Mannheim, 30. April 2016. (red/hmb) Eine Revolte gegen die Kunst von den Künstlern selbst: Zum 100. Jubiläumsjahr der Dada-Bewegung würdigt die Kunsthalle eine Revolutionärin schlechthin: Hannah Höch – die “Erfinderin” der Collage. Die Ausstellung lockt nicht nur mit rund 150 Exponaten, darunter auch Werke, die bisher noch nie ausgestellt waren – sondern auch mit einem tollen interaktiven Teil.
Von Hannah-Marie Beck
Aquarell, Tusche, Öl, Kreide, Collage, Radierung, Siebdruck, … Es gibt kaum ein Material, von dem sie die Finger gelassen hat. Kaum eine Form, mit der sie sich nicht befasste. Von feinen Linien zu wilden Pinselstrichen. Collagen, die aussehen wie gemalt – Gemälde, die aussehen wie collagiert. Entstanden ist ein breites Spektrum an Werken – und eine vielschichtige Ausstellung.
Immer wieder muss ich die Signatur prüfen – man kann kaum glauben, dass all die verschiedenen Werke von der gleichen Künstlerin stammen. Doch unter jedem Bild prangt derselbe Name: Hannah Höch.
Jedes der rund 150 Werke, die in der Kunsthalle Mannheim in acht Themenkomplexen ausgestellt werden, stammt von der “Revolutionärin der Kunst” persönlich. Ein direkter Vergleich zu anderen Künstlern ist auch gar nicht nötig – schien sich Hannah Höch doch immer wieder selbst zu reflektieren und nie fest einer starren Formel zu verschreiben.
Ihre Veränderung – ihre Weiterentwicklung ist gut erkennbar. Dennoch bleibt Hannah Höch sich selbst treu: Sie greift gleiche Motive wieder auf und verwendet ähnliche Farben,
meint Selina Büssecker, FSJlerin in der Kunsthalle Mannheim, begeistert.
Strahlendes Blau, Münder und Augen ziehen sich durch die gesamte Ausstellung – ebenso wie die Collage als Kunstform selbst: 1918 entwickelte und etablierte Hannah Höch diese als eigenständiges, wirkungsintensives Medium. Lebenslang blieb sie ihre wichtigste Ausdrucksform.
Doch in über 60 Schaffensjahren hat Hannah Höch vieles ausprobiert – damit hinterließ sie nicht nur ein umfangreiches, sondern auch ein unglaublich vielfältiges Werk. Es gibt viel mehr zu sehen als “nur” abstrakte Kunst – fast jeder Geschmack sollte hier auf seine Kosten kommen. Auch der interaktive Teil der Ausstellung ist ein Erlebnis.
Teil der Ausstellung werden
Direkt in der Kunsthalle oder von Zuhause aus kann jeder mitcollagieren: Die Kollaborative Collage der Kunsthalle Mannheim (KoCoKuMa) entwickelt sich über den ganzen Austellungszeitraum hinweg: Jeder kann Bilder hochladen, bearbeiten und der Collage hinzufügen. Am letzten Ausstellungstag soll die Entwicklung dann als Film im Zeitraffer gezeigt werden.

Unser Beitrag zur KoCoKuMa.
Außerdem kann Groß und Klein an einer riesigen Magnetwand eigene Kunstwerke schaffen. Einzelne Elemente und wiederkehrende Elemente aus Hannah Höchs Gemälden und Collagen werden so neu zusammengesetzt.

“Guck mal dada!” – die Kinder hatten an der Magnetwand eine Menge Spaß.
Besonders beeindruckend sind die Klangcollagen, die von Studierenden der Musikhochschule Trossingen geschaffenen wurden: Inspiriert von Hannah Höchs Werken haben diese ihre Empfindungen beim Betrachten der Bilder in Musikstücken verarbeitet.
Zwei voneinander getrennte Wahrnehmungsbereiche werden damit zur Synästhesie verwoben: Die Empfindungen der Werke bekommen einen Klang verliehen.

An vier Hörstationen wird Besuchern der Kunsthalle eine synästhetische Erfahrung ermöglicht.
Harte Zeiten
Zu all dem Spaß, den man in der Ausstellung durch den interaktiven Teil erleben kann, bilden diejenigen Bilder von Hannah Höch (1889-1978), die im Krieg entstandenen sind, einen brutalen Kontrast.
Auch sich selbst stellt die Künstlerin ganz schmal und verhärmt dar – hart wirkt das kantige Gesicht, dass sie sich in ihren Selbstportraits gibt. Sie lebte schließlich auch in harten Zeiten – und erlebte gleich zwei Weltkriege.
Man sieht sich ihre Werke an und versteht, was um sie herum – in ihr – vorging,
so Frau Büssecker. Hannah Höchs Bilder verraten wirklich viel über die Künstlerin selbst: In jedem Werk scheint man ein Stück von ihr zu sehen – einer stolzen, kämpferischen Frau, die sich für ihre Rechte einsetzte.

Unglaublich persönlich ist Hannah Höchs “Lebenscollage”. Darin finden sich viele ihrer Werke wieder.
Die Kunsthalle konzentriert sich auf Hannah Höchs Werk nach 1945 – ab da begann sie eine Wegbereiterin für den Aufbruch einer jungen Künstlergeneration zu werden. Eine “Königin des Dadaismus”. In einem “Künstlerischen-Credo” schreibt Hannah Höch 1949 dazu:
Dada war eine Revolte von Künstlern und werdenden Künstlern gegen das System, das den ersten Weltkrieg brachte. Wir wollten die Freiheit. Wir wüteten, zum Teil symbolisch, gegen festgelegte Kunstformen, gegen Gesellschaftsformen, gegen einengende Grenzen und alles was Grenzen anstrebt.