Viernheim/Rhein-Neckar, 06. November 2012. (red/ld/local4u) Sie nennen sich Silke Wolle, Silke Strickliesel und Sandra Stricknadel. Zusammen stricken die drei Viernheimerinnen seit fast einem Jahr ihre Stadt bunter. Die drei haben sich die Namen ausgedacht, weil sie nicht erkannt werden wollen. Wo immer ihnen die Umgebung zu grau ist schlagen sie zu, oder wo es anderen zu grau ist.
Von Lydia Dartsch
Die Idee kam Silke Wolle, der Anführerin der Strickguerilla, als ihre Familie mit Schals ausgestattet war. Bei Pullovern und Socken wollte sie aber nicht weiter machen: „Ich kann nur gerade stricken“, sagt sie. Die Auswahl an Strickwerk schränkte das sehr ein, was sie nicht vom Stricken abhalten sollte. Silke las vom Guerilla-Stricken, das vor einigen Jahren in Texas, Vereinigte Staaten, begonnen hatte, und seitdem in den Vereinigten Staaten, Spanien und England Bäume, Laternen und andere Dinge im öffentlichen Raum bunter machte:
Ich fand die Idee sofort gut und wollte das ausprobieren.
Zuerst war ihr Baum im Garten dran. Ein paar Wochen Arbeit hat es sie gekostet, bis der Baum seinen kunterbunten Strickpyjama angezogen bekam. Dann wollte sie mehr und fand ihre Komplizinnen in ihren beiden Freundinnen: „Wir wollten einfach ein paar bunte Flecken in die Welt setzen“, erklären sie.
Der Kindergarten Kinderdörfel sollte das erste Objekt sein: „Da standen so ein paar hässliche Bauzäune davor“, erinnern sie sich. Sechs Wochen später waren die bunten Wollknäuel verstrickt. Nachts gingen die drei los, um zuzuschlagen und die zuhause gefertigten Wollschals um die Bauzäune und einen Baum vor dem Kindergarten anzunähen.
Das gibt’s doch nur in Amerika
Für die drei mit dem bunten Strickzeug interessierte sich dabei kaum jemand. „Wir haben uns extra einen Zeitpunkt gesucht, an dem nicht so viele Leute auf der Straße sind“, erzählen sie. Nur die Putzfrauen aus dem Kindergarten seien an ihnen vorbei und hätten geschaut, was dort passiert. Gefragt oder sie gar davon abgehalten habe niemand. Tags drauf war im Kindergarten die helle Freude. „Die Strickguerilla! Das gibts doch nur in Amerika!“, habe sich eine Erzieherin gefreut, weiß Wolle noch, deren Kind den Kindergarten besucht.
Die Strickguerilla schlägt nicht wahllos zu: „Wenn wir denken, dass es an einem Ort zu grau und trist ist, stricken wir das ein. Aber auch auf Nachfrage und einer Wollspende greifen sie zu den Nadeln: „Eine Dame beauftragte uns, einen Zaun an der OEG einzustricken. Das haben wir dann auch gemacht.“ Im Vogelpark, auf dem Königsacker und hinter den Zäunen haben sie ihre Kunst schon angebracht.
Viernheim ist eine freundliche Stadt
Angst vor der Polizei haben sie nicht; dafür eher vor strickfeindlichen Fußballfans. „Es ist eine Grauzone“, wissen sie. Viernheim sei aber so freundlich, ihre Strickerei zu dulden. Es erkenne sie ohnehin niemand. Ein seltsames Gefühl sei es dann aber doch, gewesen, als sie im Sommer an einer Gruppe Stadtpolizisten vorbei liefen, die sich gerade einen eingestrickten Baum ansahen. „Das war im Juni gewesen und wir hatten ihn abends zuvor eingestrickt“, erklären sie. Den Polizisten haben sie sich aber nicht zu erkennen gegeben: „Wir sind dann ganz unauffällig dran vorbei und haben gewartet, was passiert.“
Von der Kombination schwarz-rot-gold wollen sie in Zunkunft die Finger lassen: „Da wurde es dann doch etwas brenzlig“, erklärt Strickliesel. Eine Straßenlaterne hatten sie zur Fußballeuropameisterschaft in den drei Farben eingestrickt und mit Fähnchen geschmückt. Am nächsten Tag waren die Fähnchen weg und der Strick abgebrannt:
Das war ein Stich ins Herz.
Von den Stricknadeln hält sie das aber noch lange nicht ab. „Wir könnten als nächstes eine schöne Bank einstricken“, feixen die drei und freuen sich schon auf die langen Winterabende, an denen sie ihren Plan umsetzen. Auch einen Weihnachtsbaum könnten sie umstricken. „So lange die Freundschaft hält, stricken wir weiter“, kündigen sie an. Das kann noch sehr lange sein. Denn das Geheime Stricken, so bestätigen sie, sei nicht nur eine willkommene Abwechslung im Hausfrauenalltag, sondern schweiße auch zusammen.
Die Strickguerilla in der Region
Die Strickguerilla greift mehr und mehr um sich in der Region: In Dossenheim haben die Bewohner des Haus Stephanus im Platanenweg diesen Sommer begonnen, Bäume einzustricken. Grund war der Tag der offenen Tür des Altenpflegeheims. In Ilvesheim spannen sich bunte Spinnennetze aus Wolle um die Bäume gegenüber dem Rathaus und um den Kreisverkehr wärmt Wolle die Baumstämme. Auf dem Festplatz in Schriesheim ist schon ein Geländer eingestrickt.
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