Hemsbach/Heidelberg, 09. März 2016. (red/pro) In der Nacht vom 04. auf den 05. März fallen Schüsse in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft. Der Schütze wird festgenommen – die Polizei ermittelt und erkennt keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Nähere Auskünfte werden nicht erteilt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Der tatverdächtige Schütze kann festgenommen werden. Ein weiterer Mann ist flüchtig – nach unseren Informationen könnte es noch weitere Personen geben, die Gruppe soll aus vier bis sechs Personen bestanden haben.
Es ist Wochenende. Bereits nach zwei Tagen Ermittlungsarbeit geht die Polizei davon aus, dass keine fremdenfeindlich motivierte Tat vorliegt. Was aber das Motiv sein kann, warum ein 20-jähriger Mannheimer aus Rheinau nach Hemsbach fährt, eine Schreckschusswaffe mit sich führt und mit dieser in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft herumballert, teilt die Polizei nicht mit.
Fremdenfeindlicher Terror
Der Vorgang erinnert stark an den „Böllerwurf“ von Freiberg (Sachsen). Böller hört sich harmlos an – nach Silvesterkracher. Tatsächlich wurde ein „Polenböller“ gezündet, der die Tür zu einer Wohnung aus den Angeln sprengte, erheblichen Sachschaden anrichtete. Wäre bei der Detonation jemand in der Nähe gewesen, wären massive Verletzungen die Folge gewesen. Böller klingt verharmlosend.
Die Täter hat man bislang nicht ermittelt.
Möglicherweise hat die Polizei komplett veraltete Ermittlungsansätze. Findet man kein NPD-Material unterm Kopfkissen oder „Blood&Honour“-Devotionalien, hat der Tatverdächtige keine Glatze und irgendwo eine SS-Ruine tätowiert, dann, ja dann findet man halt keine „typischen“ Merkmale und dann, ja dann liegen auch keine Hinweise für einen fremdenfeindlichen Anschlag vor. Akte zu.
Viele offene Fragen
Klar, es kann schon so sein, dass ein depperter 20-Jähriger aus lauter Lust am Blödsinn mitten in der Nacht ganz zufällig eine Waffe in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft abfeuert.
Tatsächlich sollte die Polizei alles daran setzen, die Hintergründe aufzuklären. Warum besitzt der 20-Jährige eine Waffe? Wie lange schon? Wo hat er bisher rumgeballert? Wie sind seine Lebensumstände? Warum um alles in der Welt machte er sich von Rheinau nach Hemsbach auf den Weg? Was war die Motivation, die Waffe gleich mehrfach abzufeuern? Warum dort – in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft?
Es geht dabei nicht nur um polizeiliche Ermittlungen, sondern ganz entscheidend auch um den gesellschaftlichen Frieden. Bürger rüsten sich auf, ziehen Waffen und feuern – das darf nicht sein. Das sind erste Grenzverletzungen, denen weitere folgen bis irgendjemand zu Schaden kommt.
A propos: Wer denkt eigentlich an die Flüchtlinge? Wer erklärt Ihnen, was es mit den Schüssen auf sich hat? Wer nimmt Ihnen die Angst?
Das sind alles offene Fragen, die zu klären sind, bevor die Akte zugemacht wird und dieser Fall in keiner Statistik auftaucht.
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