Heidelberg/Mannheim/Rhein-Neckar, 10. September 2015. (red/pro) Nach unseren Informationen wird die Zahl der auf Patrick Henry Village (PHV) untergebrachten Flüchtlinge von aktuell gut 2.700 auf 3.700 in den nächsten Tagen steigen. Und in Mannheim sollen die Spinelli Barracks als mögliche Flüchtlingsunterkunft geprüft werden.
Was zu erwarten war, wird wohl in den kommenden Tagen eintreten: Die Zahl der Flüchtlinge auf Patrick Henry Village wird nicht, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch vor wenigen Wochen vor Ort versprochen hatte, sinken, sondern deutlich zunehmen.
Viel zu wenig Kapazitäten
Hintergrund sind die weiter steigenden Zahlen der Asylsuchenden aus aller Welt. Allein aus Ungarn waren übers Wochenende mehr als 22.000 Menschen nach Deutschland gekommen. Aktuell sollen dort weitere 165.000 Menschen weiterreisen wollen – die meisten mit Ziel Deutschland.
Baden-Württemberg hatte nach Schätzungen des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF) noch zum Ende der ersten Jahreshälfte lediglich mit 50.000 Flüchtlingen gerechnet. Dann wurde die Zahl auf 80.000 angehoben, dann auf 100.000. Berechnet wird dies anhand der Gesamtzahl von angenommenen 800.000 für ganz Deutschland. Diese Zahl wird vermutlich auf über eine Million Menschen anwachsen. Da der Südwesten nach dem „Königsteiner Schlüssel“ knapp 13 Prozent aufnehmen muss, wären das dann mindestens 130.000 Menschen.

Warten auf die Essensausgabe auf PHV. Foto: Archivbild
Aktuell verfügt das Land über rund 12.000 Plätze in Landeserstaufnahmeinrichtungen (LEA) und so genannten Bedarfsorientierten Erstaufnahmeeinrichtungen (BEA) – belegt sind diese Unterkünfte aber mit rund 20.000 Menschen. In diesem Jahr sollen weitere Plätze entstehen – ingesamt dann 21.000. Tatsächlich erreichen aber täglich gut 500 Menschen das Land – das wären bis Jahresende weitere 55.000 Menschen. Doch es werden mehr werden, weil in den Wintermonaten immer mehr Flüchtlinge kommen als im Sommer.
1.000 Flüchtlinge aus Sinsheim nach Heidelberg?
Von Seiten der Landesregierung wird geschwiegen – es gibt bislang keine offiziellen Informationen. Nach unseren Recherchen werden aber bereits seit einiger Zeit Vorbereitungen auf PHV getroffen, um dort weitere Menschen unterzubringen. Wir hatten schon vor Wochen berichtet, dass wir angesichts der Lage von 4.-6.000 Asylsuchenden auf PHV ausgehen.
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„Selbstverständlich wird schneller abgeschoben“
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Vor Ort in Heidelberg wird das für Ärger sorgen. Der Ministerpräsident hatte Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner zugesagt, nur 1.000 Menschen auf PHV unterzubringen, in Ausnahmefällen auch 2.000 Personen. Dies wurde vom Integrationsministerium auch schriftlich bestätigt. Diese Vereinbarung wird nicht zu halten sein – die Begründung wird die „Ausnahmelage“ sein. Gestern hatte Baden-Württemberg kurzfristig einen Aufnahmestopp verfügt.
In Sinsheim sind statt der ursprünglich angekündigten 500 Flüchtlinge in einer Messehalle schnell 1.500 Menschen in einem Notlager untergebracht worden – diese Halle muss bis spätestens Montag Nacht geräumt werden. Vermutlich werden rund 1.000 Flüchtlinge nach Heidelberg umgezogen. Die verbleibenden 500 Menschen sollen auf andere LEAs verteilt werden.
Wird auch Spinelli ein Lager?
Unterdessen verdichten sich die Hinweise, dass auch die Spinelli Barracks in Mannheim geprüft werden, ob man dort Flüchtlinge unterbringen kann. Das weitläufige Areal bietet einige Wohnhäuser, aber auch Hallen, die sich als Notlager einrichten ließen. Nach unseren Informationen wehrt sich auch Mannheim gegen die dortige Unterbringung, weil die Stadt durch den Zuzug von offiziell 12.000 Menschen aus Südosteuropa (inoffiziell mehr als 15.000 Menschen aus Bulgarien, Rumänien) aufnehmen musste und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz von der „größten Herausforderung“ für die Stadt spricht.
Unterdessen kommt es immer häufiger zu gewalttätigen Konflikten in verschiedenen Einrichtungen. Insbesondere die Sicherheitslage auf PHV ist fragil. In der Mannheimer BEA Benjamin Franklin Village wurden vor zwei Tagen zwei Mitarbeiter des Wachdienstes und eine Polizistin leicht verletzt, als ein betrunkener Russe randalierte.
Wir kritisieren seit langem die Informationspolitik der Landesregierung und des Regierungspräsidiums. Journalisten dürfen beispielsweise die Einrichtungen nur zu festen Terminen tagsüber unter Begleitung von Regierungsmitarbeitern besuchen.