
Am 23. September haben wir gefragt: „Wie wird sich OB Bernhard nach der Niederlage präsentieren?“ Die Antwort: Bis heute gar nicht. Archivbild. OB Bernhard während der Podiumsdiskussion im Stadthaus
Weinheim, 16. Oktober 2013. (red) Die Tagesordnung der heutigen Gemeinderatssitzung ist dünn. Weil es keine Themen gibt? Oder weil der Saft gerade raus ist? Der Kampf um Breitwiesen hat viel Kraft gekostet. Dabei gibt es genug Themen, die teils liegengeblieben sind. Und natürlich ist das Thema Hammelsbrunnen noch lange nicht vom Tisch.
Von Hardy Prothmann
Was man so hört, betrachtet Oberbürgermeister Heiner Bernhard das Ergebnis des Bürgerentscheids als persönliche Niederlage. Und eigentlich gibt es niemandem, der dieser Sichtweise widersprechen möchte. Heiner Bernhard hat die Breitwiesen zu seinem Thema gemacht und er hat sein Hauptziel nicht erreicht – vulgo hat er verloren.
Doch was ist mit dem Plan B? Die Aussage war eindeutig: Wenn die Breitwiesen nicht bebaut werden, dann eben der Hammelsbrunnen, den, so der Erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner, man mit der Breitwiesen-Bebauung eigentlich schützen wollte.
Und hier macht sich für den OB und seine Hilfstruppen gleich das nächste Problem auf: Nach außen wurde gleichzeitig immer dargestellt, dass man den Hammelsbrunnen schützen wolle. Darf man den dann jetzt einfach zubauen? Ist das nicht unglaubwürdig? Wäre das nicht eine weitere Glaubwürdigkeitsniederlage?
Drei Fragezeichen – drei Möglichkeiten
Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten, die alle mit einem Fragezeichen versehen sind.
- Im Dezember kommt der Aufstellungsbeschluss für den Hammelsbrunnen. Wie man hört, fordern das vor allem SPD-Stadträte und vereinzelt auch Stadträte der CDU.
- Der zweite Weg könnte der des Aussitzens sein: Man wartet einfach drei Jahre, bis der Bürgerentscheid seine Gültigkeit verliert und ja was? Die Breitwiesen sind eigentlich raus – aber man muss immer mit Überraschungen rechnen, ob es nicht doch noch einen „Weg“ gibt, es nochmals mit den Breitwiesen zu probieren.
- Der Königsweg ist: Man macht eine ordentliche Bürgerbeteiligung und lässt den im Mai 2014 neu gewählten Gemeinderat die Entscheidungen treffen.
Klar ist, dass ein Aufstellungsbeschluss vor der Kommunalwahl ein erneuter Affront gegen den Bürgerwillen wäre. Denn man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Bürger/innen sich nicht gegen Breitwiesen entschieden haben, weil sie eine Bebauung des Hammelsbrunnen unbedingt wollen. Man hat darauf vertraut, dass der Hammelsbrunnen sich selbst schützt, wie die Bürgerinitiative argumentiert.
Geht Bernhard als Landvogt oder Meister aller Bürger in die Stadtgeschichte ein?
Sollten der OB und gewisse Stadträte sich darüber hinwegsetzen wollen, dann wird es Krieg gegen den Landvogt und seine Vasallen geben – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Immerhin: Dann wäre das Ergebnis der Kommunalwahl superspannend. Ich prognostiziere SPD und CDU enorme Verluste. Profitieren werden die GAL, Weinheim Plus und vielleicht sogar Die Linke und eventuell eine weitere Liste.
Die Frage für Heiner Bernhard ist auch, in welchem historischen Kontext er in die Stadtgeschichte eingehen möchte – ob er in fünf Jahren nochmals antritt, ist eher nicht wahrscheinlich. Er hat jetzt nach elf Jahren noch ein wenig Zeit, sich positiv im politischen Gedächtnis der Stadtgesellschaft einzubringen oder als 60-er-Jahre-Fossil, als ein Politiker der Brechstange und Haudrauf. Will er das? Soll das sein Image sein?
Er kämpft eventuell mit sich, denn eins kann er nicht – das wissen alle, die ihn kennen: Gut verlieren. Das zeigt sich auch in seiner Schockstarre. Statt souverän mit dem Ergebnis des Bürgerentscheids umzugehen und den „Gewinnern“ zu gratulieren und als guter Demokrat die Entscheidung als Auftrag wert zu schätzen, hat er sich in die Schmollecke zurückgezogen und leckt seine Wunden. De Hoiner als Woiner.
Kann der OB sein Schweigen brechen und sich aufmachen?
Er hätte auch stolz auf seine Bürgerschaft sein können. Doch das fällt ihm noch sehr schwer. Er ist ein gestandener Mann mit einem großen Willen zur Durchsetzung, aber einem kleinen zur Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit.
Es wäre ihm und der Stadt zu wünschen, wenn er sich überwinden könnte, sein Schweigen zu brechen und die Hand zu reichen. Für einen Neuanfang. Mit echter, wertgeschätzter Bürgerbeteiligung und einem Neuanfang mit dem neu gewählten Gemeinderat, dem vermutlich einige jüngere Stadträte nicht mehr angehören werden, weil sie durch ihre Erfahrungen in den Fraktionen und mit der Verwaltung extrem enttäuscht worden sind.
Unterm Strich hat Breitwiesen alle Beteiligten zu viel Kraft gekostet. Es ist aber gut, den Strich zu ziehen, statt Rechnungen vorzutragen. Klar ist: Die BI hat zum Schluss auch aus dem letzten Loch gepfiffen, aber das ist oft so bei einem Kampf über die volle Distanz. Und sie hat nach Punkten gesiegt, was großes Selbstvertrauen für „Revanche-Kämpfe“ gibt. Und die Psychologie sollte man nie überschätzen – wer nur mit den Muskeln spielt, hat politisch wie im Sport eigentlich keine Chancen, auf’s Treppchen zu kommen.
Niederlage vs. Zukunft
Es gibt noch viele große Projekte, ob Schulentwicklung, Hallen, Geothermie, Windkraft – sie alle fordern eine ausgeglichene, verantwortliche Arbeit und natürlich eine gute Kommunikation. Einen schlechten Berater ist Herr Bernhard los: Manfred Müller-Jehle hat ihm nur geschadet. Und statt eines umsichtigen Kommunikationsexperten hat er mit Roland Kern nur einen willfährigen Handlanger.
Einer, auf den Bernhard mehr hören sollte, ist gerade im Amt bestätigt worden – Dr. Torsten Fetzner. Der hat enormen Einsatz gebracht, manchmal emotional-nervös reagiert, wie alle Beteiligten, aber insgesamt fair und vor allem offen. Man kann davon ausgehen, dass Dr. Fetzner sehr viel gelernt hat und das in seiner neuen Amtszeit einbringen wird – wenn man ihn lässt. Zu einer modernen Führung gehört nicht, den Leuten zu sagen, was sie machen sollen, sondern die Fähigkeiten der Mitarbeiter bestmöglich zu nutzen. Und auch die Bürger/innen mit ihrem Verstand mit ins Boot zu nehmen.
Heiner Bernhard hat jetzt eine gute Chance, sich Respekt zurückzuerobern, wenn er aufmacht und sich neu aufstellt. Bleibt er störrisch, wird man froh sein müssen, wenn 2018 ein neuer Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und den Bürgern bestimmt.
Klar ist: Der OB und die Gemeinderatsmehrheit haben keinen Zweifel daran gelassen, dass Weinheim ein neues Gewerbegebiet braucht, um sich zukunftssicher aufzustellen. Und deshalb ist es vollkommen unverständlich, dass daran offensichtlich gerade nicht gearbeitet wird. Nimmt man die Leute ernst, muss man ihnen Fahrlässigkeit vorwerfen, wenn sie nicht bald wieder in die Hufe kommen. Und das meint nicht die Wiederaufnahme der Brechstange.
Schaun mer mal, wie’s kommt.
P.S. Und vielleicht sollte der Oberbürgermeister doch öfter mal in diesem Internetdingens lesen – das könnte helfen. Die Fehler haben wir bereits vor dem Aufstellungsbeschluss 2011 beschrieben.