Mannheim/Rhein-Neckar, 16. März 2015. (red/pro) Man sprach von einer 40-50 Millionen Euro Investition – eine neue Firmenzentrale des Dienstleistungskonzerns Bilfinger SE sollte im Glückstein-Quartier direkt neben dem „Victoria-Turm entstehen – doch dieses Projekt ist geplatzt.
Von Hardy Prothmann
Die laufenden Restrukturierungsprogramme haben Auswirkungen auf viele Mitarbeiter des Konzerns. In einer solchen Situation wäre der Neubau einer Zentrale ein falsches Signal,
teilte der Interims-Vorstandschef der Bilfinger SE, Herbert Bodner, mit. Durch die Restrukturierung werden weltweit 1.250 Arbeitsplätze abgebaut, von über 70.000 auf aktuell 69.100, der Prozess ist in vollem Gang.
Falches Signal?
Ob dieses Signal richtig ist, darf bezweifelt werden. Denn was ist die Botschaft? Zunächst eine nachvollziehbare Entscheidung, denn die Bilfinger SE steckt in Schwierigkeiten und wird die gesteckten Unternehmensziele nicht erreichen. Die Aktie war vergangenes Jahr dramatisch eingebrochen, der frühere Ministerpräsident Roland Koch musste als Konzernchef demissionieren. Das Unternehmen hat zu hohe Kosten und am Markt wird hart gekämpft. Die Entscheidung für einen neuen Firmensitz ist eine auf lange Zeit – offenbar hat Bilfinger die Zukunft nur sehr kurzfristig im Blick. Und wenn schon kein Geld für einen neuen Firmensitz da ist, der ja auch für „Aufschwung“ steht – folgt dann ein weiterer Abschwung, werden noch mehr Mitarbeiter „abgebaut“?
In einer solchen Lage ist es eher klug, weitere Kosten erstmal nicht zu provozieren – der Mietvertrag für den Bilfinger Firmensitz am Carl-Reiß-Platz läuft bis 2018. Man hat also noch ein wenig Zeit, um dort zu verlängern oder sich für einen anderen Standort zu entscheiden. Viel Zeit ist das aber nicht – immerhin müssen rund 300 Arbeitsplätze verlegt werden. Ob Bilfinger über eine Verlängerung oder weiter über einen neuen Standort nachdenkt, darüber gibt es aktuell auf Anfrage keine Auskunft. Nur diesen schmalen Satz, in dem vielleicht das Wort „aktuell“ fehlt:
Es bestehen keine Pläne, die Konzernzentrale aus Mannheim an einen anderen Standort zu verlegen.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) dürfte diese Nachricht im anstehenden Wahlkampf überhaupt nicht gelegen kommen. Er teilt sein Bedauern mit und sagt laut Pressemitteilung:
Wir erwarten allerdings, dass das Unternehmen dafür sorgt, dass das von ihm erworbene Grundstück im Glückstein- Quartier schnellstmöglich von einem Investor entwickelt und dort – wie vorgesehen – ein Bürohaus gebaut wird.
Erwarten kann der Oberbürgermeister zunächst mal gar nichts. Die Bilfinger SE hat das rund 4.000 Quadratmeter große Grundstück für etwa 3,5 Millionen Euro erworben und kann damit machen, was es will. Es also auch brach liegen lassen – Verträge, die eine Entwicklung erzwingen, scheint es nicht zu geben.
Angesichts der Finanzlage wird Bilfinger vermutlich zügig versuchen, das Gelände zu verkaufen – doch an wen und wann? Und wird das auch so ein „angesehenes“ Unternehmen sein, mit dem die Stadt „so gut zusammenarbeitet“?
Die Bilfinger SE hat zwar das Gelände gekauft – wäre aber nicht Besitzer geblieben. In Deutschland sind alle genutzten Standorte angemietet, Immobilienbesitz hat der Konzern nicht. Der Grundstückkauf war mithin eine Standortsicherung, aber kein originäres Bilfinger-Invest.
Unsichere Zeiten – auch für attraktive Standorte
Bilfinger SE zeigt mit dieser Entscheidung, wie wenig verlässlich der Konzern aktuell agiert – die Stadt ging fest davon aus, dass das Projekt neue Firmenzentrale im Glückstein-Quartier umgesetzt wird. Wer soll jetzt noch glauben, dass sich der Dienstleistungskonzern tatsächlich an den Standort Mannheim gebunden fühlt? Der Standort am Hauptbahnhof ist attraktiv, wie Baubürgermeister Lothar Quast (SPD) sagt, keine Frage, attraktive Standorte gibt es aber auch woanders.
Unverständlich ist, wenn der Standort doch so attraktiv ist, dass es bislang nicht gelungen ist, hinter den Kulissen eine Regelung zu finden. Hätte Bilfinger Se heute verkündet: „Wir bauen nicht“ und die Stadt hätte verkünden können: „Ein anderer Investor ist gefunden. Alles geht weiter wie geplant“, wäre nicht so viel Unsicherheit entstanden. Und wir sind gespannt, wer die Debatte beginnt, warum die Feuerwache verlegt werden musste.
Bilfinger SE scheint das egal zu sein oder ist in so großer Not, dass man auf städtische Befindlichkeiten keine Rücksicht nehmen kann. Der schöne Plan, das Glückstein-Quartier aus einem Guss zu entwickeln, ist nicht vom Tisch, hat aber einen Schlag abbekommen. Ob und welche Kosten der Stadt entstehen oder welche Einbußen erwartet werden, wurde nicht mitgeteilt. Eine schlechte Nachricht reichte vermutlich für heute.