Mauer/Rhein-Neckar, 18. Januar 2016. (red/ms) Mauer ist eine beschauliche Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis mit rund 4.000 Einwohnern, aber kein “Durchschnitt”: 1907 wurde hier der “Unterkiefer von Mauer” entdeckt – das bislang älteste menschliche Fossil Europas. 2012 wählte die Gemeinde John Ehret zum ersten dunkelhäutigen Bürgermeister Deutschlands. Ebenfalls außergewöhnlich: Zum Jahresende 2014 betrug der Schuldenstand nur vorbildliche 44 Euro pro Kopf. Aus unserer neuen Rubrik: “Die gute Nachricht”.
Von Minh Schredle
Viele Gemeinden und Städte in Baden-Württemberg sind drastisch überschuldet und stehen damit am Rand ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit.
Während Bund und Land die Pflichtaufgaben erweitern – etwa den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab drei Jahren – machen insbesondere aufgeschobene Sanierungen den Kassen zu schaffen: Straßen müssen saniert, Schwimmbäder in Stand gehalten werden oder die Generalsanierung von ein paar öffentlichen Gebäuden ist überfällig.
Zukunftssorgen aller Orten – dass Kommunen auch mittelfristig rosige Finanzprognosen vorweisen können, ist eher eine Rarität. Ein paar Gemeinden und Städte profitieren von den Gewerbesteuern großer Konzerne, allen voran Walldorf als Standort von SAP.
Andere Ortschaften kommen dagegen zunehmend in Bedrängnis. Der Trend: Die Ausgaben steigen schneller als die Einnahmen, der Raum für Investitionen schmilzt.
Schuldentilgung als Leitbild
Eine Ausnahme von dieser Entwicklung ist die Gemeinde Mauer. Zum Jahresende 2014 betrug die Pro-Kopf-Verschuldung nur etwa 44 Euro – ein Spitzenwert im baden-württembergischen Landesvergleich. Bürgermeister John Ehret sagt dazu:
Wir ziehen hier alle an einem Strang. Das ermöglicht eine sehr konstruktive und angenehme Zusammenarbeit.
Herr Ehret wurde 2012 zum neuen Bürgermeister der Gemeinde gewählt. Voller Respekt sagt er: “Den Kurs der Schuldentilgung hat schon mein Vorgänger Jörg Albrecht (Anm. d. Red.: Heute Oberbürgermeister von Sinsheim) eingeschlagen.” Damals seien die Grundsteine gelegt worden. Heute arbeite man gemeinsam daran, diesen Weg weiterzugehen.
Bereitschaft zur Disziplin
Trotz Sparkurs ist Mauers Angebot an freiwilligen Leistungen für eine 4.000-Einwohner-Gemeinde beachtlich.
Während zum Beispiel etliche Kommunen über die vergangenen Jahre ihre Schwimmbäder schließen mussten, ist das Hallenbad in Mauer noch in Betrieb und wird für den Schulunterricht genutzt. Allerdings kommentiert der Bürgermeister:
Irgendwann wird auch hier der Tag kommen, an dem wir im Gemeinderat darüber diskutieren müssen, ob wir uns das Bad weiterhin leisten können.
Eine Sanierung des Beckens würde schwer ins Geld gehen. Mindestens 500.000 Euro, eher eine Million müssten wohl eingeplant werden. Womöglich könne man das bewerkstelligen. Aber: “Wir werden sehen müssen, wie es dann um die Finanzen der Gemeinde steht und vernünftig abwägen,” sagt Herr Ehret:
Auch wenn das manchmal sehr bitter ist: Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass wir uns das nicht leisten können, müssen wir eben darauf verzichten.
Alles andere würde sich langfristig rächen. Und wenn man den Bürgern nachvollziehbar und transparent vermitteln könne, warum man an welcher Stelle kürzer treten müsse, würde man bei den aller meisten auf Verständnis stoßen.
Was du heute kannst besorgen…
Im Gespräch mit der Redaktion lobt Herr Ehret auch die Zusammenarbeit mit seinen “Kollegen” im Gemeinderat:
Es ist eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre und auch zwischen den Fraktionen feindet man sich nicht an oder stellt sich gegenseitig an den Pranger. Ich habe selten das Gefühl, dass Parteipolitik im Vordergrund steht – sondern die beste Lösung für unsere Gemeinde.
Aktuell konnte man den Kurs der Schuldentilgung dennoch nicht fortsetzen: Im Jahr 2015 hat Mauer einen Kredit in Höhe von etwa einer Million Euro aufgenommen. Das Rechnungsergebnis für 2015 liegt aktuell noch nicht vor. Die tatsächliche Pro-Kopf-Verschuldung wird aber inzwischen deutlich höher liegen als zum Ende 2014.
Laut dem Bürgermeister sei aber auch ein Kredit in überschaubaren Umfang zur Zeit eine lohnenswerte Investition: Die Zinsen seien auf einem außergewöhnlich niedrigen Niveau und das Geld werde überwiegend zur Sanierung von Straßen verwendet. “Es ist billiger das heute anzugehen, als es aufzuschieben, bis es richtig teuer wird.”
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