Rhein-Neckar/Tübingen, 22. November 2018. (red/pro) Nachdem der Verfassungsschutz die Jugendorganisation der AfD, „Junge Alternative“ (JA), beobachtet, kam es zu weit über vierzig Austritten – darunter fünf Personen aus dem Landesvorstand. Die Austritte seien „alternativlos“ gewesen, weil sich rechtsradikale Kräfte innerhalb der JA zunehmend durchsetzten.
Von Hardy Prothmann
Rund 240 Mitglieder hat die „Junge Alternative“ in Baden-Württemberg (bundesweit rund 1.800). Zum Wochenanfang haben 44 Mitglieder ihren Austritt erklärt, darunter fünf Vorstandsmitglieder des Landesverbands Baden-Württemberg, der ohne Vorsitzenden zurückbleibt und damit handlungsunfähig sein dürfte. Nach RNB-Informationen dürfte die Zahl der Austritte in Kürze bei rund einem Drittel liegen.
Lange haben wir versucht, unsere Jugendorganisation auf jenem richtigen Weg zu halten, den sie mehrere Jahre lang erfolgreich beschritten hat. Bis zuletzt haben wir in Baden-Württemberg alles daran gesetzt, die Mehrheit der vernünftigen Kräfte, irrelevant aus welchem der sogenannten Flügel, zu bündeln und uns gegen die immer stärker wachsende politische Verantwortungslosigkeit zahlreicher Mitglieder zur Wehr zu setzen. Leider sind diese Versuche einem Radikalisierungsprozess zum Opfer gefallen, der insbesondere in den letzten Monaten noch einmal erheblich an Fahrt aufgenommen hat.
So wurden etwa in mehreren Bezirksverbänden regelrechte Parallelstrukturen mit engen Verbindungen zu der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung (IB) aufgebaut, obwohl die JA seit geraumer Zeit einen Unvereinbarkeitsbeschluss zu dieser Organisation getroffen hat. Wo derlei Querverbindungen gerichtsfest nachweisbar waren, wurden zwar entsprechende Ordnungsmaßnahmen eingeleitet, diese konnten allerdings bis heute von der internen Schiedsgerichtsbarkeit noch nicht abschließend bestätigt werden. Dies liegt in der Regel darin begründet, dass die betroffenen Personen sämtliche Möglichkeiten juristischer Gegenwehr ergriffen haben, anstatt die verhängten Sanktionen einsichtig zu akzeptieren und einen Lernprozess zu durchlaufen,
teilen die ausgetretenen Mitglieder in einem Schreiben mit. Darunter der Vorsitzende Moritz Brodbeck, der 1. Stellvertreter Sven Uwe Epple, Schatzmeister Markus Maier, die Beisitzer Daniel Lindenschmid und Lukas Battenberg. Auch der Landtagsabgeordnete Stefan Herre hat seine Mitgliedschaft beendet.
Die rechtsradikalen Umtriebe hätten sich insbesondere im südlichen Teil Baden-Württembergs verfestigt. Rund 50 Prozent der aktiven Mitglieder gehe es „schon lange nicht mehr um freiheitlich-patriotische Jugendpolitik, sondern um die Verfestigung einer in keiner Weise konstruktiven totalen Ablehnung dessen, was sie nebulös als “System” bezeichnen.“
Durchgesetzt werde dieser Kurs in zunehmend sektenartigen Strukturen, welchen sich Neumitglieder in den entsprechenden Gliederungsebenen unterzuordnen hätten, sofern sie nicht ausgegrenzt werden wollten. Die Folge dieses Gebarens sei „regelmäßig die blitzartige Radikalisierung insbesondere sehr junger Neumitglieder, welche diesem Sog nur selten wieder entkommen sind“, teilen die ausgetretenen Personen in einem gemeinsamen Schreiben mit.
Nach Bremen und Niedersachsen ist die JA Baden-Württemberg der dritte Landesverband, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Kein Wunder. Aussagen in Chat-Gruppen wie „Glaubst Du, dass wir in diesem „System“ mit legalen Mitteln etwas erreichen?“, zeigen auch ein kriminelles Potenzial.
Der Bundesverband der JA muss nun entscheiden, wie es mit dem Landesverband weitergeht oder ob dieser „ausgelöst“ wird. Möglich ist das, ebenso die Gründung einer neuen Jugendorganisation.
Die rechtsradikale Ausrichtung eines Teils des „Nachwuchses“ schadet auch der AfD selbst – auch durch frühere personelle Verbindungen. Der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmeier, bekannt geworden durch sein „dann wird aufgeräumt“-Zitat, hatte eine AfD-Hochschulgruppe gegründet, aus der 2014 der Landesverband hervorgegangen war. 2015 bis Februar 2018 war er Bundesvorsitzender der JA, bis 2017 Mitglied des Landesvorstands in Baden-Württemberg. Damit ist die Entwicklung explizit auch ihm zuzuordnen. Aktuell fungiert er als Sprecher für die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Dr. Alice Weidel.