Herxheim, 10. Dezember 2015. (red/ms) Aktualisiert. Nicht einmal sieben Tage liegen zwischen den Vorfällen: Am 04. Dezember haben Unbekannte versucht, eine geplante Asylbewerberunterkunft in Herxheim in Brand zu setzen. Die Einrichtung war noch nicht bewohnt. In der vergangenen Nacht kam es erneut zu einem Brand – diesmal waren neun Menschenleben in Gefahr. Die Ermittlungsgruppe „Rennbahn“ wurde eingerichtet und prüft einen versuchten Mord. Die Schutzmaßnahmen für Flüchtlingsunterkünfte in Landau sollen verstärkt werden.
Von Minh Schredle
Mehr als 220 gewalttätige Angriffe auf Flüchtlingsheime in Deutschland. Allein in diesem Jahr. Nicht irgendwelche Kleinigkeiten, Delikte wie fremdenfeindliche Schmierereien schon aussortiert – zählt man die mit, kommt man auf rund 750 Vorfälle. Das sind die Ergebnisse einer Recherche von Die Zeit.
Es gibt Brände in Unterkünften, die nicht durch rassistische Straftagen bedingt sind. Beispielsweise weil Herdplatten falsch bedient wurden. Das ist aber lange kein Grund, die Augen zu verschließen: Rechtsextremistische Anschläge auf Flüchtlingsheime finden deutschlandweit fast im Wochentakt statt. Übrigens nicht nur im Osten – auch hier in der Region.
Im pfälzischen Herxheim hat es innerhalb von nicht einmal sieben Tage gleich zwei Vorfälle gegeben: Am 04. Dezember haben Unbekannte versucht, ein ehemaliges Technologie-Zentrum in Brand zu setzen. Hier sollte eine Flüchtlingsunterkunft für 800 Menschen eingerichtet werden. Nach Polizeibericht wurden drei Kanister mit brennbarem Material aufgefunden – ein klares Indiz für Brandstiftung.
Keine Verletzten
Es entstand lediglich ein Sachschaden. Die Unterkunft war noch nicht bezogen – im Gegensatz zu der Einrichtung in der Sankt Christopherus-Straße, die in der vergangenen Nacht in Flammen stand: Hier leben seit wenigen Tagen neun Asylsuchende in den Räumlichkeiten des DRK Ortsvereins Herxheim. Außerdem wird ein Zimmer als Kleiderkammer verwendet.
Nach Mitteilung der Polizei waren mit Feuerwehr, Rettungsdienst, Schnelleinsatzgruppe und THW insgesamt rund 150 Rettungskräfte im Einsatz. Der Brand wurde gegen 02:10 Uhr gemeldet. Die Löscharbeiten dauerten bis in die frühen Morgenstunden an. Die Flüchtlinge haben den Brand rechtzeitig bemerkt und konnten die Unterkunft eigenständig verlassen, ohne zu Schaden zu kommen.
Wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilen, sind die Ermittlungen eingeleitet. Auch der Tatbestand des versuchten Mordes werde geprüft, da neun Menschen potenziell ihr Leben hätten verlieren können. Man ermittle allerdings noch „in alle Richtungen“, teilt eine Sprecherin der Polizei mit.
Brandentstehung unklar
Entgegen anderslautender Meldungen sind nach Angaben der Polizei noch keine Erkenntnisse über den Brandhergang gesichert. Zahlreiche Medien hatten berichtet, das Feuer sei vermutlich in der Kleiderkammer entsprungen und habe sich von dort ausgebreitet – bei dieser Information beziehen sie sich überwiegend auf einen Bericht des SWR. Eine Sprecherin der Polizei will das auf Rückfrage des Rheinneckarblogs allerdings nicht bestätigen. Die Feuerwehr sei noch immer vor Ort, um den Hergang des Vorfalls zu rekonstruieren.
Sofern weitere Erkenntnisse folgen, werden sie hier berichtet. Momentan lassen sich noch keine Feststellungen über Tatverdächtige und mögliche Motive machen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wird weder ausgeschlossen noch bestätigt. Nach der Brandstiftung am 04. Dezember wirkt ein rechtsextremer Hintergrund allerdings wahrscheinlich.
Den Recherchen von Die Zeit zufolge ist die Aufklärungsquote bei Anschlägen auf Flüchtlingsheime erschreckend gering. Trotz mehr als 220 dokumentierten Vorfällen habe es bislang nur vier Verurteilungen gegeben. Nur in 41 Fällen konnten Tatverdächtige ermittelt werden. Bei etwa 170 Anschlägen habe es bislang keine Ermittlungserfolge gegeben.
Aktualisierung, 10. Dezember, 13:19 Uhr:
Nach Meldung der Polizei wurde die Ermittlungsgruppe „Rennbahn“ unter Leitung des Chefs der Kriminalpolizei in Ludwigshafen, Kriminaldirektor Heiner Schmolzi, eingerichtet. Nachdem die Löscharbeiten soweit beendet sind, wird die Polizei den Brandort mit Spezialkräften der Kripo (Brandermittler) voraussichtlich heute noch begehen und erste Ermittlungsmaßnahmen durchführen können.
In enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Landau werden auch Gutachter und Brandsachverständige hinzugezogen, heißt es in einer Pressemitteilung. Ziel sei es, die Brandursache schnellstmöglich festzustellen. Die Polizei verstärke außerdem die Schutzmaßnahmen an den Flüchtlingsunterkünften im Bereich Landau.
Im Bereich der St. Christophorus-Straße ist weiterhin mit Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen. Die Polizei Ludwigshafen hat ab sofort ein Hinweistelefon mit der Rufnummer 0621 /963 – 2617 eingerichtet.
Aktualisierung, 10. Dezember, 15:00 Uhr:
Gemeinsame Erklärung der Staatsanwaltschaft Landau und des Polizeipräsidiums Rheinpfalz:
„Die gemeinsamen Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei dauern an. Die Begehung des Brandortes gestaltet sich jedoch als schwierig, wodurch die kriminaltechnischen Untersuchungen zeitaufwendig sein werden.
Das Feuer hatte im Westteil des Gebäudekomplexes einen hohen Sachschaden verursacht. Betroffen war ein Lagerraum des Deutschen Roten Kreuzes. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wegen des Vorfalles am 04.12.2015 wurde am heutigen morgen eine Person im Raum Landau überprüft.
Es konnten jedoch keine Verdachtsmomente gewonnen werden, die weitere strafprozessuale Maßnahmen erforderlich gemacht hätten.“
Aktualisierung, 11. Dezember, 12:05 Uhr:
Information der Staatsanwaltschaft Landau und Polizeipräsidium Rheinpfalz:
„Die Sankt-Christophorus-Straße wurde ab 14:30 Uhr für den Fahrzeugverkehr wieder freigegeben. Ein Brandmittelspürhund der Polizei war im engeren Bereich der Brandstelle mehrfach im Einsatz. Allerdings schlug das Tier nicht an.
Die Ermittlungen der Kriminaltechnik werden mit Hochdruck weiter geführt. Nach wie vor ist es schwierig, den Brandort gründlich zu untersuchen. Hierzu müssen zuerst größere Mengen von sog. Brandschutt abgetragen werden. Derzeit gibt es keine neuen Hinweise auf die Ursache des Feuers.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird sich am Abend persönlich ein Bild vom Ausmaß des Brandes im Waldstadion Herxheim verschaffen.“
Aktualisierung, 11. Dezember, 12:11 Uhr:
Information der Staatsanwaltschaft Landau und Polizeipräsidium Rheinpfalz:
„Polizei und Staatsanwaltschaft haben heute Morgen ihre Arbeit am Brandort fortgesetzt. Ein Brandsachverständiger und die Kriminalpolizei sind am Tatort und betreiben die weitere Ursachenforschung. Die Arbeiten gestalten sich äußerst schwierig und zeitaufwändig, da der Brandort schwer begehbar ist und der Brandschutt Schicht für Schicht abgetragen werden muss.
Im Laufe des Tages wird nochmals ein Brandmittelspürhund eingesetzt.
Die Befragungen der Bewohner werden bis zum Nachmittag abgeschlossen sein. Bisher konnten weder von Bewohnern noch von Anwohnern ermittlungsrelevante Hinweise erlangt werden.“