Rhein-Neckar/Eberbach, 08. Januar 2013. (red/pro) Der grüne Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl zeigt sich wie alle Menschen tief betroffen vom Doppelmord in Eberbach, bei dem ein Lehrer und Stadtrat sowie seine Ehefrau, eine Kinderärztin am vergangenen Freitag erschossen im Wohnhaus aufgefunden worden sind. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Stuttgarter Landtag äußert sich im Exklusiv-Interview angesichts der Bluttat kritisch gegenüber dem deutschen Waffenrecht und dem Besitz von Waffen.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Sckerl, zwei Menschen sind kaltblütig im beschaulichen Eberbach umgebracht worden. Die beschauliche Stadt im Odenwald trauert um die Eheleute, zwei engagierte, beliebte und friedliche Mitbürger, die, wie nun feststeht, bereits in der Nacht zum 2. Januar gezielt vom Ex-Freund der Frau erschossen worden sind. Der zweijährige Enkel überlebte vermutlich nur durch Zufall. Wie haben Sie das aufgenommen?

Der Jurist Hans-Ulrich Sckerl ist Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis 39 Weinheim und innenpolitischer Sprecher von Bündnis90/Die Grünen. Er fordert seit Jahren mehr Kontrollen und ein schärferes Waffengesetz. Fot0: privat
Hans-Ulrich Sckerl: Mit Entsetzen wie wohl alle Menschen im Land. Das ist einfach furchtbar. Ich hoffe vor allem für die Tochter, das Enkelkind und die gesamte Familie, dass sie dieses traumatische Erlebnis irgendwie verarbeiten können.
Sie haben bereits vor drei Jahren in einem Interview mit unserer Redaktion eine verstärkte Waffenkontrolle gefordert – jetzt sind die Grünen an der Macht. Wann kommen die stärkeren Kontrollen?
Sckerl: Die sind bereits auf den Weg gebracht, aber es muss noch besser werden. Das Innenministerium hat seit 2011 die Kontrolldichte erhöht und es gibt vermehrt unangemeldete Kontrollen, ob Waffen legal besessen werden und sachgerecht aufbewahrt werden. Aber die unteren Waffenbehörden sind personell zu schwach besetzt und die Kontrollen sind nur ein Teil der Lösung auf dem Weg zu weniger Waffen. Noch wichtiger wäre, das Waffengesetz zu verschärfen. Doch das ist nicht Länder- sondern Bundessache.
„Waffen sollten überhaupt nicht privat aufbewahrt werden dürfen“
Was sollte da geändert werden?
Sckerl: Grundsätzlich sind wir gegen den privaten Besitz großkalibriger Waffen. In jedem Fall muss die Aufbewahrung bei allen privaten Waffen neu geregelt werden. Mir wäre am liebsten, dass Waffen überhaupt nicht privat aufbewahrt werden dürfen, aber das ist sehr schwierig umzusetzen. Auf jeden Fall aber sollten Waffen und Munition getrennt aufbewahrt werden, damit der unmittelbare Zugang deutlich erschwert wird.
Was ist daran schwierig?
Sckerl: Ein Beispiel sind Jäger, das habe ich lernen müssen. Wenn die einem verletzten Unfalltier den Gnadenschuss geben, häufig nachts, irgendwo im Wald, brauchen die eine Waffe und Munition dafür. Bei einem Sportschützen kann ich aber keinen einzigen Grund erkennen, warum Waffen und Munition nicht getrennt aufbewahrt werden sollten.
Das wird die Sportschützen nicht freuen.
Sckerl: Ich habe überhaupt nichts gegen Sportschützen und will auch nicht, dass sie diesen Sport nicht mehr betreiben können. Aber es gibt zu viele Fälle, bei denen Menschen durch Waffen von Sportschützen umgekommen sind, Erfurt und Winnenden sind besonders dramatische Beispiele.

Die Menschen in Eberbach waren fassungslos. Zunächst wusste niemand, warum der Lehrer und die Kinderärztin sterben mussten. Die Ermittlungsbehörden fanden heraus, dass der Exfreund der Ärztin vermutlich aus verzweifelten Motiven handelte. Als Sportschütze hatte er großkalibrige Waffen, die auch das Militär benutzt. Mit einer Pistole erschoss der geübte Schütze das Ehepaar kaltblütig. Beide traf er ins Herz, bei der Frau setzte er einen Nachschuss in den Kopf an.
„Hier steht Geschäft gegen ein Recht auf Sicherheit der Bürger.“
Warum verschärft die Bundesregierung das Waffengesetz Ihrer Meinung nach nicht?
Sckerl: Da ist eine mächtige Lobby am Werk, der es um’s Geschäft geht. Mit Waffen lässt sich eben nicht nur in Amerika viel Geld verdienen – letztlich auf Kosten der Sicherheit der Bevölkerung. Die Menschen haben ein Recht auf Sicherheit und das wird durch das aktuelle Waffengesetz, eine vielerorts zu lasche Handhabung und durch viele Vollzugsdefizite verletzt.
Was können Sie unternehmen?
Sckerl: Mit dem Innenminister herrscht Einigkeit darüber, dass wir eine Bundesratsinitiative zur Eindämmung des privaten Waffenbesitzes einbringen wollen. Aber dafür brauchen wir Verbündete, damit das zum Tragen kommt. Das ist harte Überzeugungsarbeit gefragt, damit wir an den aktuellen Zuständen was ändern können.
Was sollte ein neues Waffengesetz regeln?
Sckerl: Wie gesagt, halte ich eine Trennung von Waffen und Munition für wichtig. Wie man das regelt, muss halt verhandelt werden. Weiter wünsche ich mir eine regelmäßigere und strengere Eignungsprüfung, ob der Betreffende zum Waffenbesitz auch fähig ist. Da viele Menschen zahlreiche Waffen und hohe Mengen an Munition zu Hause lagern, muss der Bedarf sehr kritisch auf den Prüfstand. Bei jemandem, der nicht ernsthaft und pflichtbewusst seinem Sport nachgeht, muss angeordnet werden können, dass er die Waffen abzugeben hat.
„Der Doppelmord zeigt alarmierend, dass hier Handlungsbedarf besteht.“
Der Doppelmörder von Eberbach ist 2004 Mitglied in einem Schützenverein geworden und ist regelmäßig zum Schießtraining gegangen.
Sckerl: Das zeigt, dass auch die psychologische Verfassung eines Menschen einen einmal erteilten legalen Waffenbesitz sehr problematisch machen kann. Hier wird zu untersuchen sein, welche Überprüfungen des Waffenbesitzes es seit 2004 gab, ob eine Überprüfung der Eignung stattgefunden hat. Im aktuellen Eberbacher Fall war der Täter wohl in einer psychisch sehr labilen Verfassung. Gleichzeitig war er ein trainierter Leistungsschütze. So jemand darf aber gar keine Waffe besitzen.

Der Sportschütze verwendete für seinen Doppelmord ein deutsches Fabrikat, eine SIG Sauer 9 Millimeter. Die Pistole ist selbstladend und wird vor allem vom Militär eingesetzt. Abbildung ähnlich. Quelle: Wikipedia, Rama, CC BY-SA 2.0 FR
Er hatte sieben Waffen und eintausend Schuss Munition sowie Jagd- und Kampfmesser.
Sckerl: Das zeigt doch in alarmierendem Umfang, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Wenn jemand so viele Waffen und diese riesige Menge Munition besitzt, dann hat das nach meiner Erfahrung nur noch wenig mit „harmlosem Sport“, aber viel mit einem Waffennarr zu tun.
Der Täter hatte eine weitere Waffe und weitere Munition bei sich. Hätte es noch schlimmer können, wenn beispielsweise eine Polizeistreife ihn angehalten hätte?
Sckerl: Darüber mag ich überhaupt nicht spekulieren. Fest steht, zwei Menschen sind umgebracht worden. Die Familien trauern wie auch die gesamte Eberbacher Bürgerschaft um den Verlust dieser ehrbaren Menschen, die in ihrer Heimatstadt äußerst beliebt waren. Angesichts dieser fürchterlichen Tragödie will ich mich weiter dafür einsetzen, dass die Menschen ihr Recht auf Sicherheit bekommen. Das Recht auf Waffen gehört nicht dazu.