Rhein-Neckar, 17. Dezember 2014. (red/ms) “Das Baurecht wird immer komplizierter”, sagt der Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jörg Birk: “Für einen Laien sind viele Festsetzungen kaum noch zu überschauen.” Das gelte dann umso mehr, wenn man in Überschwemmungsgebieten planen und bauen will. Beim 12. Hochwasserschutz-Forum der Metropolregion Rhein-Neckar fasste er zusammen, was dabei zu beachten ist und welche Möglichkeiten die gesetzlichen Rahmenbedingungen offen lassen.
Von Minh Schredle
Seit Jahrtausenden wissen Menschen Flüsse als bedeutenden Standortfaktor für ihre Siedlungen und Städte zu schätzen. Eine Anbindung ans Wasser macht das Überleben einfacher und ermöglicht Handel per Schifffahrt. Doch dieser Segen ist gleichzeitig eine Bedrohung: Denn wenn die Flüsse über’s Ufer treten, kann der Schaden enorm sein.
Auch heute ist es der Menschheit noch nicht gelungen, das Risiko, das von Überschwemmungen ausgeht, komplett aus der Welt zu schaffen. Vermutlich wird das auch nie gelingen.
Das Risiko lässt sich aber durch Schutzmaßnahmen erheblich reduzieren. Oder – und das ist wesentlich kostengünstiger – vermeiden, indem bei der Städteplanung mögliche Gefahren berücksichtigt werden und man diesen aus dem Weg geht.
“Das Baurecht wird immer komplexer”
Prof. Dr. Hans-Jörg Birg ist ein Rechtanwalt und hat sich auf Baurecht spezialisiert. Er sagt, in den vergangenen Jahren habe sich viel getan, was die Rechtslage angeht. Er erinnere sich noch, wie vor 40 Jahren Bebauungspläne gemacht worden sind. Inzwischen seien die Verfahren ungleich viel komplexer geworden.
Seit etwa 20 Jahren berücksichtige man so zum Beispiel Naturmaßnahmen, wie etwa Hochwasserschutz im Verfahren. Daneben habe man inzwischen Grundsätze wie Innenentwicklung vor Außenentwicklung, Festsetzungen zum Artenschutz und Flächenausgleich und noch vieles mehr zu beachten. Für Laien sei das kaum noch überschaubar.
Wenn man ohnehin schon haufenweise Auflagen zu beachten hat – und das Überschwemmungsrecht allein schon kompliziert genug – und dann noch irgendwo eine Zauneidechse auftaucht, auf die man Rücksicht nehmen muss – dann ist es auch für einen Rechtsexperten schwierig, den Überblick über alles, was beachtet werden muss, beizubehalten.
Das Planen und Bauen am Wasser sei schon immer eine Herausforderung gewesen, sagt Herr Birk. Durch rechtliche Festsetzungen habe man vorausschauende Regelungen getroffen, die viele Probleme lösen würden – aber auch neue schaffen: Beispielsweise die “Untiefen des Überschwemmungsrechts”.
“Gesetzeslage ändert sich am laufenden Band”
Die geltenden Gesetze seien im Wesentlichen ähnlich, aber doch von Bundesland zu Bundesland verschieden. In seiem Vortrag befasste sich Prof. Dr. Birk lediglich mit den gesetzlichen Auflagen für Festgesetzte Überschwemmungsgebiete. Dabei handelt es sich um Flächen, in denen statisitsch einmal in 100 Jahren mit einem Hochwasser zu rechnen ist.
Seit Gesetzesänderungen vom 01. Mai 2010 seien neue Baugebiete in Festgesetzten Überschwemmungsgebiet grundsätzlich untersagt. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn eine Vielzahl von Kriterien gleichzeitig erfüllt ist.
Neubau nur im Sonderfall
Ein neuer Bebauungsplan kann nur genehmigt werden, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können. Hierfür ist eine konkrete Überprüfung notwendig, in der die gesamte Gemarkung einer Stadt oder Gemeidne anhand der Ausweisungen des Flächennutzungsplans untersucht werden.
Außerdem ist erforderlich, dass das neu auszuweisende Gebiet an eine bestehende Bebauung anschließt. Maßnahmen zur Hochwasserrückhaltung dürfen nicht beeinträchtigt werden und verloren gehender Rückhalteraum muss umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen werden.
Erfolgschancen “verschwindend gering”
Laut Prof. Dr. Birk sei es also nahezu unmöglich, eine Genehmigung für Neubauten in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet zu bekommen. Als Stadt solle man es sich zwei Mal überlegen, ob man die Möglichkeit durch Gutachter überprüfen lassen will:
Das Verfahren ist teuer und die Aussichten auf Erfolg verschwindend gering.
Er habe bislang von noch keinem Fall gehört, in dem ein entsprechender Antrag erfolgreich gewesen ist.
Was schon gebaut wurde, darf so stehen bleiben
Für Bereiche bereits bestehender Bebauungspläne oder den unbebauten Innenbereich gebe es keine Änderungspflicht. Alles, was vor der Gesetzesänderung gebaut wurde, dürfe unverändert stehen bleiben. Allerdings müssten alle neu getroffenen Beschlüsse und Maßnahmen mit den Festsetzungen des Wasserrechts verträglich sein.
Darin ist vorgeschrieben, dass “die Hochwasserrückhaltung nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum zugleich ausgeglichen wird, der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert, der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt und hochwasserangepasst ausgeführt wird oder wenn die nachteiligen Auswirkungen durch Nebenbestimmungen ausgeglichen werden können.”
Von den Untiefen der Planung in den Sumpf der Genehmigung
Untersagt sind Errichtung und Erweiterung. Somit dürften Gebäude zum Beispiel nach oben hin vergrößert werden, aber die bebaute Grundfläche nicht erweitert werden. Neubauten seien nur zulässig, wenn sie dort gebaut werden, wo zuvor ein Altbau abgerissen wurde und dessen Grundfläche nicht vergrößert wird.
Anschließend an das Bauleitverfahren folge ein doppeltes Genehmigungsverfahren: Nicht nur die Baurechtsbehörde, sondern auch die zuständige Wasserrechtsbehörde müssen ihr Einverständnis erteilen. Je nach Bundesland ist dabei unterschiedlich festgelegt, wer für eine Überprüfung zuständig ist.