Rhein-Neckar, 16. Dezember 2016. (red/pol) Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis, die Stadt Heidelberg und das Polizeipräsidium Mannheim beschreiten einen gemeinsamen Weg mit den muslimischen Gemeinden gegen Radikalisierung und Islamfeindlichkeit. Am 12. Dezember kam es zu einem Erfahrungsaustausch mit den Imamen und Moscheevereinsvorsitzenden der muslimischen Gemeinden.
Information des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis, der Stadt Heidelberg und des Polizeipräsidiums Mannheim:
“Landrat Stefan Dallinger, Bürgermeister Wolfgang Erichson und Polizeipräsident Thomas Köber begrüßten am Montag 20 Imame und Moscheevereinsvorsitzende in den Räumlichkeiten des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis. Die Teilnehmer repräsentierten insgesamt 10 muslimische Einrichtungen aus Heidelberg und dem Kreis.
Der Erfahrungsaustausch mit den muslimischen Gemeinden fand bereits zum vierten Mal unter Beteiligung des Polizeipräsidiums Mannheim statt, dieses Mal aber als Premiere gemeinsam mit Landrat Stefan Dallinger und Bürgermeister Erichson von der Stadt Heidelberg. Als weiterer Kooperationspartner war Talat Kamran vom Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e. V. anwesend, um über aktuelle Themen von Islamfeindlichkeit und religiösen Extremismus bis hin zur Prävention zu diskutieren.
In seiner Begrüßung machte Landrat Dallinger keinen Hehl daraus, dass er die aktuellen Entwicklungen mit Sorge betrachte. Die politische Landschaft in Deutschland sei stark in Bewegung, die Zunahme rechtspopulistischer Tendenzen überaus beunruhigend. Deshalb freue er sich sehr, dass die Begegnung mit den muslimischen Gemeinden des Kreises und der Stadt Heidelberg gerade dazu geschaffen sei, Verständnis zu fördern und Wege für ein gutes Miteinander zu finden. Der Landkreis habe in kurzer Zeit für über 5000 Menschen einen sicheren Aufenthalt gewährt. Die Frage der Integration dieser Menschen habe deshalb höchste Priorität. Dabei spielen die muslimischen Gemeinden eine wichtige Rolle.
Der “Interreligiöse Dialog”
Bürgermeister Wolfgang Erichson unterstrich diese Aussage und betonte, dass es in Heidelberg mit dem “Interreligiösen Dialog” bereits seit langem ein effektives Gremium gäbe, von dem das Signal in die Bevölkerung gehe, dass man in der Stadt seine Religion frei leben und auch zeigen könne und trotzdem Bestandteil der Gesellschaft sei. Dieses Signal sei ihm besonders wichtig und dass die unterschiedlichen Religionen miteinander ins Gespräch kommen sei das Ziel, dem sich der “Interreligiöse Dialog” seit nunmehr bald 25 gemeinsamen Treffen erfolgreich verschrieben habe. “Wir müssen uns kennen, voneinander wissen und immer auf Augenhöhe im Gespräch bleiben und dabei steht auch die Tür des Bürgermeisters immer offen” so Erichson.
Polizeipräsident Thomas Köber zeigte sich sehr erfreut darüber, dass der Erfahrungsaustausch mit den muslimischen Gemeinden nun mit den Vertretern des Landkreises und der Stadt Heidelberg fortgeführt werde. Die Idee, im November 2015 vom Polizeipräsidium zum ersten Mal in die Tat umgesetzt, fände somit eine wertvolle Fortsetzung. Die Polizei stehe oft “in der Spannungszone” und damit mitten in konfliktträchtigen Situationen. Alleine im vergangenen Jahr mussten die Beamtinnen und Beamte des Polizeipräsidiums über 300 politische Demonstrationen bewältigen, die nicht alle friedlich abgelaufen seien, so Köber.
Bevor es in die Diskussion ging, stellte sich Anne Kathrin Wenk als Leiterin der seit Oktober 2016 geschaffenen Stabsstelle Integration des Rhein-Neckar-Kreises vor. Ihre Aufgaben bestünden in der Entwicklung eines Integrationskonzepts und der Implementierung eines kommunalen Bildungsmanagements, führte Frau Wenk aus.
Schlechte mediale Darstellung der Deutsch-Türkischen Freundschaft
Im Gespräch wurde von den Vertretern der muslimischen Gemeinden die gute Zusammenarbeit mit der Polizei in der Region gelobt. Auch das Angebot, in einem Erfahrungsaustausch direkt mit Behördenleitern in Kontakt zu kommen, wurde als sehr positiv angesehen und mit großer Wertschätzung bedacht. Schnell wurde die Rolle der Medien angesprochen, die in den Augen einiger Teilnehmer oftmals zu unausgewogen über den Islam berichten und so auch die Deutsch-Türkische Freundschaft schlecht darstellen würden. Hier sei man gefordert, mit positiver Berichterstattung gegenzuhalten, so ein Teilnehmer.
Landrat Stefan Dallinger griff die Problematik auf und erkannte gerade in der Berichterstattung einen dramatischen Wandel in den vergangenen Jahren. Es sei nicht zuletzt durch viele Online-Medien so, dass schlechte Nachrichten noch schneller den Weg in die Öffentlichkeit finden würden und eine akribische Prüfung auf Wahrheitsgehalt oftmals keine Priorität habe. Deshalb sei eine realistische Einordnung der Geschehnisse notwendiger denn je, so Dallinger.
Talat Kamran vom Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog e.V hob auf die Möglichkeit ab, im Rahmen des Treffens direkt miteinander sprechen zu können. Es gehe ihm dabei auch um das aktuelle Thema Radikalisierung, wo man sich fragen müsse, was Moscheegemeinden tun können, um Radikalisierungstendenzen vorzubeugen. Parallel dazu müsse jedoch auch die Mehrheitsgesellschaft sich die Frage gefallen lassen, was sie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung tue, so Kamran.
Wachsamkeit gegenüber Extremismus
Polizeipräsident Köber ergänzte, dass der Staat, insbesondere die Polizei wachsamer gegenüber Extremismus geworden sei. Schließlich würden sich terroristische Anschläge nicht gegen Religionen, sondern gegen Menschen richten, um Trennung und Hass zu schüren. Dies sei alles das, was man nicht wolle. Dennoch sei die Gefahr allgegenwärtig, wie die jüngsten Festnahmen zweier junger Menschen beweisen würden, die einen Anschlag hätten vorbereiten wollen, so Köber.
Alle Anwesenden waren sich einig, dass Extremisten nichts mit der Religion des Islam zu tun haben und der Islam nicht die Ursache für religiös motivierten Extremismus ist, er aber dafür instrumentalisiert wird. Moscheegemeinden seien im Grunde der erste Schutzwall gegen Extremismus, betonte ein Teilnehmer. Es werde deshalb den Muslimen nicht gerecht, wenn sie auf die beiden Parameter Sicherheit und Integration reduziert würden, denn viele Muslime sind in Deutschland geboren, weshalb Integration für sie kein Thema sei.
Einklang von Religion und Beruf
Vor seinem Schlusswort griff Landrat Dallinger dieses Thema nochmals auf und war der Meinung, dass Moscheegemeinden in der derzeitigen Flüchtlingssituation gute Unterstützer sein könnten, zum Beispiel beim Erlernen der deutschen Sprache und im Eröffnen der Chancen, wie Zuwanderer ihre Religion und einen Beruf in Einklang bringen könnten.
Der Erfahrungsaustausch wurde als sehr wertvoll empfunden. Es gehe zunächst einmal darum, einander kennen zu lernen, führte Landrat Dallinger aus. Die Themen Achtsamkeit füreinander und welche Erwartungshaltungen bei Muslimen und der deutschen Mehrheitsgesellschaft vorhanden wären, ergäben noch weite Felder, die man bei einem weiteren Treffen in 2017 detaillierter aufgreifen möchte.
Erreichbarkeiten:
- Stabsstelle Integration beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis:
Ansprechpartnerin: Frau Anne Kathrin Wenk
E-Mail: AnneKathrin.Wenk@rhein-neckar-kreis.de
Telefon:06221 522-2209 - Interreligiöser Dialog der Stadt Heidelberg:
Ansprechpartner: Bürgermeister Wolfgang Erichson
Palais Graimberg – Kornmarkt 5
69117 Heidelberg
E-Mail: interreligioeserdialog@heidelberg.de
Telefon: 06221 58-20600