Mannheim, 06. November 2012. (red/ld) Auf seiner Deutschlandtour machte das Deutschlandradio Kultur einmal mehr Station in Mannheim. Eine Stunde lang sendete Miriam Rossius aus der Popakademie und versuchte einzufangen, was die Stadt ausmacht. Udo Dahmen (Popakademie), Ulrich Nieß (Stadtarchiv), Hans-Jürgen Buderer (REM), Rainer Kern (Kulturhauptstadtbüro „Mannheim 2020“ und Matthias Jung (Forschungsgruppe Wahlen) versuchten, ihr dabei zu helfen. Die Band „Marie and the Red Cat“ sollte den klanglichen Eindruck der Stadt vermitteln.

Deutschlandradio Kultur machte auf seiner Deutschlandrundfahrt Station in der Popakademie Mannheim.
Gerade läuft noch der Wetterbericht, dann geht es los: Jens Flammanns Stimme aus dem Off preist Mannheim an. Als Stadt der Erfindungen, der Kultur und des Sports. Die hier und da auch ihre hässlichen Seiten hat – wie jede Stadt. Eine davon ist der Jungbusch. Der Hafenstadtteil, in dem die Popakademie steht. Müll auf den Straßen. Hinter den einfallenden Fassaden des ehemals blühenden Viertels reihen sich die Matratzenlager von Einwanderern eng aneinander. Von alledem sehen die Zuschauer der Sendung, hören die Zuhörer an den Radios zuhause, genau nichts.
Musiker aus ganz Deutschland kommen nach Mannheim
Die Popakademie gehört zu den schöneren Ecken. Aus dem gesamten Bundesgebiet kämen die Musiker nach Mannheim, um sich hier zu Popmusikern ausbilden zu lassen. „Das ist ein Beschleuniger“, erklärt Udo Dahmen, Leiter der Popakademie, auf Rossius‘ Frage, warum Popmusiker denn einen akademischen Abschluss brauchen. Sie bekämen viel Wissen und könnten schon im Studium viele Kontakte für ihre Netzwerke knüpfen. So kämen sie auch schon mit den großen Namen der Popmusik wie Xavier Naidoo oder Udo Lindenberg in Kontakt. Brotlose Kunst wird hier laut Dahmen nicht gelehrt:
Alle unsere Absolventen können von der Popmusik sehr gut leben.

Marie and the Red Cat.
Lisa Marie Neumann, Sängerin von „Marie and the Redcat“ kann das bestätigen. Bald sei sie mit ihrem Studium fertig, erzählt sie. Das Studium habe ihr immer wieder Anstöße gegeben, ohne ihr einen Stempel aufzudrücken. Auch das Netzwerken der Musiker untereinander funktioniere gut: „Nächste Woche treten wir als Vorgruppe von Seal auf“, freut sie sich. Abheben wollen die fünf Musiker deshalb aber noch nicht. Deshalb treten sie auch ohne Schuhe auf:
Es ist immer wichtig, den Boden unter den Füßen zu spüren.
Breite Museumslandschaft in den Quadraten
Die quadratische Form des Bodens haben die Mannheimer, laut Ulrich Nieß, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, aber nicht erfunden: „Mittlerweile glauben die Mannheimer, sie hätten die Quadrate erfunden und New York hätte sich das abgeguckt“, scherzt er und erklärt, dass die Quadrate ursprünglich in der Renaissance von der Städtebauweise der Römer wiederentdeckt worden war. Vor allem in den Niederlanden sei sie verbreitet gewesen und schließlich nach Mannheim gelangt. „Warum nimmt man nicht ganz normale Straßennamen?“, fragt Rossius. Alle Versuche, richtige Straßennamen einzuführen seien gescheitert, auch die Versuche, die quadratische Benennung auf die Vororte zu übertragen: „Denen sind dann schnell die Buchstaben ausgegangen“, erklärt Nieß.

Miriam Rossius im Gespräch mit Ulrich Nieß.
Die Museen werden der Stadt so schnell nicht ausgehen, verdeutlicht Hans-Jürgen Buderer von den Reiss-Engelhorn-Museen, der Rossius anschließend erklärt, wie viele Bier er habe trinken und wie viele Spareribs er mit seinen Verhandlungspartnern in Texas habe essen müssen, um von dort die weltweit erste Fotografie aus dem Jahr 1863 von Joseph Nicéphore Niépce nach Mannheim zu holen und auszustellen. „Sie sehen ja selbst“, zeigt Buderer witzelnd auf seinen Bauch.
Entwicklung zur Kulturhauptstadt
Der Bauch von Rainer Kern, Künstlerischer Leiter des Kulturhauptstadtbüros „Mannheim 2020“, scheint immer zu grummeln, wenn er von seinem Projekt spricht, an dem er seit 2008 arbeitet: Mannheim zur Europäischen Kulturhauptstadt machen. Wann das der Fall sein wird, erfährt man erst Ende nächsten Jahres, sagt er. Im Moment sei es das Jahr 2025 – ohne Garantie. Denn dieser Vorschlag sei in den EU-Gremien verhandelbar. Das sei ohnehin zweitrangig. Schließlich gehe es um Stadtentwicklung, und die brauche Zeit: „Wir wollen uns der Herausforderung stellen, wie wir als Stadt im 21. Jahrhundert leben wollen“, versucht er den Kern seines Projekts zu umreißen. Bei einer repräsentativen Antwort auf diese Frage könnte ihm Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen aus Mannheim helfen, der noch kurz erklärt, dass sein Job weniger Statistik als Logistik ist, damit am Wahlabend die Interviewer die Wahlumfragen richtig machen.

Rund 100 Gäste verfolgten die Live-Sendung von Deutschlandradio Kultur in der Popakademie mit musikalischer Begleitung durch Marie and the Red Cat.
Es ist schon beeindruckend wie wenig sich über eine Stadt in einer Stunde sagen lässt. Beim Hinausgehen aus der Aula der Popakademie in den regnerischen Herbstabend könnte man genausogut den Regen vergessen. Wer durch die Hafenstraße, die Beilstraße oder die Jungbuschstraße läuft, der sieht ein anderes Mannheim: Einfallende Industrieruinen, Müll auf den Straßen und Menschen, die auf der Straße rumlungern. Auch das ist Mannheim. Aber es geht auf der Deutschlandrundfahrt ja nicht um die Realitäten der Städte, sondern um deren Sehenswürdigkeiten.