Mannheim, 23. März 2015. (red/ld) Viele Städte und Kommunen rufen im Frühling ihre Bürger/innen auf, in ihrer Stadt aufzuräumen. Das soll sie dazu erziehen, den Dreck nicht erst entstehen zu lassen. Viele Menschen packen mit an: Allen voran Lokalpolitiker. Das Engagement ist lobenswert. Und es ist nutzlos.
Von Lydia Dartsch
Vor vier Wochen lief mir auf der Straße ein kleines Mädchen entgegen – vielleicht vier Jahre alt. In der Hand einen Pappbecher. Plumps! Der Becher liegt am Boden. Das Mädchen guckt mich mit seinen großen Kulleraugen an. Zuckt die Schultern, als wollte es sagen: „Ups!“ Ihre Mutter sieht das Maleur, schimpft, schiebt ein paar Meter vor ihr einen Kinderwagen. Das Mädchen rennt los, um sie einzuholen. Der Pappbecher bleibt liegen.
Wie eine Mutti lächelt Felicitas Kubala bei der Putzaktion in die Kamera. Als Bürgermeisterin ist sie in Mannheim unter anderem für Abfallentsorgung zuständig. Und gerade hat sie mit den Kindern der Käthe-Kollwitz-Schule die 12. Mannheimer Reinigungswoche eröffnet. Wer nicht im Dreck leben will, muss selbst aufzuräumen.
Straßenpflaster und Politiker-Images werden poliert
Bürger/innen waren in der vergangenen Woche aufgerufen, den Dreck wegzuräumen, den entweder sie selbst oder andere im öffentlichen Raum „entsorgt“ haben. Vor allem Lokalpolitiker nahmen dies zum Anlass, ihr Image als Saubermänner und Sauberfrauen aufzupolieren: Allen voran Chris Rihm, Sprecher der CDU im Bezirksbeirat Käfertal, mit einem 24 Stunden dauernden Aufräummarathon im Stadtgebiet. Respekt.
Dokumentiert wird das Aufräumen auf Facebook. Orangefarbene Müllsäcke werden wie Trophäen präsentiert. Es werden Vorher-Nachher-Bilder gepostet.
Auch Dr. Melanie Seidenglanz, die Ortsvorsitzende des SPD Ortsvereins Käfertal packt mit an. Sebastian Seibel, Kreisvorstand der Mannheimer Grünen räumt in der Neckarstadt-West auf.
„Super! Endlich ist es mal sauber in meinem Kiez!“, denke ich noch, klicke auf „Like!“, teile die Erfolgsmeldungen in meiner Chronik mit einem großen Dank für das Engagement und gehe aus dem Haus.
Auf der Straße trete ich unvermittelt gegen einen Pappbecher. Der fliegt gegen eine welke Tanne, die noch vom letzten Weihnachten übrig ist. Ihre trockenen Nadeln rieseln auf das Pflaster.
Am Ende wieder überall Müll
Ich gehe entlang der Neckarstädter Mittelstraße, wo die modischen neuen Abfalleimer stehen. Entweder quillt der Müll aus ihnen heraus. Oder sie stehen leer und der Müll liegt drunter.
Leere Verpackungen und Folien haben sich auf den Gehweg-Platten festgetreten oder in den Randstein-Ritzen gesammelt. In anderen Stadtteilen wie in Käfertal ist es nicht ganz so krass. Sauber sieht es aber auch dort nicht aus. Auch nicht im Lindenhof. Alles wieder wie früher. Alles wie vor vier Wochen.
„Bin ich Bürger oder Mitarbeiter der Abfallentsorgung? Sollen die das machen!“, „Soll Frau Kubala das machen!“, denken sich manche womöglich, die sich über den Müll ärgern und ihre leere Brötchentüte auf den Asphalt fallen lassen.
Und Mutti – ähm! – die Bürgermeisterin? Die kann sich den Mund fusselig reden, moderne Abfallkörbe aufstellen und Plakate aufhängen, auf denen ein Müllmann sportlich eine Bananenschale so in einen „Abfallkorb“ wirft, als wäre er Basketball-Star Michael Jordan.
Die Botschaft ist falsch. Wir brauchen keine Jordans bei der Stadtreinigung. Auf den Fotos müssten die zu sehen sein, die Abfall statt auf die Straße in die Körbe werfen. Die Botschaft muss sein: Das Stadtbild geht uns alle an.
Die nächste Botschaft sollte sein, dass der KOD durchgreift. Wenn es teuer wird, springt bei vielen Achtlosen nämlich das Nachdenken an, wenn plötzlich der Kaffee und das Brötchen +x Euro Ordnungsgebühr kosten.
Die allfrühjährliche Putzaktion klärt und rüttelt nicht auf, sonst wäre es schon längst sauberer. Ist es aber nicht.