Weinheim, 22. Mai 2019. (red/pro) Der neue Oberbürgermeister Manuel Just hat die Entscheidung zum neuen Gewerbegebiet “Hintere Mult” auf der heutigen Tagesordnung des Gemeinderats belassen – damit steht diese zur Entscheidung an. Es geht bei dieser Entscheidung aber nicht nur um ein Baugebiet – es wird eine Richtungsentscheidung für die politische Kultur in Weinheim sein.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wie unsere Leserinnen und Leser wissen, vertrete ich die Auffassung, dass Journalismus niemals ganz objektiv sein kann – journalistische Inhalte werden von Subjekten gemacht, also Menschen und nicht von Maschinen. Es gibt keine Zertifizierungen oder sonstige Normen. Aber es gibt gültige Gesetze und journalistisches Handwerkszeug. Wesentlich für eine ausgewogene Berichterstattung ist, dass die Fakten stimmen müssen. Weiter ist wesentlich, dass man der Leserschaft auch eine Einordnung bietet und erklärt, wie man auf Basis von Fakten zu dieser gelangt.
Hintere Mult ist nicht Breitwiesen
Unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser werden sich noch an unsere Berichterstattung zur Causa Breitwiesen erinnern: Damals wie heute gilt – die chronisch unterfinanzierte Große Kreisstadt Weinheim braucht dringend weitere Gewerbegebiete, in denen erfolgreich wirtschaftende Unternehmen Arbeitsplätze schaffen und Gewerbesteuer abführen. Wer das in Frage stellt, muss eine Liste vorlegen, auf was Weinheim in Zukunft alles verzichten will.
Ich habe damals die Kritiker des Verfahrens bis hin zum Bürgerentscheid unterstützt. Daraus haben einige den falschen Schluss gezogen, ich sei nach meinen Recherchen zum Schluss gelangt, dass Breitwiesen nicht entwickelt werden sollte. Das ist nicht zutreffend. Ich habe die Gegner der Entwicklung aus einem anderen Grund tendenziell unterstützt – nämlich wegen des unhaltbaren Vorgehens des damaligen Oberbürgermeistes Heiner Bernhard (SPD), der den Gemeinderat massiv unter Zeitdruck gesetzt hatte und schlimmste Befürchtungen schürte und damit eine ordentliche, vernünftige, sachbezogene und verantwortungsvolle Entscheidung negativ beeinflussen wollte. Meine ablehnende Haltung basierte also überwiegend aus Kritik am Verfahren.
Beim Gebiet “Hintere Mult” ist die Sachlage eine andere. Die Entscheidung, rund 11,36 Hektar große “Hintere Mult” als Gewerbegebiet zu entwickeln, wurde im April 2017 mit Mehrheit beschlossen. Seither gab es die vorgeschriebenen Planungsschritte und zusätzliche Veranstaltungen, bei denen Befürworter wie Gegner Argumente austauschen konnten, was auch passiert ist. Der amtierende Gemeinderat und alle anderen gesellschaftlichen Kräfte in der Stadt konnten sich umfangreich inhaltlich mit der Planung auseinandersetzen.
Der neue Oberbürgermeister Manuel Just hat am Montag vor acht Tagen sein Amt angetreten und seitdem dürfte er lange Arbeitstage gehabt haben. Vergangene Woche leitete er den ATU sehr souverän – wie zu erwarten war – und hatte sogleich eine Marathonabstimmung über rund 40 Bebauungspläne zu absolvieren. Scherzhaft fügte er an: “Ich habe heute so viele Entscheidungen treffen lassen, wie vielleicht in meiner gesamten Amtszeit in Hirschberg nicht.” Das war natürlich geflunkert.
Die Fraktionen und Wählerlisten begrüßten den neuen OB zuvor mit herzlichen Worten und bedankten sich ausdrücklich beim Ersten Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner, der die durch eine Wahlanfechtung bedingte Vakanz des Oberbürgermeisteramts stellvertretend übernehmen musste und dies nach Darstellung des Gemeinderats sehr gut gemeistert hat. Die Zusammenstellung aller Planunterlagen, darunter 37 Stellungnahmen der Öffentlichkeit, 19 von Behörden und sonstigen Trägern, die Gutachten, die abwägende Prüfung hat zu einem großen Teil in dieser Zeit stattgefunden. Wer sich nun überfordert sieht, die umfangreichen Unterlagen durchzuarbeiten, hat offenbar in den vergangenen zwei Jahren geschlafen oder war nicht anwesend oder nicht interessiert.
Entscheidungsreife verbindlich festgestellt
OB Just hat einen umfangreichen Planungsvorgang übernommen und hat diesen nach seiner Prüfung als “entscheidungsreif, wenn nicht überreif” beurteilt. Wer nun argumentiert, der OB könne unmöglich innerhalb weniger Tage beurteilen, ob die Planung zur Entscheidung reif sei, hat offenbar auch versäumt, sich mit der Personalie Just auseinanderzusetzen. Der 40-jährige Verwaltungsfachmann ist ein Zahlenprofi und erfolgreicher früherer Bürgermeister der Nachbargemeinde Hirschberg, in der er einen äußerst kooperativen und zielführenden Stil gepflegt hat – mit allen am politisch-gesellschaftlichen Leben teilnehmenden Personen. Und nachdem er vor einem Jahr sehr erfolgreich die OB-Wahl gewonnen hatte, hatte auch er einen doppelten Job – zum einen als Bürgermeister in Hirschberg und zum anderen, sich mit den für ihn anstehenden Themen in Weinheim auseinanderzusetzen. Wer Just kennt, kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass er alle wesentlichen öffentlichen Beratungen und Inhalte zur Sache intensiv studiert hat.
Zugriff auf nicht-öffentliche Informationen hatte er erst mit Amtsantritt, was er an seinem ersten Tag bei einer Pressekonferenz betonte: “Die Verwaltung hat sich hier professionell gezeigt und meine Fragen unterstützt, so weit das rechtlich möglich war, alles andere wurde mir nicht mitgeteilt.” Manuel Just ist ein Dynamiker, enorm fleißig und immer darauf bedacht, alle Verwaltungsvorschriften korrekt einzuhalten. Wenn er sich äußert, dann immer klar und deutlich – wenn er eine Position vertritt, kann man ihn nicht falsch verstehen.
“Für Manuel Just ist klar: „Dieser Gemeinderat, der am 22. Mai entscheidet, hat das Verfahren nun zwei Jahre lang sehr intensiv begleitet und sollte deshalb auch entscheiden.“ Außerdem könne er nicht erkennen, dass es in der Diskussion in jüngster Zeit neue Erkenntnisse gegeben habe. „Die Argumente sind ausgetauscht“, findet der OB. Von einem „Schnellschuss“ könne dabei wirklich nicht die Rede sein. Bereits vor der Ausweisung im Flächennutzungsplan im Jahr 2004 sei über die Hintere Mult bereits diskutiert worden. Schon damals habe sich eine klare Mehrheit für eine Entwicklung gebildet”, ließ er am vergangenen Freitag über seine Pressestelle mitteilen. Damit macht sich Manuel Just für diese Entwicklung verantwortlich, ganz sicherlich nach intensiver Beratung nicht nur mit dem Ersten Bürgermeister: “Aus fachlicher Sicht ist die Entscheidung jetzt reif, alle Bedenken wurden im Verfahren geprüft und abgewogen“, betonte Fetzner”, heißt es in der Mitteilung.
OB Just zeigt Respekt – bekommt er diesen erwidert?
Diese Haltung zeigt das Format des neuen OB Just. Er ist im Amt, um Entscheidungen zu treffen und zwar auf demokratischer Grundlage. Wenn er den TOP auf der Tagesordnung lässt und zur Entscheidung freigibt, dann nach seiner Prüfung und mit dem Respekt vor dem Souverän der Gemeinde, dem Gemeinderat, der das Projekt nun zwei Jahre lang begleitet und mitentwickelt hat.
Dass nicht jeder mit dieser Entwicklung einverstanden ist, gehört zum Alltag eines Oberbürgermeisters. Alle großen Entscheidungen werden nur in den seltensten Fällen einstimmig entschieden werden. Aktuell steht eine breite Mehrheit für die Entwicklung.
Auf der anderen Seite mobilisieren aber die Gegner und die Lokalpresse macht mit, indem Analogien zur “Breitwiesen” gezogen werden. Das ist, mit Verlaub, unredlich und vollständig daneben.
Es gibt keinen Vergleich mit Breitwiesen, wohl aber einen Zusammenhang wie oben beschrieben – Weinheim braucht neue Gewerbeflächen. Die Planung ist umfassend, in der Abwägung ist das Gebiet entwicklungsreif, also kann der verantwortliche Gemeinderat auch entscheiden.
Deshalb ist es absolut folgerichtig, dass der neue OB nicht zaudert, sondern die Entscheidung sucht. Ob es dabei hässlich wird, haben die Gegner in der Hand. Und wer denkt, dem neuen OB mit “rechtlichen Schritten” drohen zu können, vergisst, dass dieser bis zum Amtsantritt viel Geduld aufbringen musste und sicher kein Abenteuer eingeht. Vergessen sollte man auch nicht: Wer klagt, kann auch verlieren, was meiner Einschätzung nach wahrscheinlich ist.
Der neue Oberbürgermeister Manuel Just ist parteilos angetreten und ich bin mir sicher, dass er diesen Anspruch durchzieht und sich von niemanden vor den Karren spannen lässt und das umgekehrt auch nicht mit dem Gemeinderat versucht. Mir ist noch sehr gut eine Gemeinderatssitzung vor einigen Jahren in Hirschberg in Erinnerung, wo es – wie häufig – sehr erregte Äußerungen durch Mitglieder der Grünen gab. Als ich ihn später fragte, wie er mit diesen Vorhaltungen umgeht, sagte er: “Sie erleben das ja selbst, Herr Prothmann, es ist nicht eben immer einfach mit manchen Gemeinderäten. Aber das gehört zu meinem Job, die Argumente sollen vorgebracht und ausgetauscht werden. Und noch eine Anmerkung: Auch, wenn das teils sehr anstrengend ist und ich kein Grüner bin, respektiere ich die politische Leistung der Grünen für die Gesellschaft.”
Richtungsentscheidung
Die erste Gemeinderatssitzung wird für Oberbürgermeister Manuel Just und die Weinheimer Gesellschaft eine Richtungsentscheidung sein, wie man künftig miteinander umgehen will. An der Haltung des neuen OB habe ich überhaupt keine Zweifel – die Sitzung wird knallhart werden, aber Herr Just wird das meistern.
Überraschend fand ich den letzten Satz aus der Pressemitteilung von Freitag: “Grundsätzlich sei er sich der Verantwortung solcher Entscheidungen und der Notwendigkeit einer Abwägung bewusst, betonte Just. „Wir müssen wissen, dass wir uns auf der Zielgeraden des Flächenverbrauchs befinden, hier in Weinheim und anderswo.“
Sollte das heißen, für ihn steht die mögliche Entwicklung von Breitwiesen nicht mehr zur Debatte. Ich fragte schriftlich an und bekam zügig diese Antwort, die sich die politischen Kräfte in Weinheim genau durchlesen sollten:
“Nein, das bedeutet, dass wir keinen vergleichbaren Flächenverbrauch realisieren dürfen wie in den vergangenen 50 Jahren und dass die Flächen, welche in Anspruch genommen werden, sensibel überplant werden müssen… Die Zielgerade hat noch immer ein Stück. Es ändert nichts an meiner Überzeugung, dass wir uns die Frage nach den Grenzen des Wachstums gemeinsam stellen müssen, auch wenn wir es weiterhin ermöglichen müssen.”