Mannheim/Rhein-Neckar, 27. März 2020. (red/pro) Aktuell verfügen die Mannheimer Krankenhäuser über 150 Intensivbetten, davon 120 mit Beatmungskapazität. Das erfuhr das RNB auf Anfrage an die Stadt Mannheim. Die Nervosität der Behörden ist spürbar – offenbar schauen alle gebannt auf die kommenden zwei Wochen und wissen nicht, ob man die Lage halten kann.
Von Hardy Prothmann
120 Patienten könnten beatmet werden
Gut zwei Tage hat die Stadt Mannheim gebraucht, um die ganz einfache Frage zu beantworten, wie viele Intensivbetten und davon mit Beatmungskapazität in der Stadt bereit stehen:
„Aktuell verfügen die Mannheimer Krankenhäuser über 150 Intensivbetten, davon 120 mit Beatmungskapazität.“
Nicht beantworten konnte die Stadt auf RNB-Anfrage, welche Kliniken über welche Kapazität verfügen. Als Antwort erhalten wir die Auskunft: „Aufschlüsselung in der aktuellen, auch personellen Belastungssituation nicht möglich.“
Personelle Belastungssituation
Das ist ein heikler Punkt, an dem es journalistisch erheblich problematisch wird. Uns liegt keine „Whistleblower“-Information vor, sondern eine ganz offizielle Antwort, die am späten Donnerstagabend übermittelt wird.
Von einer Person in Leitungsfunktion, die wir aber aus Schutzgründen hier nicht nennen und die uns in der bisherigen Arbeit weder persönlich noch „schriftlich“ bekannt ist und wir einerseits die Mühe um Auskunftspflicht erkennen, aber auch eine erhebliche Anstrengung dabei. Die Fachkraft für Presseauskünfte dieses Dezernats steht aus gesundheitlichen Gründen aktuell nicht zur Verfügung.
Was meint: „personelle Belastungssituation“? Sind die Krankenhäuser allgemein oder im Speziellen gemeint oder die der mitteilenden Person? Das kann man nicht entscheiden und in Zeiten rasanter Nachrichten nicht zeitnah prüfen.
Positiv ist anzumerken, dass der Antwortgeber/die Antwortgeberin seiner/ihrer Verpflichtung nachzukommen versucht, journalistische Anfragen möglichst transparent zu beantworten.
Negativ ist zu bemerken, dass es offenbar erhebliche interne Informationsdefizite gibt, obwohl es eigentlich angesichts der seit Wochen andauernden Lage doch klar sein müsste, dass eine solche „banale“ Anfrage kommt.
Stadt sucht Ausweichquartiere
Noch heikler wird es bei der Frage, welche weiteren Kapazitäten vorgeplant werden:
„Antwort: Stand 26.03.2020: Ausweichquartiere derzeit in Behandlung beim Führungsstab der Feuerwehr, ausgewählte Objekte werden begangen. Hallen sind nicht darunter.“
Übersetzt heißt das: Die Stadt Mannheim stellt sich auf erheblich mehr Patienten ein, als aktuell Betten zur Verfügung stehen. Das macht angesichts der Entwicklungen wie in Italien, Spanien und Frankreich Sinn und ist als verantwortungsvolles Handeln einzuordnen – doch ohne die RNB-Anfrage hätte die Öffentlichkeit nichts davon erfahren.
Warum eigentlich nicht? Ist das transparentes Verwaltungshandeln? Eher nicht. Wer ist für diese kommunikative „Linie“ verantwortlich? Muss man nicht möglichst offen und transparent agieren in Zeiten der Krise?
Nicht beantwortet ist die nächste Frage, ob es dann auch mehr Beatmungskapazitäten geben wird.
Transparenz dringend nötig
Unsere „Quelle“, die wir namentlich nicht nennen, ist offenbar erheblich gestresst, aber sehr bemüht, unsere Fragen zu beantworten.
Diese Quelle kann öffentlich nicht erkannt werden – intern schon und indem wir unsere Anfrage und die offizielle Antwort benennen, tun wir das, was wir immer tun: Wir schützen diese Quelle.
Ganz einfach damit, dass wir die Auskunft berichten und davor warnen, den Auskunftsgeber oder die Auskunftsgeberin in irgendeiner Form disziplinarisch zu belangen. Denn das könnte eine Kaskade erzeugen, an der innerhalb der Verwaltung niemand ein Interesse haben könnte.
Um Sorgen und Ängste zu kanalisieren, muss es Transparenz geben – auch wenn das aktuell wie in Frankreich und Italien heißen würde, dass Menschen sich aufs Sterben vorbereiten müssten.
Grundsätzlich gilt, dass immer der Kopf einer Behörde verantwortlich ist – in diesem Fall Bürgermeister Dirk Grunert (Grüne), der nach unserem Verständnis aber irgendwie „abgetaucht“ wirkt.
Die Kapazitäten reichen – noch
Aktuell gestaltet sich nach Auskunft die Lage zur Frage von zu beatmenden Patienten so:
„Stand 26.03.2020: 4 bestätigte COVID-19-Fälle intensivmedizinisch (2 davon aus Frankreich) und 7 bestätigte Fälle auf Isolierstation. Erster stationärer bestätigter Fall: 01.03.2020.“
Aus „Gründen des personenbezogenen Datenschutzes“ könnten weitere Informationen laut Quelle nicht gegeben werden.
Ob es „Triagen“ geben könnte, will die Stadt nicht beantworten
Ob „Triagen“ vorgesehen sind, also die Auswahl von Patienten nach Überlebenschancen wie aktuell im Elsass, wo Patienten ab 75 oder 80 Jahren nicht mehr beatmet werden, wird so beantwortet:
„Diese Frage kann durch die Stadt Mannheim nicht beantwortet werden.“
Erhebliche Einbußen für das defizitäre UMM – Hoffnung auf Berlin
Neben den persönlichen Schicksalen und der medizinischen Behandlung stellt sich natürlich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Kliniken, hier insbesondere zur defizitären Universitätsmedizin Mannheim (UMM):
„Das Universitätsklinikum bereitet sich aktuell darauf vor, möglichst vielen an COVID-19 erkrankten Menschen das Leben zu retten. Dabei stehen wirtschaftliche Aspekte im Hintergrund. Zudem hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Kliniken in Deutschland fest zugesagt, dass sie durch ihre Hilfe in der Coronavirus-Pandemie keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Schaden erleiden sollen.
Das aktuell im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzespaket ist dafür ein erster Schritt, es sind aber noch deutliche Nachbesserungen nötig. Universitäre Maximalversorger müssen ihr elektives (also nicht-zeitkritisches) OP-Programm sehr stark herunterfahren, um die für COVID-19-Patienten notwendigen Intensivbetten und Beatmungskapazitäten zur Verfügung stellen zu können. Da nur schwer vorherzusagen ist, wie viele COVID-19-Patienten zu welcher Zeit tatsächlich behandelt werden müssen, entsteht ein hoher Vorhalteaufwand (leere Betten, Training der Teams, Persönliche Schutzausrüstung, etc.). Hinzu kommen die verringerten Erlöse.“
In Mannheim scheint man sich in der Ruhe vor dem Sturm zu befinden. Niemand weiß, ob die Kapazitäten reichen. Sie können halten, sie können aber auch innerhalb weniger Tage nicht mehr ausreichen.
Unser Quelle hat bestmöglich Auskunft gegeben – der Behördenleiter Dirk Grunert hätte verantwortlich übernehmen und antworten können, ist aber weiterhin unsichtbar.
Verantwortliches und transparentes Handeln geht anders. Nach RNB-Auffassung ist Herr Grunert in der Pflicht, zeitnah in der Öffentlichkeit aufzutreten und zu benennen, wie gut Mannheim gerüstet ist, um einen mutmaßlichen Anstieg von Patientenzahlen zu behandeln und wie die Entwicklung in den nächsten Wochen ablaufen könnte.
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