Mannheim, 24. März 2020. (red/pro) Es sind besondere Zeiten. Die Stadt Mannheim hat aktuell ein „Betretungsverbot“ für verschiedene Lokalitäten im öffentlichen Raum erlassen. Das sorgt für Verwirrung. Das Polizeipräsidium Mannheim ist genötigt, hier für Klarheit zu sorgen. Das klappt aber nicht. Die Corona-Krise ist schon längst eine der Kommunikation – auch, wenn die Kommunikationsabteilungen der Behörden weiterhin denken, sie hätten alles im Griff. Doch keine ist auf Krise eingestellt – ganz im Gegenteil verschärfen sie die Krise.
Kommentar: Hardy Prothmann
Nach der erheblichen Verschärfung des Kontaktverbots in Abstimmung von Bund und Ländern, ging die Stadt Mannheim noch einen Schritt weiter. In einer Allgemeinverfügung vom 23. März 2020 wird ein Dokument veröffentlicht, dass „Betretungsverbot“ heißt und damit erheblich missverständlich ist.
Die erste Fassung der Stadt am Vormittag hat das RNB nicht dokumentieren können (weil bereits gelöscht, als wir davon erfuhren), aber auch die „Korrektur“ am späten Abend ist immer noch bestens für Verwirrung geeignet.

Quelle: Stadt Mannheim
Was heißt das nun?
Man muss in diesem Fall nicht das „Kleingedruckte“, sondern die Klammern lesen. Das Betreten von Paradeplatz und Wasserturmgelände ist künftig verboten. Zuwiderhandlungen sind mindestens eine Ordnungswidrigkeit, möglicherweise gar eine Straftat.
Auf den Wegen in den Wiesen der Rheinterrassen wie auch auf denen der Neckarwiesen, darf man sich „aufhalten“, aber eben nicht statisch, sondern in Bewegung. Kein Rumsitzen, kein Rumstehen, kein Picknick, keine Rast, aber das „Betreten“ ist erlaubt, anders als „Betretungsverbot“ das suggeriert. Man kann also Spazierengehen, Joggen, Hund Gassi führen, aber man muss in Bewegung bleiben und Abstand halten.
Der Paradeplatz und der Wasserturm hingegen sind „no-go-areas“.

Quelle: PP Mannheim
Diese kommunikative Versagen ist erstaunlich – sollte man doch meinen, dass die Ortspolizeibehörde (Stadt Mannheim) sich mit der Landespolizei (PP Mannheim) abstimmt.
Doch das ist schon seit Jahren nicht so, wie das RNB aus vielfältigen Gesprächen weiß. Es wird zwar öffentlich immer „gemeinsames Handeln“ dargestellt, wie bei den massiven Kontrollen in den vergangenen Monaten in der Neckarstadt-West, aber hinter den Kulissen rumort es gewaltig. A propos: Wenn die Neckarstadt-West kein absoluter Problemstadtteil ist, wieso gibt es dort so exorbitant viele Kontrollen?
Jetzt hat sich Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, er ist verantwortlich, entschlossen, das Wahrzeichen von Mannheim, den Wasserturm zur no-go-area zu machen. Ebenso das Herz der Stadt, den Paradeplatz.
Die Begründung:
„Die Allgemeinverfügung beschränkt den Aufenthalt an Orten, an denen typischerweise eine große Zahl von Gruppen zusammenkommt. Die Durchsetzung der allgemeinen Kontaktsverbotsregeln wäre hier absehbar erschwert.“
Übersetzt heißt das: Die Stadt sieht sich aus eigenen Kräften nicht in der Lage, die „Kontaktverbotsregeln“ durchzusetzen und – das ist jetzt eine Vermutung – die Landespolizei hat sich geweigert, hier stationär Streifen abzustellen. Denn klar ist: Wenn eine Stadt derart runtergefahren wird, wird die Kriminalität nicht beendet. Aber es gibt so gut wie keine Zeugen oder Hinweise, wenn irgendwo etwas passiert. Die Landespolizei wird vollständig überfordert sein, einen flächendeckenden Schutz zu bieten. Der „Besondere Ordnungsdienst (BOD, früher Kommunaler Ordnungsdienst, KOD, was sich wie Kot aussprach und deshalb geändert wurde) sowieso, das sind nur ein paar Dutzend.
Damit sind die Absperrungen des Wahrzeichens und des Herzens die erste Ankündigung der Kapitulation der Stadtverwaltung Mannheim. Symbolisch ist das kommunikativ der Super-Gau.
Alle, wirklich alle blumigen Reden von Austausch, Miteinander undsoweiter, sind vollständig Makulatur.
Es ist die Stunde der Wahrheit.
Die Realität in Mannheim ist, dass die Stadt sich vor ihren multikulturellen und auch deutschen Bürgern schützen will und vermutlich auch muss. Dafür stellt sie Herz und Wahrzeichen unter Quarantäne. Wie bitter.
Dabei muss auch die „systemische Isolation“ in den Blick genommen werden. Je größer die Probleme werden, umso mehr werden die Behörden sich von den Bürgern isolieren – und umgekehrt. Umso mehr wird es Allgemeinverfügungen geben, die dem Bürger klar machen, wo der Hammer hängt. Bis zu 25.000 Euro Strafen, Gefängnishaft bis zu mehreren Jahren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich hier Widerstand formiert.
Hier wird nicht mehr um demokratische Prozesse der Kompromissfindung gerungen, hier wird quasi totalitär durchgesetzt.
Das geht in Sachen „Gefahrenabwehr“ vollständig in Ordnung. Einfaches Beispiel: Wenn eine bewaffnete Person auf einen Polizeibeamten losgeht und dieser schießt, ist das (muss immer überprüft werden) Notwehr. Aktuell muss sich die Stadt gegen unvernünftige Personen „notwehren“.
Was aber fehlt, ist ein demokratischer Diskurs. Bemerkenswert ist, wie die sonst teils sehr lautstark krakeelenden politischen Kräfte weitestgehend verstummt sind.
Das wiederum heißt für die Bürger: Es gibt in nicht-Krisenzeiten sehr viel Gepumpe der Parteien im Gemeinderat. Aktuell, im Angesicht der Krise bleiben sie stumm, weil ohne jede Haltung.
Wenn der Herr F. oder andere Dummköpfe jetzt meinen sollten, ich würde radikalen Kräften die Meinung reden, dann sage ich: Du Depp.
Ich erwarte im Gegenteil von allen demokratischen Kräften, dass alles aktuell geradezu teils konfuse, aber radikale Verwaltungshandeln mit enormer Energie dokumentiert und hinterfragt wird. Gerade jetzt sind demokratische Kräfte, die den Rechtsstaat achten und verteidigen, wichtiger denn je. Mischt Euch lautstark, aber faktenorientiert ein.
Es ist auch meiner Sicht überhaupt nicht erklärbar, wieso die Gelände Paradeplatz und Wasserturm nicht mehr durchquert werden können sollten. Das ist öffentlicher Raum wie woanders auch.
Und ich halte es für fatal und politisch absolut dumm, diese Symbolplätze zu schließen, denn ich würde als Monnemer gerne mit Abstand beide Plätze durchlaufen, um andere Menschen sehen zu können und zu zeigen, hey, wir schaffen das, wir dürfen zwar nicht verweilen, aber wir durchlaufen auch diese Krise.
Und die Stadt wäre besser beraten, Herz und Wahrzeichen weiterhin zugänglich zu machen, denn hier befinden sich die Blutbahn und das zentrale Nervensystem, die weiter erlebbar sein müssen – dafür muss man im Bedarfsfall halt Kräfte aufstellen.
Diese Allgemeinverfügung zeigt aus meiner Sicht als erfahrenem Journalisten – im Rathaus liegen die Nerven blank und Gesamtzusammenhänge geraten geradezu fahrlässig aus dem Blick.
Und das irritiert mich erheblich, denn dann frage ich mich als Bürger, ob hier noch mit Vernunft entschieden wird. Gerade in Krisenzeiten sind Symbole wichtig – wenn man die beschädigt, erzeugt man Schaden, der Wellen macht.
Eine Allgemeinverfügung wird am Vormittag erlassen und am späten Abend korrigiert, es gibt keine Kommunikation und Erklärung von Seiten der Stadt dazu. Die Landespolizei mischt sich ein, ob zur Hilfe der Stadt oder zur eigenen Gefahrenabwehr, unklar.
Bedenkenswert finde ich, dass wir erst am Anfang der Krise stehen. Das kann noch (h)eiter werden.
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