Weinheim, 11. Februar 2014. (red/ld) Im Weinheimer Stadtrat sitzt ein Linker. Carsten Labudda. Man könnte jetzt meinen, als Linker habe er es schwer. Stimmt. Oft spürt er den Widerstand gegen seine Reden. Aber noch viel öfter erhält er breite Zustimmungen – sogar von der CDU, die respektvoll mit auf den Tisch klopft. Immer dann, wenn es um “Anstandsthemen” geht. Carsten Labudda ist ein herausragender Redner im Vergleich zu vielen anderen in der Kommunalpolitik. Und er kann Erfolge vorweisen. Hart erarbeitet.
Anm. d. Red.. Wir starten mit Carsten Labudda unsere Interviewreihe mit den Fraktionssprechern – auch wenn er keiner ist. Als Einzelstadtrat hat er keinen Fraktionsstatus – aber seine Stimme wird sehr aufmerksam gehört.
Interview: Lydia Dartsch
Herr Labudda, Sie sind 2009 als Kandidat der Linken zum ersten Mal in den Weinheimer Gemeinderat gewählt worden und machen seitdem eine ganz gute Figur am Ratstisch. Hätten Sie das erwartet?
Carsten Labudda: Ich hatte damals zunächst die Befürchtung, als seltsamer Kauz von Linksaußen zu gelten. Aber das ist zum Glück nicht eingetroffen. Die anderen haben schnell gemerkt, dass es mir um das Wohl der Stadt geht.
Was waren in den vergangenen fünf Jahren die wichtigsten Themen für Sie?
Labudda: Ein wichtiger Punkt war Transparenz. Ich habe 2010 den Antrag gestellt, dass die Ausschusssitzungen öffentlich sein sollen. Als ich Unterschriften dafür gesammelt habe, hat sich ein Riss zwischen den Alt- und den Jungstadträten abgezeichnet: Fast alle Unterzeichner waren Jungstadräte. Die Altstadträte haben dann mehrheitlich dagegen gestimmt. Aber dafür konnte ich erreichen, dass der Haushaltsentwurf der Verwaltung vorab auf der städtischen Homepage veröffentlicht wird.
Was hatten die Bürger/innen denn konkret von Ihrer Arbeit im Gemeinderat?
Labudda: Beispielsweise haben wir von der Linken uns im Frühjahr 2010 dafür eingesetzt, dass in der Weststadt ein Bürgerbüro eingerichtet wird. Das müssen Sie sich mal vorstellen: In dem Stadtteil wohnt ein Drittel der Weinheimer Bevölkerung und da gab es kein Bürgerbüro.. Vor allem für Senioren ist es wichtig, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben, den sie schnell erreichen können. Das haben wir angesprochen. Wir haben Unterstützer unter den Geschäftsleuten und vom Weststadtverein gesucht und die Presse darauf aufmerksam gemacht.
Und Sie hatten Erfolg.
Labudda: Vielleicht auch weil damals gerade Bürgermeisterwahlkampf war und Herr Bernhard wiedergewählt werden wollte. Jedenfalls hat die Sparkassenfiliale in der Königsberger Straße einen Raum für das Bürgerbüro bereitgestellt. Seitdem werde ich in der Weststadt häufiger auf der Straße gegrüßt.
Gerade zum Ende der Wahlperiode hat der Gemeinderat ja noch einige Projekte auf den Weg gebracht. Teilweise auch mit Ihrer Stimme: Ich spreche vom Busverkehr und von dem Bau der Sporthallen in den Odenwaldstadtteilen. Wie hat sich die Situation aus Ihrer Sicht entwickelt?
Labudda: Was den Schülerverkehr angeht, war es höchste Zeit. Gerade für die Schüler der Dietrich-Bonhoeffer-Schule. Wir hatten die Busanbindung mehrere Jahre in Folge am Schuljahresanfang auf die Probe gestellt und selbst getestet. Der Bus war knackevoll. Das wollten wir ändern. Und siehe da: Zuerst hatte die Stadt gesagt, dass kein Geld für einen weiteren Bus da sei. Jetzt wird wenigstens die Linienführung der 682 deutlich verbessert.
Und die Hallen?
Labudda: Alle sind sich einig, dass es Sport- und Kulturmöglichkeiten in den Odenwaldstadtteilen geben muss. Deshalb sind die Hallen sehr wichtig. Aber die Planung war sehr zäh. Das hat die Bürger aufgebracht.
Die Hallen gehören ja zu den Großprojekten der Stadt, für die in den kommenden Jahren 40 Millionen Euro ausgegeben und 20 Millionen Euro an Krediten aufgenommen werden sollen. Ein großer Batzen davon bildet der Bau des Schul- und Kulturzentrums Weststadt, das mindestens 28 Millionen Euro kosten soll. Das Regierungspräsidium hat schon gewarnt, dass der Haushalt in den kommenden Jahren deshalb nicht genehmigungsfähig sein könnte. Was sagen Sie dazu?
Labudda: Wenn dem Oberbürgermeister etwas besonders wichtig ist, dann ist das machbar. Ansonsten ist kein Geld da. Wir von der Linken hatten ein Alternativkonzept zum Neubau des Schulzentrums vorgelegt: Die Schüler der Albert-Schweitzer-Schule könnten auf die Bach- und die Bonhoeffer-Schule aufgeteilt werden. Wenn man mit dem Rhein-Neckar-Kreis spricht, auch auf die Montessori-Schule. Dort stehen Klassenräume leer. Dann bräuchte man diesen Neubau nicht. Höchstens einen Anbau an die Bachschule.
Glauben Sie, dass die Stadt das schaffen kann? Die Anhebung der Gewerbesteuer wurde bei der Sitzung des Hauptausschusses am 29. Januar mit großer Mehrheit abgelehnt.
Labudda: Dabei ist keine andere kommunale Steuer in Weinheim so lange unangetastet geblieben wie die Gewerbesteuer.
In den kommenden Jahren wird das Konfliktpotenzial im Gemeinderat sicher nicht weniger. Zum Beispiel bei der Unterbringung der Asylbewerber in der Heppenheimer Straße.
Labudda: Das ist wirklich schwierig. Wir wünschen uns eine dezentrale Unterbringung. Aber das kostet eine ganze Menge Geld und man braucht Wohnraum, den die Stadt nicht bieten kann.
Warum sind Sie gegen eine zentrale Unterbringung?
Labudda: Die gesetzlichen Standards sind immer noch beschämend. Ein Asylbewerber hat ab 2016 Anspruch auf 7 Quadratmeter Platz. Vorher waren es 4,5 Quadratmeter. Ein Hundezwinger dagegen muss mindestens 6 Quadratmeter groß sein. Wir von der Linken waren regelmäßig in Sinsheim, um uns die Verhältnisse dort anzusehen – als einzige Kreistagsgruppe. Wir haben gesehen, dass die Verhältnisse sehr beengt sind. Da ist es kein Wunder, wenn es zu Konflikten mit Mitbewohnern kommt.
Was halten Sie von den Ängsten der Anwohner, die befürchten, dass sich die Konflikte auf das Wohngebiet übertragen?
Labudda: Ich glaube nicht, dass es durch eine zentrale Unterbringung ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Umgebung ergibt. Die Menschen kommen aus Syrien, Tschetschenien und aus anderen, krassen Krisengebieten, weil sie dort einfach nicht mehr leben können. Egal wie es mit der Unterbringung weitergeht, werden wir uns dafür einsetzen, dass 2015 eine Willkommenssituation herrscht.
Sie sind sehr engagiert im Gemeinderat und bei der Linken. Sie arbeiten beruflich mit Menschen mit Behinderung. Haben Sie dabei Zeit für Hobbies?
Labudda: Ich lese leidenschaftlich gerne Zeitung. Schon seit ich vier Jahre alt bin. Ich fand es cool, wie mein Vater abends im Sessel saß und Zeitung las. Deswegen musste mir meine Mutter schon früh lesen beibringen. In der Schule in der DDR war ich dann immer derjenige, der vortragen musste, welche Errungenschaften die Partei verkündet hat.
Zeitung oder heute Internet?
Labudda: Seit 1993 beides. Ich will mich aus verschiedenen Perspektiven informieren.
Sie sind in 1975 in Hoyerswerda geboren, in der damaligen DDR. Jetzt könnte man anhand Ihrer Parteizugehörigkeit vermuten, dass Sie das auch politisch geprägt hat.
Labudda: Als die Mauer fiel und ich mit den Rechten des Grundgesetzes konfrontiert wurde, war das sehr heftig für mich. Ich habe da erstmal gesehen, was uns alles verwehrt worden war.
Zum Beispiel?
Labudda: Die Rede- und Meinungsfreiheit. Als ich 1991 mit meinen Eltern nach Weinheim gezogen bin, habe ich mich am meisten auf die vielen Diskussionen gefreut, die ich mit meinen Mitschülern führen könnte. Stattdessen begegnete ich da großem Desinteresse und einer Entertainmentindustrie. Das erinnerte mich an das Lied “Smells Like Teen Spirit” von Nirvana. Dort geht es genau darum. Das hat mich total beeindruckt.
Dass Sie Nirvana-Fan sind, hätte ich jetzt nicht gedacht.
Labudda: Mein PDS-Mitgliedsausweis wurde am Todestag von Kurt Cobain ausgestellt, am 5. April 1994.
Ein weiteres Hobby von Ihnen ist “Kulturen sammeln”. Was kann man sich darunter vorstellen?
Labudda: Ich tauche eben gerne ich Kulturen ein: Ich war schon Raver, Grufti, Rollenspieler, Mod, Punk, linker Skinhead. Ich finde das sehr interessant und habe dadurch viele Leute kennengelernt.
Aktuell sind Sie in der Stadtratrolle. Steht ein Wechsel an?
Labudda: Dafür fehlt mir die Zeit. Nach fünf Jahren im Gemeinderat wissen die Weinheimer, was sie an mir und uns Linken haben und ich bin sicher, wir werden sogar Sitze dazugewinnen. Diese Rolle will ich weiter einnehmen: Stadtrat sein ist geil.