Mannheim, 17. Mai 2018. (red/pro) In der Nacht auf Donnerstag wurden zwei Fahrzeuge in der Rosenstraße Neckarau von einem bislang unbekannten Brandstifter in Brand gesetzt. Gegen zwei Uhr alarmierte ein Zeuge Polizei und Feuerwehr. Beim Eintreffen der Feuerwehr standen die Fahrzeuge im Vollbrand – beschädigt wurden auch ein Carport und die Außenfassade eines Kindergartens. Das ist mindestens der zehnte Anschlag auf Fahrzeuge seit August 2017, dazu kommen Brandstiften von Müll. Der Gesamtschaden liegt bei einer Viertelmillion Euro.
Von Hardy Prothmann
Der Feuerteufel kommt in der Nacht nach Alt-Neckarau. Sein Ziel sind Fahrzeuge, die in Maxstraße, Waldhornstraße, Rosenstraße, Rheingoldstraße, Friedrichstraße, Katharinnenstraße, Wilhelm-Wundt-Straße abgestellt sind. Oder Müllcontainer wie in der Friedrichstraße, Schmiedgasse, Katharinenstraße.
Nach unseren Recherchen haben der oder die Täter seit Juni 2017 bereits zehn Autos abgefackelt. Allein den Schaden in der vergangenen Nacht beziffert die Polizei mit 150.000 Euro, insgesamt kommt eine Schadenshöhe von rund einer Viertelmillion Euro zusammen.
Auftakt der Brandserie im Juni 2017?
Die Polizei ermittelt seit August 2017 intensiv, da es in diesem Monat mehrere Brände gab. Doch bereits am 20. Juni 2017 brannte ein Pkw auf dem Parkplatz eines Supermarkts in der Rheingoldstraße. War das der Auftakt für die Brandserie?
Das einzige erkennbare Muster ist bislang, dass die Brände immer nachts zwischen 23:30 Uhr und 05:30 Uhr morgens gelegt werden und das in einem eng umrissenen Gebiet in Alt-Neckarau.
Das lässt vermuten, dass der Täter irgendeine Beziehung zu diesem Gebiet hat: Lebt er dort? Hat er dort gelebt? Arbeitet er dort? Kennt er sich aus anderen Gründen dort besonders gut aus?
Andere Muster sind nicht erkennbar. Die Fahrzeughalter haben nichts miteinander zu tun, konnte die Polizei bereits ermitteln. Sie sind nicht verwandt, nicht in einem Verein oder einer Firma oder einer “politischen Überzeugung”. Sie haben schlicht nichts miteinander zu tun. Auch die abgefackelten Pkw sind teils alt, teils neu, Kleinwagen, Cabrios, bunt gemischt.
Zwar bestreifte die Polizei im August und September das Gebiet stärker als vorher – aber ohne Erfolg. Und es gibt kaum Zeugenhinweise, denn Alt-Neckarau schläft zu den Tatzeiten. Ein Mal kontrollierte man eine 38-Jährige. Fehlanzeige.
Warum wurde die Brandserie unterbrochen?
Ob die Fahrzeugbrände und die Müllbrände zusammenhängen ist nicht eindeutig klar, liegt aber auf der Hand. Doch warum? Wurde kein geeignetes Fahrzeug gefunden und deshalb Mülltonnen und Sperrmüll angezündet? Ein Kellerbrand könnte auch zur Serie dazugehören.
Ende September 2017 stoppte die Brandserie abrupt – bis zum Montagmorgen des 05. März. Dann brannte ein Opel Corsa in einem Hof in der Friedrichstraße komplett aus. Am 02. April brannte Sperrmüll in der Katharinenstraße, am 04. April ein Skoda in der Wilhelm-Wundt-Straße, am 11. April ein Fiat Punto in der Wörthstraße. Am 14. Mai wieder Sperrmüll in der Schmiedgasse, in der Nacht zum 17. Mai die zwei Fahrzeuge in der Rosenstraße und in der Nacht zuvor ein Altpapiercontainer in der Friedrichstraße.
Das einzig positive Ergebnis bislang ist, dass niemand körperlich zu Schaden gekommen ist,
sagt Polizeisprecher Michael Klump. Die Kriminalpolizei ermittle intensiv, aber eine “heiße” Spur gebe es noch nicht. Man hoffe sehr auf Unterstützung von Zeugen.
Nur kleine Muster erkennbar
Das müssen keine unmittelbaren Augenzeugen sein, sondern können auch Personen sein, die über Wissen zum möglichen Täter oder den Tätern verfügen. Denn auffallend ist wie beschrieben der enge örtliche Rahmen, in dem die Brandschatzungen stattfinden. Außerdem die Uhrzeiten – der Täter ist nachts unterwegs. Möglicherweise ein Einzelgänger oder ist auffällig, dass jemand “noch mal spazieren” gegangen ist und dann die Brände stattfanden?
Weiter ist ein “kleines Muster” auffällig. In den meisten Fällen wurden die Brände an kurz hintereinander liegenden Tagen begangen, dann gab es eine Pause. So geschehen im August und September 2017 und im April und Mai 2018. Der Juni 2017 und der März 2018 waren die Ausnahme mit nur einer (vollendeten) Tat. Ebenfalls auffällig, die meisten Taten geschahen Anfang bis Mitte der jeweiligen Monate – warum, ist unklar.
Und warum gab es die große Pause zwischen Oktober 2017 bis Februar 2018? War der Täter möglicherweise nicht vor Ort? Und wenn ja, warum? War er krank? Im Gefängnis? Beruflich weit weg? Oder hatte er vorher keinen Job, dann wieder einen und ist jetzt wieder arbeitslos?
Fakten zu Brandstiftern
Empirisch betrachtet sind deutlich mehr als drei Viertel der Brandstifter männlich. Meist jugendlich, heranwachsend oder junge Erwachsene. Häufig ist die Schul- und Berufsbildung gering, das Elternhaus ist “problematisch”. Gut 40 Prozent sind auch anderweitig straffällig geworden. Im Umfeld gibt es Probleme mit Alkohol, Drogen, Gewalt. Viele Brandschatzer haben psychische Probleme bis hin zur krankhaften Pyromanie, die aber selten ist.
Meist ist Frust der Motor für die Brandtaten. Mit kleinem Aufwand entsteht große Wirkung. Eine Folgenabschätzung der Schäden durch die Taten oder auch der Gefährdung von Menschen ist den meisten Tätern schlicht egal. Viele haben eine Faszination für Feuer und viele leben eher im ländlichen Bereich als in der Stadt.
Zusammengefasst könnte der Täter folgende Merkmale besitzen:
- männlich
- zwischen 14-30 Jahre alt
- kein oder geringer Schulabschluss
- geringe Intelligenz
- arbeitslos oder Gelegenheitsarbeiter
- “schwieriges” Elternhaus
- alleinstehend oder noch bei der Familie wohnend
- Probleme mit sozialen Kontakten
- Alkohol und/oder Drogenmissbrauch
- kleinkriminell
- “Frustpersönlichkeit”, die häufig unzufrieden ist
- psychisch auffällige oder labile Persönlichkeit, möglicherweise auch aggressiv
- Affinität zu Feuer
- Herkunft vermutlich das Gebiet der Brände (Alt-Neckarau ist eher “dörflich”)
- persönlicher oder jobbedingter Bezug zu Alt-Neckarau
Möglicherweise gehen auch andere Brände auf das Konto des bislang unbekannten Täters – in Firmen, für die er gearbeitet hat oder in anderen Orten, in denen er sich aufgehalten hat. Diese Kriterien sind eine Aufstellung durch Rheinneckarblog und kein (!) Fahndungsaufruf der Polizei.
Wer Personen kennt, die einige der Kriterien aufweisen, sollte der Polizei Hinweise geben, dabei handelt es sich nicht um Denunziation, sondern um eine Unterstützung der Ermittlungsbehörden. Wie gesagt – bislang gibt es nur erhebliche Sachschäden, doch jede Brandstiftung ist potenziell geeignet, Menschenleben zu gefährden.
Zeugen, die verdächtige Wahrnehmungen, insbesondere im Zeitraum zwischen 23 Uhr und 6 Uhr gemacht haben, werden gebeten, sich mit dem Kriminaldauerdienst der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg, Tel.: 0621/174-4444 in Verbindung setzen. Zeugen, die darüber hinaus verdächtige Wahrnehmungen machen, werden gebeten, sich umgehend beim Polizeirevier MA-Neckarau, Tel.: 0621/83397-0 zu melden.