Mannheim, 16. Juli 2016. (red/me) Das Fahrradjubiläum im kommenden Jahr sorgt für Ärger – es gibt Gruppen, die den Autoverkehr aus der Stadt haben wollen und es gibt den Handel, der sagt: Das geht so nicht. Manfred Schnabel, Präsident des Handelsverbands Nordbaden, bezieht im Gespräch mit dem Rheinneckarblog dazu Stellung, erklärt die Hintergründe, warum der Handel gegen ein autofreies Wochenende ist und ärgert sich auch deutlich über „Gruppen, die eine schlechte Stimmung machen“.
Interview: Mathias Meder und Hardy Prothmann
Herr Schnabel, die Stadt Mannheim und der Gemeinderat legen Wert auf Bürgerbeteiligung. Wie sind Sie als Händler zum Thema „Fahrradjubiläum“ beteiligt worden?
Manfred Schnabel: Wir wurden sehr früh von der Stadt Mannheim in die Planungen mit eingebunden. Die Kommunikation ist dann ein wenig ins Stocken geraten, als zu befürchten war, dass bestimmte Gruppen das Jubiläum zu einer Veranstaltung gegen das Auto machen wollten. Wir hatten uns immer gewünscht, dass wir bei der Gestaltung eines fröhlichen Festes für das Rad mitwirken können und wollten uns hierfür auch sehr gerne nach Kräften einbringen. Als dann der Begriff „autofreies Wochenende“ aufkam, fanden wir das überhaupt nicht lustig. Stellen Sie sich vor, man hätte beim Autojubiläum das Fahrrad verboten? Das ist doch einfach unsinnig, oder?
Pro Fahrradjubiläum contra Dogmatismus
Nun wird ja gefordert, dass die Autos an einem Wochenende aus der Stadt raus kommen. Was wäre denn, wenn sich das durchsetzt?
Schnabel: Wir hoffen, dass die grundsätzliche Entscheidung inzwischen gefallen ist, weil sich die Mehrheit der politischen Parteien und auch die Verwaltung inzwischen positiv zu unserem Kompromissvorschlag positioniert haben. Dieser geht jetzt noch in den Gemeinderat und ich gehe feste davon aus, dass eine große Bereitschaft von fast allen Seiten besteht, aus dem Fahrradjubiläum etwas Positives zu machen. Für dogmatische Positionen haben wir keinerlei Verständnis.
Haben Sie denn eigene Vorschläge mit eingebracht?
Schnabel: Unsere Vorstellung ist natürlich, dass in der City Veranstaltungen stattfinden, die Menschen anlocken, also, dass die Straßen bespielt werden. Straßen leer stehen zu lassen, einfach damit sie leer stehen, finden wir nicht besonders spannend. Wir hätten allerdings kein Problem damit, wenn einzelne Straßenzüge gesperrt würden, um dort eine Veranstaltung durchführen zu können. Vorausgesetzt natürlich, dass die Parkhäuser erreichbar sind und der ansässige Handel nicht blockiert wird.
Verkehrsmittel müssen gleichwertig sein
Profitieren die Händler nicht auch von Kunden, die mit dem Fahrrad in die Stadt kommen?
Schnabel: Es ist sicherlich so, dass die Bewohner Mannheims auch sehr gerne mit dem Fahrrad in die Stadt fahren. Dazu gehöre ich auch. Ich benutze das Fahrrad, habe aber auch eine Vespa – und ich fahre auch mal mit dem Auto oder den Öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich versuche alle Verkehrsmittel auszuschöpfen, je nach Situation und Laune. Die Besucher aus der Umgebung sind allerdings häufig auf das Auto angewiesen oder wollen es schlicht nutzen.
Unsere Aufgabe ist es, auf Kundenwünsche einzugehen, insbesondere in Zeiten des Online-Handels. Heutzutage müssen die Kunden ja nicht mehr den stationären Handel aufsuchen, sondern können auch von zu Hause aus bestellen. Da gibt es sicherlich Besucher, die gerne mit dem Fahrrad auch weitere Strecken zurücklegen, aber das ist die Ausnahme. Wir wollen ein gleichgewichtiges Nebeneinander der Verkehrsmittel und wir wollen auf die Kundenwünsche und -bedürfnisse eingehen.
Eine teilweise Sperrung für den Autoverkehr geht in Ordnung
Jetzt wird Ihnen vorgeworfen, Sie seien ängstlich und zaghaft gegenüber einem autofreien Wochenende.
Schnabel: Der Begriff „autofreies Wochenende“ hat aus unserer Sicht etwas Negatives an sich. Es geht nicht darum, sich gegen das Auto zu positionieren, es geht darum, das Fahrrad zu inszenieren. Wir haben dazu Stellung bezogen und sehen nicht ein, dass das ein Gegeneinander sein muss. Die Stadt in den Teilen für den Autoverkehr zu sperren, in denen Veranstaltungen stattfinden, ist in Ordnung für uns.
Wir sind allerdings der Meinung, dass es für die Kunden aus dem Umland und insbesondere für die aus der Pfalz möglich sein muss, die Parkhäuser anzufahren. Dies ist nicht nur deshalb notwendig, weil wir auf die Umsätze an Samstagen aus dem Umland angewiesen sind, sondern weil wir natürlich auch wollen, dass diese Kunden mit uns das Radjubiläum feiern können.
Ganz grundsätzlich sehen wir den ruhenden Verkehr in den Straßen der City sehr kritisch, weil wir der Meinung sind, dass dieser in die Parkhäuser gehört. Sperrmaßnahmen erzeugen häufig Suchverkehr, der nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Umwelt belastet. Optimal für alle Beteiligen ist es also, wenn die Parkhäuser direkt und ohne Staus anfahrbar sind.
59 Prozent des Umsatzes kommen aus dem Umland
Sie haben gesagt, dass das Umland sehr wichtig ist für die Umsätze – können Sie das in Zahlen fassen?
Schnabel: Der Mannheimer Einzelhandel setzt rund 2,5 Milliarden Euro um und ist nach Beschäftigten der drittwichtigste Wirtschaftszweig. Hiervon entfällt nur ein Drittel auf die City, was von der Öffentlichkeit häufig nicht richtig wahrgenommen wird. Der restliche Umsatz verteilt sich auf die Stadtteile, weshalb wir als Verband immer auch dafür eintreten, die Interessen der dort ansässigen Händler nicht zu vergessen. Der bedeutende City-Umsatz kommt inzwischen nur noch zu 41 Prozent aus Mannheim und zu 59 Prozent aus dem Umland, wobei dieser Anteil freitags und samstags nochmals drastisch höher ist. Weiterhin müssen Sie damit rechnen, dass an diesen Tagen ein Großteil der Wochenumsätze gemacht werden. Deswegen ist die Zugänglichkeit der City an Samstagen von elementarer Bedeutung für uns.
Einkaufsgutscheine für Fahrradfahrer, kostenlose Leihfahrräder, Fahrradfahrer-Kassen, Einkaufslieferservice für Fahrradfahrer. Können Sie sich vorstellen, dass es solche Angebote für Fahrradfahrer an einem solchen Tag geben könnte und dass diese durch den Handel befördert werden?
Schnabel: Mannheim ist kein Einkaufszentrum – ein Einkaufszentrum könnte so etwas festlegen. Das Rhein-Neckar-Zentrum könnte beispielsweise sagen: So jetzt machen wir mal eine solche Fahrradaktion. Das geht in Mannheim so nicht. Wir haben zwar eine sehr gute Zusammenarbeit, aber überall dort, wo die Interessen der Einzelnen berührt sind, müssen wir entsprechenden Ausgleich herbeiführen und viel Überzeugungsarbeit leisten. Diese Vielfalt des Handels, macht aber gerade den Charme unserer Einkaufsstadt aus.
Bevor wir allerdings irgendetwas planen und vorschlagen können, müssen wir die Rahmenbedingungen kennen. Unsere Beschlusslage ist deshalb so, dass wir das Votum des Gemeinderats und einen ersten Entwurf der geplanten Aktivitäten abwarten wollen, bevor wir uns hierzu äußern. Und wenn es die Möglichkeit gibt, hier einen positiven Beitrag zu leisten – warum nicht? Immer mit der Einschränkung, dass wir kein Einkaufszentrum sind und nichts vorschreiben können. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann werden natürlich mitwirken.
Der Handel wird das Radjubiläum positiv begleiten – wenn die Rahmenbedingungen stimmen
Dabei geht es auch noch um die Frage eines möglichen verkaufsoffenen Sonntags?
Schnabel: Dies war von der Politik und der Verwaltung zunächst als eine Art Konzession an den Handel gedacht, quasi als Ausgleich für die Umsatzausfälle an dem sogenannten „Autofreien Samstag“. Dies kam für uns nie in Frage, weil der Aufwand eines verkaufsoffenen Sonntags schlicht keinen Sinn macht, wenn die Stadt für den Verkehr gesperrt ist. Inzwischen haben allerdings viele erkannt, dass die Hauptattraktion der Mannheimer City in der hohen Attraktivität des Handels liegt. Die Stadtspitze hat deshalb durchblicken lassen, dass es eine Bereicherung wäre, wenn der Handel am Sonntag geöffnet hätte, da ansonsten das Wochenende ja komplett aus eigener Kraft bespielt werden müsste. Wer kommt denn schon in die Stadt, wenn die Attraktivität des Handels fehlt?
Die Frage des verkaufsoffenen Sonntags stellt sich also genau umgekehrt, wie dies in der der Öffentlichkeit bislang wahrgenommen wurde. Die Stadt muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass der Handel das Radjubiläum positiv begleitet. Wenn die Parkhäuser geschlossen wären oder die Zugänglichkeit der City durch Veranstaltungen am Sonntag sehr weit eingeschränkt wäre, würden wir sicherlich keinen verkaufsoffenen Sonntag beantragen.
Das kommt also?
Schnabel: Wir begrüßen den Vorschlag der Stadtspitze sehr, dem Gemeinderat vorzuschlagen, diese Möglichkeit grundsätzlich zu schaffen. Wir sind aber noch sehr weit davon entfernt, diesen Antrag wirklich zu stellen, bevor wir die Rahmenbedingungen nicht kennen. In jedem Fall werden wir zuvor den Dialog zu allen relevanten Gruppen suchen, um eine gute Lösung für Mannheim zu finden. Wir haben keinerlei Verständnis dafür, dass hier bereits öffentlich gedroht wird, ohne die Zusammenhänge überhaupt zu kennen.
Unser Verband und auch die Werbegemeinschaft mit meinen Kollegen Lutz Pauels haben doch in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass wir den Konsens suchen und uns hartnäckig für konstruktive Kompromisse einsetzen. Während die Umlandgemeinden und Einkaufcenter bis zu vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr veranstalten, haben wir hier nie übermäßigen Druck ausgeübt. Ich kann nur alle Beteiligten zur Mäßigung aufrufen und sie bitten, die gute Zusammenarbeit und das Erfolgsmodell „Mannheimer Handel“ nicht zu beschädigen.
Der Zugang zur City ist für uns eine Überlebensfrage
Jetzt klingen Sie verärgert.
Schnabel: Insgesamt gab es im Handel eine große Bereitschaft, das Radjubiläum positiv zu begleiten und zu unterstützen. Es ist sehr bedauerlich, dass einzelne Gruppierungen eine derart schlechte Stimmung schüren, dass diese Bereitschaft im Handel zunehmend schwindet. Wir sind der Stadtspitze daher sehr dankbar, dass wir einen tragfähigen Kompromiss finden konnten und begrüßen die konstruktive Haltung aller politischen Parteien, die diesen unterstützen.
Es gab zum Thema Bismarckstraßenumbau schon einmal so einen Konflikt. Sehen Sie nicht auch Bedarf darin, den Radverkehr zu stärken?
Schnabel: Jedes Verkehrsmittel, das geeignet ist, das Einkaufserlebnis für den stationären Handel zu fördern, ist für uns gut. Wir würden da gar keine Verkehrsmittel ausschließen. Ganz im Gegenteil. Je vielfältiger das Angebot ist, desto vielfältiger sind auch die Bedürfnisse, die man befriedigen kann. Aber man muss einfach sehen, in welcher Situation der Handel insgesamt ist: Das Internet nimmt dem stationären Handel dramatisch Umsatz ab. Bequemes Einkaufen rückt immer mehr in den Vordergrund. Deswegen ist der stationäre Handel so besonders sensibel, was die Zugänglichkeit der Geschäfte anbelangt.
Denn früher hatte er der Kunde keine Alternativen. Aber heute ist die Alternative zuhause zu bleiben und von zuhause aus zu bestellen. Es gibt sehr starke Verschiebungen zwischen den Wochentagen hin zum Wochenende und jeder Samstag, der ausfällt, ist eine wirtschaftliche Katastrophe. Deswegen ist die Zugänglichkeit der City für den Handel eine Überlebensfrage. Wir haben eine sehr gute Entwicklung im Mannheimer Handel gehabt, aber da stehen wir ziemlich alleine da. Viele andere Städte kämpfen händeringend darum, dass die Stadtkerne noch Bestand haben und eine Einkaufsvielfalt erhalten bleibt. Das ist alles keine Selbstverständlichkeit.