
Seit die Steuer-CDs auf dem Markt sind, steigt die Zahl der Selbstanzeiger. Foto: Wikipedia, Friedrich.Kromberg, Potograpo: W.J.Pilsak, CC-BY-SA-3.0
Mannheim/Rhein-Neckar, 11. Februar 2014. (red/jsc) Seit die „Steuersünder-CDs“ auf dem Markt sind, steigt die Zahl der Selbstanzeiger. Über 2.100 Fälle sind es in unserer Region seit Februar 2010. Oder mehr als 500 Fälle pro Jahr. Steuerbetrug ist ab 50.000 Euro eine Straftat – wer sich rechtszeitig selbst anzeigt und konsequent alles offenlegt, entgeht aber der Strafverfolgung. Insgesamt wurden den hiesigen Steuerbehörden über 260 Millionen Euro Kapital angezeigt, das zuvor nicht bekannt war. Über 50 Millionen Euro Steuergeld sind davon in die Staatskasse geflossen.
Von Julia Schmitt
262.258.000 Euro. Ein supergroßer Batzen Geld. So groß ist die Summe der Gelder, die nicht bei hiesigen Finanzämtern versteuert worden sind und von der die Steuerbehörde erst durch Selbstanzeigen erfahren hat. Seit 2010, so ergeben unsere Recherchen, haben 2.135 Steuerbetrüger sich selbst angezeigt, um einer möglichen Strafverfolgung zu entgehen. Und in der Staatskasse klingelt es: Gut 51 Millionen Euro Steuern kamen so zusätzlich zusammen. Durchschnittlich haben die Steuersünder pro Person rund 123.000 Euro in der Schweiz oder Liechtenstein „schwarz“ gebunkert.
Vergleichszahlen, wie viele Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehungen es früher gab, hat Sabine Müller nicht. Sie ist Pressereferentin der Oberfinanzdirektion Karlsruhe. Die Selbstanzeigen, sagt sie, werden erst seit dem 12. Febraur 2010 erfasst:
Damals wurde die erste Steuerdaten-CD von Nordrhein-Westfalen angekauft. Davor gab es einfach keinen Grund diese zu zählen.
Deutschlandweit geht seitdem die Angst um. „Berühmte“ Fälle wie die Verurteilung des früheren Post-Monagers Klaus Zumwinkel machen klar, dass Steuerbetrug kein Kavaliersdelikt ist. Übersteigt die Summe der hinterzogenen Steuern 50.000 Euro geht es in die Strafverfolgung, sofern die Behörden einen Verdacht haben – außer, man zeigt sich selbst an.
Auch in Mannheim und Nordbaden fühlen sich Steuersünder zunehmend unwohl. Die relativ hohe Zahl der Selbstanzeigen erklärt Sabine Müller so:
Die Schweiz ist nicht weit weg.
Keine Spitzenwerte durch den Fall Hoeneß
Den Eindruck, dass sich die Selbstanzeigen vermehrt haben, hat auch Peter Höfer, Pressereferent des Finanzamtes Mannheim-Neckarstadt:
Mit der höheren Gefahr entdeckt zu werden, ist die Zahl der Selbstanzeigen auch gestiegen.
Signifikante Ausschläge in der Zahl der Selbstanzeigen gibt es jedoch nicht. „Seit 2010 treffen beständig gleich viele Selbstanzeigen ein“, sagt Frau Müller. Prominente Steuersünder wie Uli Hoeneß oder Alice Schwarzer animierten also nicht mehr und nicht weniger zur eigenen Selbstanzeige:“Das überrascht mich auch.“
Die Abteilung „Straf- und Bußgeldsachenstelle“ beim Finanzamt Mannheim Neckarstadt hat seit dem Kauf der „Steuerdaten-CDs“ und der damit einhergehenden Berichterstattung viel zu tun. Die Stelle ist noch zuständig für die Finanzämter Mannheim Stadt, Heidelberg, Mosbach, Sinsheim, Schwetzingen und Weinheim.
Alle Selbstanzeigen, die in die Zuständigkeiten dieser Ämter fallen, bearbeitet das Team in der Neckarstadt. Wie Abteilungsleiter Thomas Frischmann mitteilt, arbeiten dort derzeit elf Sachbearbeiter. Die Zahl wurde im Zuge der vermehrten Steueranzeigen „um zwei Personen erhöht“, erklärt er. „Wir machen hier eigentlich die Arbeit eines Staatsanwaltes bei Steuersachen“, erklärt Herr Frischmann die Tätigkeit seiner Abteilung. Dazu gehören aber nicht nur Selbstanzeigen, sondern auch die Anzeigen durch Ämter oder die Steuerfahndung:
Wir haben hier viel zu tun, sowohl mit Selbstanzeigen als auch ohne.
In Baden-Württemberg arbeiten nach Angaben der Oberfinanzdirektion Karlsruhe 100 Sachbearbeiter in Straf- und Bußgeldsachenstellen sowie ungefähr 330 Steuerfahner in elf Steuerfahndungsstellen. Den elf Sachbearbeitern im Finanzamt Mannheim Neckarstadt arbeiten 40 bis 50 Steuerfahnder zu, sagt Thomas Frischmann und erklärt: „Die Steuerfahndung ist die Polizei und wir sind die Staatsanwaltschaft.“
Über 260 Millionen Euro nicht versteuert
Seit dem 12. Februar 2010 hat die Abteilung von Sachgebietsleiter Frischmann 2.135 Selbstanzeigen bearbeitet (Stand: 10.02.14). Im Rahmen dieser Selbstanzeigen geht es um Beträge mit einer Gesamtsumme von 262.258.000 Euro, für die nacherklärt werden musste. Deutsche Staatsbürger haben also in der Schweiz und Liechtenstein über 260 Millionen Euro versteckt, ohne dass der deutsche Staat von dem Geld wusste. Die daraus ermittelten nachzuzahlenden Steuern belaufen sich auf über 50 Millionen Euro für die Staatskasse.
Nach Angaben der Oberfinanzdirektion Karlsruhe waren dies Ertragssteuern, in der Regel Einkommenssteuern von knapp 44 Millionen Euro und Erbschaftssteuern von rund 7,4 Millionen Euro. Diese werden nun von den Finanzämtern verbucht, die die Steuern jeweils festgesetzt haben – also die, für die die „Straf- und Bußgeldsachenstelle“ zuständig ist. Die Beträge basieren nach Angaben vorerst zu einem großen Teil auf „geschätzten Besteuerungsgrundlagen“ – es ist also damit zu rechnen, dass sie noch höher ausfallen werden und Bundesfinanzministger Wolfgang Schäuble sich auf weitere Zahlungen in die deutsche Staatskasse freuen darf. Am Sonntag war er bei Günther Jauch zu Gast und verteidigte das Instrument der Selbstanzeige, die zur Straffreiheit führen kann.
Im Durchschnitt hat jeder „Selbstanzeiger“ einen Betrag von 122.791 Euro nicht versteuert. Unternehmen oder Gesellschaften betrifft das nicht. Nach deutschem Recht ist die Selbstanzeige nur Einzelpersonen möglich, die ihr Privatvermögen und die daraus erwirtschafteten Zinsen vor dem Fiskus verstecken, wie Sabine Müller mitteilt.
Vorraussetzungen für die Selbstanzeige
Damit die Selbstanzeige auch wirklich zur gewünschten Straffreiheit führt, müssen jedoch bestimmte Aspekte eingehalten werden. Nach Informationen der Oberfinanzdirektion Karlsruhe muss das Finanzamt „aufgrund der Angaben in der Selbstanzeige in die Lage versetzt werden, die zutreffenden Steuerbeträge ohne eigene weiterführende Ermittlungen festsetzen zu können.“ Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Vollständigkeit der Anzeige, also alle zu versteuernden Beträge der noch nicht strafrechtlich verjährten Zeiträume müssen darin aufgeführt sein.
Wenn man zehn Euro dabei vergisst, kann es passieren, dass die Selbstanzeige nicht anerkannt wird,
erklärt Peter Höfer, Pressereferent des Finanzamtes Mannheim-Neckarstadt. Es ist aber ausreichend, wenn die Beträge zunächst in „ausreichender Höhe geschätzt und dann zeitnah konkretisiert wird“, so die Oberfinanzdirektion.
„Bezogen auf den Zuständigkeitsberech des Finanzamts Mannheim-Neckarstadt wurde bislang keine der Selbstanzeigen mit Bezug zu Kapitalanlagen in der Schweiz bzw. Liechtenstein als unwirksam verworfen“, sagt Sabine Müller. Wie lange solch eine Bearbeitung einer Selbstanzeige dauert, kann sie pauschal nicht sagen: „Das ist sehr unterschiedlich. Wenn alles vollständig aufgearbeitet abgegeben wird, geht das relativ schnell, gibt es aber Unklarheiten dauert die Nachermittlung länger und bei einem Auslandsbezug muss aufwendiger geprüft werden.“
Ab 50.000 Euro Strafzuschlag
Mit Straffreiheit darf jedoch nicht gerechnet werden, wenn der hinterzogene Betrag höher als 50.000 Euro ist. Dies ist so im Paragraf 371 Absatz 2 Nummer 3 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Laut der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe wird aber von der Verfolgung der Straftat abgesehen, wenn der betroffene Selbstanzeiger einen „Strafzuschlag“ in Höhe von fünf Prozent des hinterzogenen Betrags an den Staat zahlt.
Ob die dann durch das Finanzamt festgesetzten Steuern vollständig entrichtet wurden, prüft wiederum die Straf- und Bußgeldsachenstelle. Ist dies der Fall, wird das Ermittlungsverfahren ohne weitere strafrechtliche Konsequenzen eingestellt.