Mannheim/Rhein-Neckar, 19. Juli 2018. (red/pro) Auf Betreiben des Mannheimer Polizeidirektors Dieter Schäfer wurde am Donnerstag gemeinsam mit Partnern die Initiative „Hellwach mit 80“ vorgestellt. Vertreter von Logistikunternehmen, Versicherern, die Polizei Mannheim und auch die Stadt Mannheim wollen sensibilisieren, um auf die Gefahr von tödlichen Unfällen an Stauenden aufmerksam zu machen. Aus der Initiative soll schnell ein europaweites Netzwerk werden.
Von Hardy Prothmann
Dieter Schäfer ist ein bundesweit bekannter Polizist. Sein Kampf gegen Poser in der Mannheimer City wurde breit berichtet, andere Polizeien folgten seinem Beispiel. Nun legt der kommissarische Leiter der Mannheimer Verkehrspolizei ein neues Projekt auf: Hellwach mit 80.
Der Unfall auf der A5 vom 12. Februar hat alle Retter zutiefst erschüttert,
begründet Schäfer seine Motivation:
Wieder war ein 40-Tonner ungebremst in ein Stauende gerast. Ein Mann, seine Frau und die 14-jährige Tochter wurden total zerquetscht. Die 15-jährige Tochter überlebte schwer verletzt wie durch ein Wunder.
Das Auto der Familie war gegen einen Transporter geschoben worden, der Schweineblut geladen hatte, dass sich zu tausenden Litern über die Fahrbahn ergoss.
Enorme Zuwächse von Auffahrunfällen
Schäfer ist Polizeibeamter durch und durch. Was er macht, hat Hand und Fuß und ist gut begründet:
Wir haben eine enorme Zunahme von schweren Auffahrunfällen. Allein im vergangenen Jahr um über 70 Prozent und auf diesem hohen Niveau bereits um 40 Prozent in diesem Jahr.
Er befürchtet weitere Steigerungen und viele Tote. Denn der Lkw-Verkehr soll nach Informationen des Bundesverkehrsministeriums bis 20130 um satte 39 Prozent zulegen, bei gleichzeitig überlasteter Autobahnen und einer damit einhergehenden Zunahme von Baustellen, die zu Staus führen. Insbesondere die A5 und die A6 und hier das Walldorfer Kreuz seien Unfallschwerpunkte. Die Metropolregion ist ein Logistikschwerpunkt mit wichtigen Autobahnen der Nord-Süd- und Ost-West-Achsen.
„Wir müssen hier schnell handeln – bei denen, die es angeht“, sagt Schäfer:
Kein Lkw-Fahrer fährt freiwillig auf. Die Verkehrslage wird immer problematischer und das muss in die Köpfe rein, um Leben zu retten.
Gemeinsam handeln
Mit einem Vortrag im Mannheimer Hafenclub im Frühjahr hatte Schäfer sofort Mitstreiter gefunden. Contargo-Chef Manfred Fischer:
Die Fakten haben uns überzeugt, dass wir handeln müssen. Dabei sollen die Fahrer nicht an den Pranger gestellt, sondern sensibilisert werden.
Christian Specht, Erster Bürgermeister der Stadt Mannheim, ist ebenfalls begeistert:
Als Feuerwehrdezernent weiß ich um die rasant ansteigenden Einsätze unserer Feuerwehrleute auf den umliegenden Autobahnen. Dabei kommt es zum Unfall nach dem Unfall – manche Szenen sind so schrecklich, dass die Mitarbeiter dienstunfähig werden.
Weitere Logistikverbände und der AdAC sind mit an Bord. Herr Specht sagt: „Wir aktivieren hier alle Kanäle, ich als Vorsitzender des Mobitlity Forums der EU, um diese sehr sinnvolle Initiative als Kampagne voranzubringen, denn durch die Fahrer aus anderen Ländern ist das ein EU-weites Problem.“
Drei Stellschrauben – Max Achtzig als „Sympathieträger“
Im Prinzip gäbe es drei Stellschrauben: Streckenbeeinflussung (Stauwarnanlagen), technische Hilfen wie Notbremsassistenzsysteme und eben den Fahrer: „Den erreichen wir am schnellsten“, sagt Schäfer. Um die Kampagne positiv zu gestalten, wurde die Komikfigur „Max Achtzig“ erfunden – ein kumpelhafter Sympathieträger, den der Mannheimer Illustrator Karl Gärtner geschaffen hat und der Teil eines Animationsfilms durch die Filmakademie Ludwigsburg werden soll: „Der Clip könnte dann in Raststätten laufen und bei Schulungen in Logistikbetrieben eingesetzt werden“, sagt Herr Schäfer.
Großes Interesse
Geschwindigkeit und Masse von großen Lkw machten einen Auffahrunfall zu einem tödlichen Risiko: „Die Fahrer müssen ihre Geschwindigkeiten anpassen und vor allem dürfen sie durch nichts abgelenkt sein. Ein Blick von einer Sekunde aufs Smartphone bedeutet bei Tempo 80 ganze 22 Meter Blindflug.“ Notbremssysteme seien erst in 60 Prozent der deutschen Lkw verbaut und lassen sich abschalten oder durch den Fahrer „überbedienen“. Zwar seien diese eine große Hilfe – letztlich sei aber die Aufmerksamkeit des Fahrers der entscheidende Hebel.
Die Initiative will ein Körperschaft gründen, um die Aktivitäten zu bündeln und zu organisieren: „Die tödliche Gefahr am Stauende kann nur gelöst werden, wenn alle Beteiligte, Fahrer, Unternehmen, die Wirtschaft und die Politik gemeinsam in die „selbe Richtung“ fahren“, sagt Herr Schäfer. Mit neuen Partnern aus Hessen und Rheinland-Pfalz sei man bereits im Gespräch.
Info: Die Initiative „Hellwach mit 80“ richtet sich an Fahrer und Speditionen. Hier soll ein größeres Bewusstsein für tödliche Gefahren geweckt werden. Insbesondere Ablenkungen im Führerhaus seien zu vermeiden, sowie die Geschwindigkeit anzupassen. Wer statt der vorgeschriebenen 80 Stundenkilometer 89 fahre, verlängere seinen Bremsweg bereits um zwei Fahrzeuglängen – also gut zehn Meter, die am Ende eines Staus über Tod und Leben entscheidend sein können.