Mannheim, 16. März 2015. (red/ld) Einen Grenzwert für PFC im Boden gibt es nicht. Aber einen für den Gehalt in Klärschlamm: 100 Mikrogramm pro Kilo. Diese Werte wurden bei drei von fünf belasteten Äcker im Mannheimer Norden überschritten. Die Stadt Mannheim hält sich mit Informationen zurück. Indes werden weitere Proben entnommen und getestet.
Von Lydia Dartsch
Die Landwirte im Mannheimer Norden warten derzeit gespannt auf weitere Ergebnisse von Bodenproben, sagt Wolfgang Guckert, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Rhein-Neckar-Kreis. Solange wollten er und seine Mitglieder mit dem Säen und weiteren Maßnahmen warten. Ende Februar waren auf 12 Hektar Ackerfläche in Mannheim-Sandhofen erhöhte Werte von Per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) festgestellt worden. PFC gilt als giftig, krebserregend und schädigt möglicherweise die Fertilität.
Die Bodenproben mit den erhöhten PFC-Werten wurden in den Gewannen Wilhelms-, Gräfen-, Mittelwörth, im Großen und im Sandtorfer Bruch gezogen. Derzeit prüft die Stadt, ob weitere Flächen betroffen sind und woher die Chemikalien im Boden stammen, teilt das Dezernat 5 auf Anfrage mit.
Kompost aus einer Mannheimer Anlage
Laut Mitteilung des Regierungspräsidiums kommt der Kompost aus einer „Mannheimer Anlage“. Zwei davon gibt es. Eine ist das Mannheimer Kompostwerk. Die Stadt Mannheim teilte mit, dass es sich um einen privaten Betrieb handle. Welcher dies ist, könne man nicht sagen, heißt es auf Nachfrage.
Die einzige Mannheimer Privatfirma, die sich auf die Produktion von Kompost spezialisiert hat, ist das Erdenwerk im Scharhof. Deren Geschäftsführer Dr. Hermann Weiland und Dirk Weiland wollten sich auf unsere Nachfrage nicht äußern. Sie waren bis zum Montagnachmittag nicht für die Redaktion zu sprechen.
Bis 2008 keine PFC-Kontrollen für Kompost
Kompost sei der Grund für die erhöhten Werte, teilte das Regierungspräsidium Ende Februar mit. Darin würden auch Schlämme mitverwendet, die bei der Papierherstellung entstehen. Seit dem Jahr 2008 sei dafür eine Eingangskontrolle auf PFC vorgeschrieben, teilt die Stadt Mannheim auf Nachfrage mit. Davor hätten Komposthersteller, die eingehende Ware nicht kontrollieren müssen. Möglicherweise seien damals mit PFC belastete Papierschlämme angenommen und daraufhin mit Kompost vermischt worden. Die Stadt Mannheim untersucht außerdem, ob die PFC auch durch Klärschlamm in den Boden gelangt sein könnten.
Die festgestellten PFC-Werte in den Bodenproben seien bis zu doppelt so hoch, wie die in der Klärschlammverordnung vorgeschriebenen Grenzwerte von 100 Mikrogramm pro Kilogramm Klärschlamm. Einen Grenzwert für PFC im Boden gibt es nicht. Daher greife man bei der Bewertung auf diese Verordnung zurück, heißt es von Seiten der Stadt Mannheim.
Teils bis zu 150 Prozent über Grenzwert

Die PFC-Funde im Boden von fünf Äckern im Mannheimer Norden in Mikrogramm pro Kilo. Rot sind die Erdschichten bis 30 Zentimeter Tiefe. Blau von 30 bis 60 Zentimeter. Zum Vergrößern Klicken. Foto: Stadt Mannheim
Genaue Werte wollte die Stadt auf mehrfache Nachfrage nicht nennen. In der Ausschussitzung für Umwelt und Technik am Dienstag war aber eine Präsentation (siehe Bild) gezeigt worden, die PFC-Messwerte in Mikrogramm pro Kilogramm zeigt und die der Redaktion vorliegt.
Daraus geht hervor, dass die PFC-Belastung vor allem in höheren Erdschichten bis 30 Zentimeter deutlich höher liegt als in der darunter liegenden Schicht bis 60 Zentimeter. In den höheren Schichten liegen die Werte bei drei der fünf Gebiete fast 2,5 Mal so hoch, wie der Grenzwert für Klärschlamm, nach dem sich die Bewertung richtet. Die hohen Werte in den oberen Schichten legt die Vermutung nahe, dass das PFC-haltige Material nicht vor allzu langer Zeit aufgebracht worden ist.
Das Regierungspräsidium und die Stadt Mannheim gehen indes nicht davon aus, dass eine Gefährdung für die Bevölkerung besteht. Dennoch hatte die Umweltbehörde Mannheim nach Bekanntwerden der Belastung untersagt, den Kompost zu verwenden. Desweiteren werde die Umweltbehörde der Stadt in Abstimmung mit dem Umweltministerium und dem Regierungspräsidium Karlsruhe im Umfeld der belasteten Flächen Grundwasser- und Pflanzenproben entnehmen und untersuchen. Eine Beeinträchtigung des Trinkwassers gebe es nach der Einschätzung der Mannheimer Umweltbehörde nicht, teilte die Stadt Ende Februar mit.
PFC-Funde und Papierschlammskandal in Rastatt
Im Sommer 2013 hatte es erste PFC-Funde im Wasserwerk Rauental gegeben. Als Ursache waren Abfälle aus der Papierindustrie festgestellt worden, die über mehrere Jahre als Beimischung zu Kompost auf Feldern verteilt worden waren. Aufgrund dessen hatten die Grünen im Landtag beantragt, einen Grenzwert für PFC festzulegen. Im Juli 2014 wurde beantragt, die Böden in den Bereichen der Regierungspräsidien Baden-Baden, Rastatt und Karlsruhe auf ihren PFC-Gehalt zu beproben.
Dabei wurden an 12 Stellen in Mannheim Proben entnommen und die Funde gemacht. Bis aktuell wurden auf den Feldern Nahrungsmittelpflanzen angebaut. Angesichts der hohen Werte ist es naheliegend, dass dadurch der giftige Stoff auch in Lebensmittel gelangt ist und Menschen belastet wurden,
PFC-Sanierung: Aufwendig und teuer
Jetzt werden 38 weitere Proben genommen und getestet. Bevor über Maßnahmen gesprochen werden könne, müssten die weiteren Ergebnisse abgewartet werden, sagt Wolfgang Raufleder. Aber eine PFC-Sanierung sei aufwendig und teuer.
Poly- und perfluorierte Chemikalien sind unterschiedlich lange Kohlenwasserstoffketten, bei denen entweder alle oder nur ein Teil der Wasserstoffatome durch Fluoratome ersetzt sind. Diese Stoffe werden seit den Sechziger Jahren in vielen Gebrauchsgegenständen und Kleidung eingesetzt, um diese Wasser- und Schmutzabweisend zu machen. Ein bekanntes PFC-Beispiel ist Teflon.
PFC sind Krebsfördernd
Menschen nehmen PFC über belastete Nahrung, Trinkwasser oder die Luft auf, heißt es dazu beim Bundesumweltministerium: In Tierversuchen erwiesen sich die bekanntesten PFC-Vertreter PFOS und PFOA nach kurzzeitiger Belastung zwar als mäßig toxisch. In Langzeitstudien mit Ratten und Mäusen jedoch förderten beide Verbindungen die Entstehung von Leberkrebs und anderen Tumoren. Außerdem bestehe der Verdacht, dass einige PFC die Fruchtbarkeit von Frauen und die männliche Spermatogenese negativ beeinflussen können.
Bis weitere Maßnahmen ergriffen werden, wolle die Stadt erst einmal auf die Ergebnisse der Untersuchungen warten. Warten heißt es auch für Wolfgang Guckert und die Landwirte in den betroffenen Gewannen – auch, wenn Herr Guckerts Feld nach eigenen Angaben nicht belastet ist. Auf den Äckern werde hauptsächlich Mais angebaut, sagt er auf Nachfrage. Damit könne man noch gut vier Wochen warten. Vielleicht auch fünf. Ob die Landwirte bis dahin säen können, ist Stand heute fraglich.