit 19 Punkten vor, das ist eine umfassende Transparenz. Das ist der erste Mal in der Geschichte der CDU Mannheim, dass wir konkrete Zahlen nennen.
Nikolas Löbel guckt ernst. Tatsächlich scheinen konkrete Zahlen ein „Novum“ in der CDU Mannheim zu sein. Tatsächlich präsentiert Herr Löbel fast ausschließlich Zahlen, die man aus der Presse schon kennt. Und was die „umfassende Transparenz“ angeht, darf man weiter erhebliche Zweifel haben.
Fest steht: Die CDU Mannheim hat sich 2007 einen Wahlkampf von unfassbarem Ausmaß geleistet: Ein Vermögen von 430.000 Euro wurde ausgegeben. Ein Vermögen von 280.000 Euro wurde irgendwie eingenommen. Und am Ende blieben 150.000 Euro Schulden.
Diese Zahl entspricht exakt der, die wir als „Budget“ bereits berichtet hatten. Nach 24 Jahren Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) witterte man die große Chance, endlich einen CDU-Oberbürgermeister im „roten Mannheim“ installieren zu können. Hatte es 1999 mit Sven-Joachim Otto nicht schon fast „geklappt“? Nur knapp verlor der Kandidat – Ingo Wellenreuther sollte es 2007 machen.
2007 war die Hoffnung der CDU – und ein finanzielles Desaster
Fakt ist: Die CDU Mannheim hat ein Vermögen ausgegeben, ein Vermögen eingesetzt und blieb am Ende nicht nur auf erniedrigenden 32 Prozent Wahlergebnis sitzen, sondern auch auf 150.000 Euro Schulden. Mit addierten früheren Schulden von 20.000 Euro ging es 2008 mit 170.000 Schulden irgendwie weiter.
Was bislang „Gerüchte“ waren, ist seit dem 31. Mai 2015 Gewissheit. Die CDU Mannheim ist seit Jahren massiv überschuldet. Die nicht neuen Erkenntnisse muss man weder einem Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel noch dem Rest des Kreisvorstands verdanken, sondern einem mutigen Parteimitglied Heinrich Braun, der als Finanzexperte so viel Druck gemacht hat, dass die „neue Transparenz“ ohne Ausweichmöglichkeit, die man lange suchte, erzwungen worden ist.

Ortsverbandsvorsitzender Dr. Alfons Schulze-Hagen: „Die Distanzierung ging nicht gegen die Person Heinrich Braun, sondern gegen den Schatzmeister Heinrich Braun.“
Transparenz unter Druck
Diese angebliche Transparenz ist aber keine. Sie erfolgt nicht freiwillig, schon gar nicht aus Überzeugung und geht es nach den „Verantwortlichen“, stellt sich hier überwiegend die Frage, wen man noch abservieren kann. Das Parteimitgliedsschicksal des „Whistleblowers“ Heinrich Brown dürfte besiegelt sein, wenn es nach dem Kreisvorstand geht. Er habe ein „schädliches“ Verhalten gezeigt, das zu „verurteilen“ ist. Der Frage nach einem Parteiausschlussverfahren weichen Herr Löbel und der Ortsverbandsvorsitzende Dr. Schulze-Hagen, der seinen Schatzmeister über den Kreisvorstand des Amtes entheben ließ, aus. Bis zum Wahltermin 14. Juni – danach dürfte Herr Braun vors Parteischafott geführt werden.
Wir sind ein ein wirtschaftlich solider Verband,
sagt Herr Löbel. Die Faktenlage ist: Nach eigenen Angaben hat man 95.000 Euro Schulden. Demgegenüber stehen überhaupt keine wesentlichen Werte, also Immobilien, Anlage- oder Investvermögen. Damit ist die Partei, um es auf den Punkt zu bringen, massiv überschuldet, was Herr Löbel bestreitet.
Pleite ist die CDU Mannheim deswegen noch nicht. Insolvent ist man dann, wenn es nicht mehr gelingt, die „Verbindlichkeiten“ zu begleichen, wenn es keinen „Kredit“ (also ein Glaubensbekenntnis der Gläubiger in den Schuldner) mehr gibt.
Basar-Geschäfte der CDU
Laut Herrn Löbel sei man „handlungsfähig“. Das muss man glauben, denn immerhin ist es gelungen zu verhandeln, dass der Kreisverband seinem Schuldendienst an den Bezirksverband seit August 2014 nicht mehr nachkommen muss. Der frühere Kreisvorsitzende Claudius Kranz hatte dies bis Jahresende verhandelt, der neue Kreisvorsitzende Nikolas Löbel hat dies vom 1. Januar bis zum 31. September 2015 mit Beschluss des Bezirksvorstands unter dem Vorsitzenden Peter Hauk verlängern dürfen.
Gleichzeitig verstößt der Kreisverband mit Einverständnis des Bezirksverbands gegen die Satzungspflicht, Einnahmen abzuführen. Die würden mit Zuweisungen vom Bezirksverband an den Kreisverband verrechnet. Klingt wie „Basar“? Ist gelebte Realität in der CDU.

Politisches Talent Nikolas Löbel: Handeln unter Druck als eigenen Erfolg verkaufen.
Besonders absurd wird die neue Transparenz mit solchen Aussagen: Seit 2008 habe man jeden Wahlkampf „unabhängig“ von den Kreisfinanzen geführt. Weil aber 2014 Kommunalwahlen waren und aktuell Oberbürgermeisterwahl sei, habe man mit dem Bezirksverband Vereinbarungen getroffen, um die „Belastungen“ zu mildern. Welche Belastungen bitte, wenn die Kreisfinanzen von den Wahlfinanzen getrennt sind? Auch die Aussetzung des Schuldendienstes begründet Herr Löbel mit „Belastungen“ durch den Oberbürgermeisterwahlkampf – welche Belastungen bitte, wenn die Kassen getrennt sind, wie er behauptet?
Bratpfanne? Staubsauger? Oder Talent?
Nikolas Löbel ist angespannt und führt das große Wort: „Konsolidiert“, „gelungen“, „solide“ – man würde ihm glatt einen Staubsauger oder eine Bratpfanne abkaufen mit dem Gefühl, echte Qualität für teuer Geld erworben zu haben auf dieser Pressekonferenz am Sonntag nach der „Sonderkreisvorstandssitzung“ zwei Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl aufgrund von „diversen Medienberichten“.
Bis vor der Sommerpause werde er ein „Sanierungsprogramm“ vorlegen, sagt Herr Löbel und reckt das Kinn vor. Ein wesentlicher Bestandteil sei der „Cash-Pool“. Alle Ortsverbände sollen ihre Guthaben auf ein Konto einzahlen, das die Kontokorrentschulden des Kreisverbands senkt und somit Sollzinsen spart. Herr Löbel nennt auch den Betrag: Rund 2.000 Euro könne man so einsparen. Umgerechnet bedeutet das Kontokorrentschulden der Partei von rund 17.000 Euro. Oder anders: Für 17.000 Euro müssen bei dieser „Umschichtung“ keine Zinsen bezahlt werden. Das heißt noch lange nicht, dass das die gesamten Kontokorrentschulden („Giro-Konto“) sind.
Wir hatten bereits von Kontokorrent-Krediten zwischen 30.-60.000 Euro Linie berichtet. Da Herr Löbel rund 10.000 Euro der 95.000 Euro als Schulden gegenüber „Einzelpersonen“ auf unsere Nachfrage bezifferte, die zinslos bleiben dürften, sind also 27.000 Euro zuzuordnen. 68.000 Euro bleiben offen. Die schuldet man „Banken und übergeordneten Verbänden“. Zu welchen Konditionen? Das wurde aus „Datenschutzgründen“ nicht „transparent“ gemacht. Und damit auch nicht Last des Zinzschuldendienstes.
Quasi schuldenfrei 2014 und plötzlich doch mit 95.000 in den Miesen – das nennt sich konsolidiert
Angeblich verfügen die Ortsverbände über ein „Reinvermögen“ von 24.500 Euro – diese Zahl wurde in der Erklärung des Kreisvorstandes am Sonntag bestätigt. Hatte dieser Mehrheit Einblick in die Unterlagen? Wer hat sie geprüft? Konnte man sich zwischen Samstag, den 30. Mai 2015, 18:01 Uhr, als der Kreisvorsitzende eingeladen hat und Sonntag, den 31. Mai 2015, 10:30 Uhr, ein differenziertes Bild machen, um diese „Erklärung“ einstimmig zu tragen? Anscheinend schon.
Wissen die aktuell verantwortlichen Kreisvorstände, was der frühere Kreisvorsitzende Claudius Kranz 2014 protokollarisch informiert hatte? (die Unterlagen liegen uns vor)
Die ursprünglichen Verbindlichkeiten beim Bezirksverband von rund 20.000 Euro konnten auf rund 10.000 Euro gesenkt werden. Diese werden seit einigen Jahren zinslos gestundet. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese Restschuld erlassen wird. Die Schulden aus dem OB-Wahlkampf haben wir fast ganz abgetragen, aktuell ist unser Kontokorrent von 50.000 Euro nur mit 20.000 Euro belastet.
Wie kann es sein, dass Claudius Kranz 2014 die CDU als nahezu „schuldenfrei“ deklariert und wenige Monate später 95.000 Euro Schulden durch seinen Nachfolger Nikolas Löbel aufgrund von Medienberichten „transparent“ gemacht werden müssen? Wieso bezeichnet Herr Kranz laut Protokoll die Schulden gegenüber dem Bezirksverband als „zinslos“, während sein Nachfolger darauf hinweist, dass sie nicht zinslos sind? Wieso „bescheinigt“ Herr Löbel dem Herrn Kranz „einwandfreies Handeln“, wenn sich die Zahlen so dermaßen widersprechen? Wieso soll Heinrich Braun der Partei schaden, wenn er klare Verhältnisse einfordert, die es offensichtlich nicht gibt?
Geschlossen für Rosenberger – geschlossen gegen Braun
Und wie ist die Entwicklung seit 1. Januar 2015 bis heute? Wie kann man ein exaktes Wahlkampfbudget von 93.200 Euro für die Oberbürgermeisterwahl benennen, in dem mindestens 5.000 Euro, aber bis zu 15.000 Euro Kostenübernahme durch den Kreisverband stecken? Wie kann man 2015 einen Zuschuss von 15.000 Euro „erwirtschaften“, wenn man Schulden nicht bedient und Abführungen gegenrechnet? Dafür gibt es keine nachvollziehbare Erklärung vom Kreisvorsitzenden Nikolas Löbel.
Die Erklärungen des Kreisvorstands in der Erklärung nach der Sondersitzung gegenüber dem Mitglied und Steuerberater Heinrich Braun sind deutlich. Dessen Verhalten ist „schädlich“ und wird „verurteilt“. Und es ist klar, dass man den abgesetzten Schatzmeister des Ortsverbands Oststadt/Schwetzingerstadt am liebsten los werden würde. Doch nicht vor der Wahl.
Bis dahin entschuldigt man sich für die „Aufregungen“ beim Kandidaten Peter Rosenberger und steht „geschlossen“ hinter diesem. Betont, dass die CDU keineswegs „zerstritten“ sei und alles seine Ordnung habe. Wie gesagt, Nikolas Löbel ist ein politisches Talent.
Heinrich Braun ist Fachmann und CDU-Mitglied – und er stellt längst überfällige Fragen, die noch längst nicht beantwortet sind.