Rhein-Neckar, 09. März 2016. (red/cr) Seit dem 08. Januar ist die „kritische Edition“ von Hitlers „Mein Kampf“ auf dem deutschen Buchmarkt. Jahrelang haben Historiker an ihr gearbeitet, die mediale Aufmerksamkeit war groß. Nach zwei Monaten ist die zweite Auflage ausverkauft – das Buch geht weg wie warme Semmeln. 24.000 Exemplare sind verkauft, die dritte Auflage bereits gedruckt.
Von Christin Rudolph
»Mein Kampf« ist Hitlers zentrale politische Niederschrift. Eine der Hauptquellen des nationalsozialistischen Ideologie. Stilisierte Autobiografie, Ideologie, Parteigeschichte, Hetze und eine Anleitung zur Erringung der Macht kommen in ihr zusammen.

Originalausgaben von „Mein Kampf“; Foto: Institut für Zeitgeschichte/Alexander Markus Klotz
Woran Hitler glaubte und was er wollte steht in diesen zwei Bänden. Fast jeder kennt den Buchtitel, doch wenn man es einmal selbst in der Hand halten oder „sogar“ lesen wollte, musste man auf Antiquitäten zurückgreifen, denn Neuauflagen waren bis zum Jahresanfang verboten. Der Bayerische Staat hielt die Autorenrechte. 70 Jahre nach Hitlers tot sind diese nun erloschen.
Der Bann ist gebrochen
Seit dem 08. Januar 2016 ist mit „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition“, eine Fassung mit wissenschaftlichen Anmerkungen, auf dem deutschen Buchmarkt.
Aber wer verlegt „so ein Buch“? Das Münchener Institut für Zeitgeschichte befasst sich mit der gesamten deutschen Zeitgeschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart und hat in der Vergangenheit mehrmals Aufzeichnungen von NS-Größen publiziert. Finanziert wird diese außeruniversitäre Forschungseinrichtung von Bund und Ländern.
Ideologie entzaubern
An der kritischen Fassung von „Mein Kampf“ wurde am Institut für Zeitgeschichte jahrelang gearbeitet. Historikerinnen und Historiker haben den Originaltext Stück für Stück auseinandergenommen und mehr als 3.500 Anmerkungen hinzugefügt. Wissenschaftlichen Kommentare liefern Hintergrundformationen zu Personen und Ereignissen und erläutern zentrale ideologische Begriffe.

Die Herausgeber Thomas Vordermayer, Othmar Plöckinger, Christian Hartmann und Roman Töppel (von links nach rechts); Foto: Institut für Zeitgeschichte/Alexander Markus Klotz
Außerdem werden Hitlers Quellen und gedankliche Vorläufer seiner Weltanschauung offengelegt und der zeitgenössischen Kontext rekonstruiert. Sachliche Fehler und einseitige Darstellungen werden durch Fakten entkräftet.
Die beiden Bände sollen historisch-politisch aufklären und sich deshalb bewusst in Form und Stil an einen breiten Leserkreis wenden, so die Absicht des Instituts für Zeitgeschichte. Soweit die Theorie.
Grauer Wälzer oft nachgefragt

Foto: Institut für Zeitgeschichte
1.966 Seiten, über 3.500 wissenschaftliche Anmerkungen, schlichter grauer Umschlag, 59 Euro. Eigentlich nicht die Eckdaten eines Kassenschlagers.
Aber es ist „das Buch“. Umweht vom Hauch des Geheimnisvollen, des Verbotenen. Wie gut oder schlecht verkauft es sich also?
Die erste Auflage von „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition“ umfasst 4.000 Exemplare. Die waren alleine schon durch die Vorbestellungen so gut wie verkauft. In den meisten Buchhandlungen war das Buch also zum Erscheinungsdatum schon vergriffen.
Auf Amazon wurden und werden immer noch Exemplare zu überzogenen Preisen ab 100 bis zu einigen Hundert Euro angeboten.
Mediale Debatte fördert Verkauf
Das Institut für Zeitgeschichte hatte einfach nicht mit so einem großen Interesse gerechnet.
Die große mediale Aufmerksamkeit vor und kurz nach der Veröffentlichung am 08. Januar hat wohl einiges dazu beigetragen, das Interesse deutlich zu steigern.
Inzwischen sind um die 24.000 Exemplare verkauft, man sei bei der dritten Auflage, so das Institut für Zeitgeschichte. Aber wie groß ist das Interesse hier in der Region?
Viele „gucken nur“

Wegen der Lieferengpässe kursieren auf Plattformen wie Amazon Angebote mit teils astronomischen Preisen. Quelle: Amazon
Die Buchhandlung Schmitt & Hahn in Heidelberg berichtet, das anfangs sehr große Interesse habe sich auf ein normales Niveau eingependelt.
Der Großteil der Kunden wolle „nur mal gucken“. Dafür habe die Filiale immer zwei bis drei Exemplare vorrätig. Die anstrengende Lektüre des Wälzers tuen sich die meisten Kunden aber nicht an.
Viele derer, die das Buch tatsächlich kaufen, hätten beruflich mit Geschichte zu tun. Vor allem Lehrer würden das Buch durcharbeiten und teilweise sogar für Projekte mit ihren Klassen nutzen.
Der Thalia-Konzern, der auch in Mannheim eine Filiale betreibt, verzeichnet eine rege Nachfrage, die er auf die Medienpräsenz zurückführt.
Eine unveränderte Fassung von „Mein Kampf“ wird es wohl nicht geben – denn auch wenn die Rechte mittlerweile gemeinfrei sind – der Inhalt dürfte ohne Einordnung nach wie vor unter den Straftatbestand der Volksverhetzung fallen.