Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 23. Oktober 2014. (red) Aktualisiert. Durch die Explosion einer Gasleitung ist heute in Ludwigshafen-Oppau ein Arbeiter tödlich verunglückt, drei weitere wurden schwer verletzt. Insgesamt wurden mindestens 26 Menschen verletzt. Das ausströmende Gas entzündete sich in einer 30-40 Meter hohen Flamme. Durch die Druckwelle sprangen Scheiben, die Hitzewelle zerschmolz Kunststoffe an Fahrzeugen und Häuserwänden.
Von Hardy Prothmann
„Ich bin da zwei Minuten vorher vorbeigelaufen“, sagt eine ansässige Ladenbesitzerin. Immer noch geschockt von dem Knall, der riesigen Flamme, der enormen Hitze.
Bild der Verwüstung
Vor Ort bietet sich ein Bild der Verwüstung. Um eine sechs Meter tiefen Krater herum liegen ausgebrannte Bagger, als hätte man Spielzeugautos erst verkohlt und dann achtlos weggeworfen. Auto-Wracks säumen die Unglücksstelle, Häuserwände sind zugerußt, wegfliegende Ziegel haben Löcher in Hausdächern hinterlassen. Mehr oder weniger alles aus Kunststoff ist teils grotesk verformt. Auch der Straße liegen Gesteinsbrocken. Die Luft ist rauchgeschwängert.
Mitten zwischen den Ortsteilen Oppau und Edigheim kam es heute zu einem folgenschweren Unglück, als Bauarbeiten an einer Gasleitung vorgenommen worden sind. Ein toter Arbeiter ist zu beklagen, drei weitere wurden schwerst verletzt. Aktuell gegen die Behörden von 26 verletzten Personen aus – es könnten noch mehr werden, falls die umliegenden Krankenhäuser noch nicht alle Verletzten gemeldet haben.
Großeinsatz von Feuerwehr, Polizei und Rettungskräften
180 Feuerwehrmänner- und frauen sind im Einsatz. Aus Ludwigshafen, Mannheim von der Werksfeuerwehr der BASF.Die Kräfte arbeiten gut und konzentriert. Sie leisten ganze Arbeit. Zweieinhalb Stunden lang. Bis die Meldung kommt: Feuer aus. Sie müssen noch kühlen, kleinere Feuer löschen. Mindestens 50 Häuser sind teils schwer beschädigt. Die meisten Bewohner waren vernünftig und suchten nach dem Unglück selbst das Weite, um sich in Sicherheit zu bringen. Andere mussten evakuiert werden. 100 Polizisten sind im Einsatz, sperren weiträumig ab. Überall stehen Schaulustige, doch viel gibt es aus der Ferne nicht zu sehen. Nur die massive Rauchsäule hängt über den Häusern und zieht himmelwärts. Erst schwarz, dann zunehmen gräulicher bis weiß. Daran erkennt man, dass fast nur noch Wasserdampf aufsteigt. Rund 100 Rettungskräfte versorgen Verletzte und bieten Seelsorge. Menschen, die ihre Wohnungen wegen der Schäden verlassen mussten, werden im Bürgerhaus Oppau betreut.
Was, wenn…?
Mindestens zwei große Brandstellen hat es gegeben – mitten im Wohngebiet, unmittelbar an der Edigheimer Straße, die sich durch die Ortsteile zieht. Und einer Bahnlinie. Was, wenn gerade eine Bahn durchgekommen wäre? Viele Autos, Busse im Berufsverkehr vor den Schranken hätten warten müssen? Dort, wo die vollständig ausgebrannten Wracks herumstehen und Bagger wie Spielzeuge durch die Gegend geflogen sind? Dort wo selbst Stahlstützen durch die Wut der Explosion und die Hitze des Feuers vollständig verformt sind.
Es hätte eine enorme Katastrophe werden können. Mit Dutzenden von Toten. Mit entsetzlichen Bildern.
Grund für die Explosion weiter nicht bekannt
Warum sich die Explosion gegen 12.30 Uhr ereignete, ist derzeit nicht bekannt. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen übernommen. „Zur Zeit des Unglücks wurden Arbeiten an der Gasleitung durchgeführt und Spundwände in Nähe der Gasleitung errichtet“, informiert die Stadt Ludwigshafen per Pressemitteilung. „Durch die Explosion entstand ein rund sechs Meter tiefer Krater, der entlang der Bahngleise liegt.“ Die Explosion beschädigt auch eine Leitung der Telekom, der Norden Ludwigshafens, Frankenthal und Worms sind über Stunden ohne Telefonversorgung. Busse und Bahnen fallen aus, nur weil das Unglück um die Mittagszeit passiert, gibt es keine größeren Verkehrsbehinderungen. Auch die Schienenstrecke ist beschädigt, überall sieht man verschmorte Kabel.
„Zunächst einmal möchten wir unser tiefstes Bedauern ausdrücken. Unsere Gedanken sind bei den Familien und Freunden der Opfer. Die Rettungsmaßnahmen sind schnellstmöglich eingeleitet worden. Die Rettungskräfte haben schnell und umfassend gehandelt. Dafür danken wir ihnen vielmals“, teilt Christoph von dem Bussche, Geschäftsführer der GASCADE Gastransport GmbH, mit. Die ERM (Erdgas-Rhein-Main)-Leitung kommt von Karlsruhe nach Ludwigshafen und versorgt die Technischen Werke Ludwigshafen. 40 Zentimeter im Durchmesser, 67 bar Druck.
Gasleitungsbetreiber Gascade
Die Gascade Gastransport GmbH hieß bis Februar 2012 Wingas Transport GmbH) mit Sitz in Kassel und betreibt ein 2.400 Kilometer langes Fernleitungsnetz. Gascade ist ein Tochterunternehmen der W & G Beteiligungs-GmbH & Co. KG (W&G), eines Gemeinschaftsunternehmens der BASF-Tochter Wintershall, des größten deutschen Erdöl- und Erdgas-Produzenten sowie und der russischen Gazprom. „“Das Erdgas-Fernleitungssystem gehört zu 50,01 Prozent BASF und zu 49,99 Prozent Gazprom“, berichtete 2012 das Handelsblatt. Das ManagerMagazin sieht „Druck auf dem Gasnetz“, weil Kapazitäten fehlten und Investitionen ausblieben.
Gascade betreibt laut Wikipedia „in Deutschland ein Fernleitungsnetz mit einer Länge von rund 2400 km, unter anderem über seine Beteiligungen an den Pipelines MIDAL (Mitte-Deutschland-Gasanbindungs-Leitung), RHG (Rehden-Hamburg-Gasleitung), WEDAL (Westdeutschland-Anbindungsleitung), JAGAL (Jamal-Gas-Anbindungsleitung), STEGAL (Sachsen-Thüringen-Erdgasleitung) und ERM (Erdgasleitung Rhein-Main). Gemeinsam mit den Schwesterunternehmen NEL Gastransport und OPAL Gastransport verfügt Gascade über ein Netz von 3300 km. Gascade ist Teil des Marktgebiets Gaspool.
Gascade ist ein Schwesterunternehmen des Gashandelskonzerns Wingas. Das Unternehmen wurde 2010 im Zuge der Umsetzung des Dritten Liberalisierungspaketes der EU und des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gegründet. Gascade firmierte bis Ende Februar 2012 unter dem Namen Wingas Transport.
Keine Stellungnahme der BASF
Die Höhe der Schäden ist noch nicht abzuschätzen, dürfte aber in die Millionen Euro gehen. Bis wann die Leitung wieder in Betrieb gehen kann, wurde nicht mitgeteilt. Ebensowenig, was für Folgen der Ausfall hat. Eine Erklärung, wieso eine solche Leitung mitten durch ein Wohngebiet läuft, fehlt auch. Bürgermeister Ludwig van Vliet meinte vor Ort – die Stadt habe mit den Arbeiten nichts zu tun gehabt, dass sei die „Wingas“. Von der BASF kam heute keine Stellungnahme, dort wurde heute nur über Veränderungen im Vorstand informiert.
Erst im Juni 2013 war auf der Parkinsel eine Lagerhalle mit BASF-Styropor vollständig abgebrannt – damals hatte die Bevölkerung Glück. Es gab nur enorme Sachschäden.
Vergleiche mit der schweren Detonation aus dem Jahr 1921, bei dem der Stadtteil regelrecht platt gemacht worden war und 500 Menschen starben, sind natürlich Unsinn.
Bürgerinnen und Bürger können sich bei Fragen an das Gefahreninformationstelefon bei der städtischen Feuerwehr unter der Nummer 0621 5708 – 6000 wenden.
Aktualisierung: Nach Angaben von Gascade war eine Kontraktorfirma mit den Bauarbeiten beschäftigt. In Vorbereitung einer Reparatur an der Gasleitung sei es zu dem Unfall gekommen. Die ERM versorgt die Technischen Werke Ludwigshafen sowie mehrere Industriekunden, „für die eine Versorgungslösung gefunden werden konnte“, sagte Unternehmenssprecherin Tatjana Braun auf Anfrage.
Gestern Abend war nochmals Gas an der Unglücksstelle ausgetreten – allerdings nicht aus der stillgelegten Leistung von Gascade, sondern aus einer parallel verlaufenden Leitung der Stadtwerke. Die Feuerwehr konnte um 00:34 Uhr melden, dass das Leck abgedichtet werden konnte. Die Unglücksstelle ist aus Sicherheitsgründen weiterhin abgesperrt. Heute inspizieren Brandermittler der Kriminalpolizei den Unglücksort. Weshalb es zu dem Unglück kam, ist immer noch nicht bekannt.