Rhein-Neckar, 07. März 2017. (red/momo) Leitungswasser in Deutschland genießt einen guten Ruf. Zurecht, denn die Qualität hat im Normalfall flächendeckend Trinkwasser-Niveau. Bevor aber das Wasser sauber und chemisch unbedenklich aus dem Hahn kommt, durchläuft es teils Aufbereitungsprozesse. Denn das Grundwasser, welches einen großen Teil des Trinkwassers ausmacht, ist nicht selten mit Schadstoffen belastet. Vor allem Nitrat könnte in Zukunft zum Problem werden.
Von Moritz Bayer
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnte in einem Gutachten vor der zunehmenden Belastung der Böden durch Nitrat und fordert eine „Agrarwende“ in Deutschland. 37 Prozent aller „Grundwasserkörper“ in Deutschland seien mit hoher Nitratkonzentration belastet. Obwohl die „Nitratrichtlinie“ der EU im deutschen Recht durch die „Düngeverordnung“ zwar nominell umgesetzt wurde, leitete die EU-Kommision 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Nach der Ankündigung am 28. April 2016 wurde Deutschland letztendlich vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt, da die Umsetzung bei weitem nicht die gewünschten Ergebnisse erzielte.
Was ist Nitrat und wo liegt das Problem?
Nitrat ist eine anorganische Stickstoffverbindung und ein wichtiger Pflanzennährstoff, der in natürlichen Böden nur begrenzt vorkommt.
Durch künstliche Zugabe steigt das Pflanzenwachstum an, sodass Nitrat als Dünger eingesetzt wird. Da Pflanzen aber eine begrenzte Aufnahmekapazität des Stoffes haben und dieser als Salz wasserlöslich ist, gelangen Nitratüberschüsse als Folge starken Düngens ins Grundwasser.
Hier lagern sich diese ab und verschmutzen den Boden und eventuell darin befindliches Grundwasser auf viele Jahre hinaus. In Deutschland wird mehr als 60 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen, eine entsprechende Verunreinigung hat also gravierende Folgen. Denn eine dauerhaft zu hohe Nitrataufnahme begünstigt Krankheiten wie Krebs. Besonders Kleinkinder und Säuglinge sind desweiteren gefährdet, Methämoglobinämie (Blausucht) zu bekommen, was für sie tödlich enden kann.
Nach der deutschen Trinkwasserverordnung , welche identische Maßstäbe setzt wie die EU-Richtlinie, darf ein Wert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser nicht überschritten werden. Dies gilt unabhängig von der Qualität des Roh-, beziehungsweise Grund- oder Quellwassers. Für Kleinkinder unbedenklich ist Wasser ab einer Konzentration kleiner als 10 Milligramm pro Liter.
Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen ohne Probleme
Da laut dem Nitratbericht der Europäischen Umweltagentur (EUA) 2016 mehr als 18 Prozent der 1.200 Messstellen in Deutschland erhöhte Nitratbelastungen aufweisen, haben wir in einer umfangreichen Recherche eine Übersicht über die Sachlage im Rhein-Neckar-Kreis erstellt. Das Fazit: Die Lage ist in unserem Berichtsgebiet verhältnismäßig gut, aber die Kernproblematik vorhanden.
Mannheim/Schwetzingen versorgt seine Bürger ausschließlich mit aus Grundwasser gewonnenem Wasser. Dabei liefern die drei Wasserwerke Käfertal (3.000 Kubikmeter stündlich, 1,4 Milligramm Nitrat pro Liter), Rheinau (6.300 Kubikmeter stündlich, 21 Milligramm Nitrat pro Liter) und Schwetzinger Hardt (18 Prozent des Mannheimer Bedarfs, 1,1 Milligramm Nitrat pro Liter) allesamt Wasser in absolut unbedenklicher Qualität.
Ähnlich sieht es in Heidelberg und Neckargemünd aus. 70 Prozent des Trinkwassers stammen aus den drei Grundwasseranlagen Entensee, Rauschen und Schlierbach. Diese Anlagen unterschreiten die Nitratvorgaben klar, Schlierbach mit 5-15 Milligramm Nitrat pro Liter, Entensee und Rauschen mit jeweils 5-20 Milligramm Nitrat pro Liter. Fünf Prozent kommen aus sieben Quellen, die kaum messbare Nitratrückstände aufweisen, die restlichen 25 Prozent importiert die Stadt aus umliegenden Verbänden.
Gut hat es auch Ludwigshafen. Das Trinkwasser der beiden Werke Parkinsel und Maudach/Oggersheim kommt aus so großer Tiefe, dass die Nitratwerte lediglich bei 1,7 (Parkinsel) und 2,3 Milligramm Nitrat pro Liter (Maudach/Oggersheim) liegen. Die Aufbereitung von Roh- zu Trinkwasser bedarf hier lediglich einer Reduzierung des Eisen- und Mangananteils, welches ansonsten Farbe und Geschmack beeinträchtigen könnte. Dies hat allerdings einen rein ästhetischer Grund und keinen gesundheitlichen.
Die Problematik der Landwirtschaft
Dass größere Städte mit der Nitratbelastung des Grundwassers relativ wenig Probleme haben, wird klar, wenn man bedenkt, dass die Landwirtschaft in hohem Maße für die Nitratbelastung verantwortlich ist. Waren es beispielsweise bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weniger als 25 Kilogramm Stickstoff pro Hektar im Jahr, der auf landwirtschaftlichen Nutzflächen in Form von Handelsdünger und Stalldung ausgebracht wurde, so stieg der Wert bis zum 21. Jahrhundert auf mehr als 200 Kilogramm an.
Da in ländlichen Gebieten mehr Ackerfläche vorhanden ist, folgt analog, dass der Boden durch die Düngung entsprechend höher belastet ist. Landwirten aber die alleinige Schuld zu geben, wäre zu kurz gedacht. Denn durch Preisdruck und den Wettbewerb im Markt müssen die Landwirte so planen, dass die Zeit zwischen den Aussaaten zweier Ernten möglichst kurz bleibt.
Dies hat zur Folge, dass für eine Zwischenprobe auf etwaigen Nitratüberschuss der Pflanzen während des Wachstums oft keine Zeit mehr bleibt, eine mögliche Nachregulierung der Düngemenge fällt somit aus. Es herrscht also der Grundsatz beim Düngen: Lieber zu viel, als zu wenig. So kommt es bei vielen Böden zu einem dauerhaften Nitratüberschuss, wo er nicht zwingend notwendig und technisch leicht vermeidbar wäre.
Die Problemzonen im Rhein-Neckar-Kreis
Wenngleich es auch in unserem Raum relativ gut aussieht, gibt es im Rhein-Neckar-Kreis mehrere Wassergewinnungsverbände, die ihr Wasser nicht einfach in die Trinkwasserleitungen pumpen können.
Eppelheim hätte zum Beispiel aus seinen beiden zwei Brunnen lediglich Wasser, das mit knapp über 50 Milligramm Nitrat pro Liter belastet ist. Daher wird das vorhandene Wasser mit zusätzlichem Wasser aus der Schwetzinger Hardt gemischt, um den akzeptablen Mittelwert von 26,8 Milligramm Nitrat pro Liter zu erhalten, der dann ohne Bedenken eingespeist werden kann. Der Wert sowie das Mischverhältnis sind seit Jahren stabil.
Probleme gibt es auch in Heddesheim. Das Grundwasser dort liegt mit 70 Milligramm Nitrat pro Liter deutlich über dem erlaubten Höchstwert. Ohne Wasser aus Ladenburg – das mit 43 Milligramm Nitrat pro Liter zwar immer noch im hohen, aber erlaubten Bereich liegt – hätte Heddesheim ein Problem. Nach Mischung ergibt sich ein Nitratgehalt von 45 Milligramm pro Liter. Positiv ist allerdings, dass in den letzten 20 Jahren der Nitratspiegel gesunken ist, sodass zumindest derzeit keine weiteren Maßnahmen geplant werden müssen, um die Trinkwasserqualität aufrecht zu erhalten.
Auch das Wasser der drei Brunnen in Schriesheim hat einen Wert von mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Dort wird es schon etwas komplizierter, denn zum Mischen kommt nitratfreies Wasser aus Hemsbach, welches aber über Weinheim herangeschafft werden muss. Je aufwendiger die Wasserversorgung, desto teurer für den Endverbraucher.
Wilhelmsfeld als Mitglied der Gruppenwasserversorgungsgruppe Eichelberg bekommt Wasser in Trinkwasserqualität, aber wie in Schriesheim ist auch hier Mischwasser aus umliegenden Versorgungsgruppen darunter.
Der Großteil liegt unterhalb des Grenzwertes
In den weiteren Wassergewinnungsverbänden, beziehungsweise den Stadtwerken oder jeweiligen Wasserversorgern der Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises, gibt es derzeit keine Probleme wegen eines übermäßig hohen Nitratwertes. In Lobbach liegen alle drei Brunnen im niedrigen zweistelligen Bereich, auch der Tiefbrunnen in Spechbach ist mit 17 Milligramm Nitrat pro Liter auf der sicheren Seite. In Heiligkreuzsteinach stellt sich die Frage nicht, da hier das von der Landwirtschaft kaum beeinflusste Quellwasser die Grundlage des Trinkwassers ausmacht. Ebenso verhält es sich in Schönbrunn.
Eberbach hat im Grundwasser kaum Nitrat, in Bammental (17 Milligramm pro Liter) und Edingen-Neckarhausen (15-24 Milligramm pro Liter) ist der Nitratwert zwar deutlich messbar vorhanden, aber absolut im grünen Bereich und vor allem in den letzten Jahren nicht gestiegen. In der Gemeinde Heddesbach liegt der Nitratwert bei konstanten 10-15 Milligramm pro Liter.
Einwandfreie Qualität hat das Wasser in Schönau, Dielheim und Neckarbischofsheim/Epfenbach, die beide zur Mühlbachgruppe gehören. Das Wasser des Zweckverbandes Hardtgruppe in St. Leon-Rot wird, wie meist im Bereich des Oberrheingrabens, nur auf Mangan und Eisen gefiltert, um rötlicher Färbung und bitterem Geschmack vorzubeugen. Ähnlich ist es in Waibstadt und Meckesheim, die zwar Bodenseewasser beimischen, aber dies nicht wegen andernfalls zu hoher Nitratbelastung, sondern nur im Hinblick auf die erforderliche Gesamtmenge tun.
Die Tiefbrunnen der Stadtwerke Wiesloch liegen umgeben von Wasserschutzzonen. Dies äußert sich in absoluten Tiefstwerten von weniger als einem Milligramm Nitrat pro Liter.
Die Stadtwerke Sinsheim versorgen auch Zuzenhausen. Die Nitratwerte liegen hier unterhalb des Grenzwertes, erfreulicherweise gingen sie in den letzten Jahren sogar zurück. Auch die Städte Hockenheim und Reilingen verfügen über Grundwasser, das keine hohe Nitratbelastung hat. Hier spielt die große Fläche des nah gelegenen Waldes eine entlastende Rolle. Der Zweckverband Letzenberggruppe hat ebenso wenig ein Problem mit Nitrat wie die Gemeinde Eschelbronn. In beiden Fällen wird es auch in absehbarer Zeit zu keiner gefährlichen Nitratkonzentration im Wasser kommen.
Was bedeutet das?
Entgegen der deutschlandweiten Prognosen scheint Nitrat zu keiner großen Gefahr für das Trinkwasser im Rhein-Neckar-Kreis zu werden. Keiner der Wasserversorger zeigte sich besorgt, dass der Nitratanteil im Wasser derart stark steigen könnte, dass über weitere Maßnahmen nachgedacht werden müsse.
Diese könnten es nämlich in sich haben: Wird eine Denitrifikationsanlage im Wasserwerk nötig, so errechnete der BDEW exemplarisch jährliche Mehrkosten für ein Einfamilienhaus von fast 50 Prozent der durchschnittlichen Verbrauchskosten. Das erklärt den Willen der Versorger, lieber präventiv tätig zu werden: Alle Ansprechpartner teilten uns bei der Recherche mit, dass man Maßnahmen zur Nitratbegrenzung befürworte.
Andere Regionen wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen haben große Probleme mit der Nitratbelastung. Es wäre also wünschenswert, dass von politischer Seite bundesweit Maßnahmen geprüft und schnell umgesetzt werden. Sonst könnte es letzten Endes richtig teuer werden.