Mannheim, 16. Juli 2016. (red/pro) Am Samstagnachmittag haben sich auf dem Paradeplatz gegen 15:30 Uhr rund 800 Menschen bei einer kurzfristig angemeldeten Kundgebung versammelt. Der größte Teil der Kundgebung wurde in türkischer Sprache abgehalten. Immer wieder gab es Sprechchöre.
Die Veranstaltung verlief friedlich und zog nach der Kundgebung auf dem Paradeplatz zum Alten Messplatz in die Neckarstadt. Die Polizei begleitete die Versammlung mit Vorsicht – nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei war unklar, ob die Stimmung aggressiv sein könnte oder ob es Störungen durch andere türkischstämmige Menschen geben würde.
Die versammelten Menschen zeigten ein klares Bekenntnis zum türkischen Staat und damit gegen eine Integration in Deutschland. Der überwiegende Teil der durchaus zahlreichen Frauen trug Kopftuch, viele davon auch sehr eng, so dass häufig nur Nase und Augen noch zu sehen waren. Insbesondere viele junge Türkinnen trugen auch lange Kleider, die nur Hände und Füße unbedeckt ließen. Immer wieder waren Allahu Akbar-Rufe (Gott ist groß) zu hören, inbesondere zum Ende hin, als die Menge den Ruf skandierte.
Ob sich die in Deutschland lebenden Türken mit diesem nationalistisch-islamistischen Auftreten einen Gefallen tun, darf bezweifelt werden.
Über die Inhalte der Reden können wir nichts mitteilen, da sie ganz überwiegend auf Türkisch waren. Die Menschenmenge war jedenfalls hochgradig emotionalisiert.
Auch in anderen Städten wie Karlsruhe und Stuttgart sowie Frankfurt gab es Versammlungen mit Tausenden Teilnehmern, die sich pro Erdogan positionierten. Die Alevitische Gemeinde Baden-Württemberg reagierte umgehend auf die Demonstration mit einer Mitteilung:
Zwar haben Erdogan und die AKP die Türkei mit einer antidemokratischen, menschen- und minderheitenverachtenden Politik ins Chaos geführt und sind verantwortlich für den Tod vieler unschuldiger Menschen, aber Unrecht mit Unrecht zu bekämpfen ist mit einer demokratischen Streitkultur nicht vereinbar. (,,,) Erdogan war noch nie ein Demokrat und der gescheiterte Putschversuch macht ihn auch zu keinem Demokraten. Erdogan ist ein designierter Diktator. Wir fordern die Europäische Union, die Bundesregierung und alle unsere RepräsentantInnen dazu auf, die Verhandlungen mit der Türkei abzubrechen und die Einhaltung demokratischer Prinzipien einzufordern.
Weiter kritisiert dieser Verband, dass die AKP versuche, Mitglieder in politische Ämter in Deutschland zu bringen, beispielsweise über den Unternehmerverband UETD. Damit würden demokratische Strukturen gezielt unterlaufen.
Türkeibeobachter gehen davon aus, dass Staatspräsident Erdogan die Situation nutzen wird, weitere „Säuberungen“ vorzunehmen. Es sollen bereits 3.000 Richter entlassen worden sein. Die internationale Politik verfolgt die Entwicklungen in der Türkei mit großer Sorge. Bei dem gescheiterten Militärputsch sollen gut 300 Menschen ums Leben gekommen sein, mehrere Tausende wurden verletzt. Der Putschversuch dauerte von gestern bis in die Nacht rund 18 Stunden an.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel rief in einer Videoansprache alle in der Türkei lebenden Deutschen dazu auf, die Hinweise des Auswärtigen Amtes „aufmerksam zu verfolgen“. Den Versuch eines militärischen Putsches verurteilte sie auf das Schärfste.
Die Incirlik Air Base im Süden der Türkei, wo auch deutsche Soldaten stationiert sind, soll aktuell noch umstellt sein. Offenbar wurde die Wasserversorgung unterbrochen.
Hinweis: Am Montag lesen Sie unsere Montagsgedanken: „Liebe türkischstämmige Mitbürger, wir müssen reden…„
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht leistbar. 2016 wird für uns existenziell ein entscheidendes Jahr. Wenn Sie künftig weitere Artikel von uns lesen wollen, dann honorieren Sie bitte unsere Arbeit. Hier geht es zum Förderkreis.“ Sie können auch per Paypal spenden. Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Spender erhalten eine Rechnung.