Rhein-Neckar, 13. Mai 2012. (red) Aktuell hat Professor Martin Welker beim Deutschlandfunk einen kritischen Beitrag zum Journalismus veröffentlicht. Welker ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung und Vertretungsprofessor für Journalistik an der Universität Leipzig. Der Experte bezeichnet das erst drei Jahre alte Heddesheimblog als „Klassiker“ des internetbasierten Graswurzeljournalismus. Das Heddesheimblog ist die Keimzelle unseres Netzwerkes.
Von Hardy Prothmann
Ich kenne Herrn Professor Welker nicht persönlich, weiß aber, wer er ist: „Von 2000 bis 2004 arbeitete Welker als Projektleiter beim Think Tank MFG Medienentwicklung Baden-Württemberg. Von 2008 bis 2010 hatte er die Professur für Journalistik an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München inne. Er forscht zu den Themen Journalismus, Rechercheprozesse, Partizipation, Strukturwandel der Öffentlichkeit, Berufsfeldforschung und Online-Forschung.“ So steht es in seiner Biographie.
In seinem lesenswerten Beitrag „Ein verlässliches Gegengift gegen die Großpublizistik“ für den renommierten Deutschlandfunk/Deutschlandradio (übrigens zwei der besten und letzten hochprofessionellen journalistischen Hörfunk-Angebote in Deutschland, für die ich selbst gearbeitet habe, die ich unabhängig davon persönlich als Hörer sehr schätze und gerne empfehle) nennt er das Heddesheimblog einen „Klassiker“.
Heddesheimblog – ein Klassiker?
Da musste ich spontan laut lachen. Ein „Klassiker“? Mit dem Heddesheimblog haben wir unser Netzwerk begonnen. Vor drei Jahren! Können wir da schon Klassiker sein? Wohl kaum und irgendwie doch, weil „im Internet doch alles sehr schnell geht“. Ist das so? Ja und Nein.
Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass neben dem Heddesheimblog auch die Tegernseer Stimme genannt wird, sowie Regensburg-Digital, die Prenzlauer Berg Nachrichten sowie altona.info. Auch das sind Redaktionen, deren Arbeit ich sehr schätze. Und die genannten sind alle bis auf altona.info Mitglied im Netzwerk istlokal.de, das ich zusammen mit Kollegen Anfang 2011 gegründet habe.
Alle Angebote machen Lokaljournalismus. Alle diese neuen Angebote basieren nicht auf 60 Jahre alten Linzenzmodellen wie das bei Tageszeitungen der Fall ist. Alle sind neu und das „Heddesheimblog“ ist allein deswegen ein „Klassiker“, weil es vor drei Jahren eines der ersten professionell-journalistischen Angebote war und durch eine konsequent kritische Berichterstattung schnell bekannt und schnell zum „Vorbild“ empor gehoben wurde. Natürlich wurde auch viel kritisiert. Beides ist gut – denn es belebt die Debatte um Qualitätstandards im Journalismus.
Vorbildstatus
Mit dem „Vorbild-Status“ kamen also auch viele Fragen und Kritiken. Ganz klar machen wir auch Fehler. Und die machen wir transparent. Als eines von ganz wenigen Medienangeboten haben wir dafür eine „Korrekturspalte“ – bis heute haben wir insgesamt acht Artikel von 2.500 „korrigiert“.
Eine der häufigsten Fragen ist, wie man diese Arbeit, in der viel Herzblut steckt, eine demokratische Überzeugung und noch mehr Arbeit, finanziert. Alle genannten Angebote sind für die Nutzer kostenlos und alle streben eine Finanzierung über Werbung an. Dieses Geschäftsmodell entwickelt sich zunehmend, weil Unternehmen erkennen, dass Online-Werbung wirkungsvoll ist, günstiger und effektiver als die klassische Print-Werbung.
Die Währung, die die Macher der „hyperlokalen Angebote“ verkaufen, ist Aufmerksamkeit. Sozusagen ein „Klassiker“. Und vor allem Glaubwürdigkeit. Und das mit zunehmendem Erfolg.
Tageszeitungen verlieren dramatisch an Auflage und Werbeumsätzen, weil sie jahrzehntelang ihr Monopol gemolken haben und ihren Kunden, den Lesern und Werbepartnern kaum entgegen gekommen sind. Die Innovationsbereitschaft deutscher Tageszeitungen geht gegen Null.
Vor rund zehn Jahren setzte eine Erosion ein, die in einer „Medienkrise“ gipfelte. Die so geannnten „Rubrikenmärkte“, Auto, Immobilien, Stellenanzeigen, wanderten ins Internet ab. Herbe Verluste für die Zeitungen waren die Folge.
Statt sich zu öffnen, mauerte man. Es galt das gewohnte Ziel von 20-30 Prozent Umsatzrendite zu halten. Gewinne, die für den Großteil der Wirtschaft „phantastisch“ anmuten.
Das Internet hat diese „Blase“ zerstört. Vor allem den Zeitungen, die mit ihren Nachkriegslizenzen solche zum „Geld drucken“ hatten, straucheln. In den kommenden Jahren wird es dramatische Veränderungen im Zeitungsmarkt geben.
Klassisch-modern oder modern-klassisch?
Neue Angebote wie unsere Ortsblogs glauben ganz „klassisch“ an guten Journalismus und den Werbemarkt. Wie die Tegernseer Stimme oder die Prenzlauer Berg Nachrichten bedienen wir eine lokale interessierte Öffentlichkeit. Mit kritischem Journalismus. Auch in Altona oder Regensburg. Die Menschen interessieren sich und schätzen unabhängigen, kritischen Journalismus – insofern sind wir alle „Klassiker“. Wir bedienen klassische Interessen. Aber unabhängig, neugierig, unbequem.
Ganz klar wollen wir ein „Geschäft“ machen. Unsere Arbeit und die der Mitarbeiter muss bezahlt werden. Wir bieten aber im Gegensatz zu den Monopolmedien faire Preise und moderne Anzeigenformen an.
Und wer weiß? Professor Martin Welker blickt in seinem Beitrag zurück – verweist vollkommen zu Recht auf die frühen Anfänge des alten Systems. Auch Zeitungen haben „klein“ angefangen, sich entwickelt und wurden irgendwann fett.
Für die überschaubaren kommenden Jahre kann man das für die neuen hyperlokalen Angebote vermutlich nicht annehmen. Wir werden uns unsere Stellung im Markt weiter erobern müssen, kämpfen dabei vermutlich oft ums Überleben. So wie andere Branchen auch.
Unabhängige Berichterstattung
Wir stellen uns dabei markwirtschaftlich einem Wettbewerb und nehmen die Herausforderungen an. Im Gegensatz zu „Katzenfutter“-Herstellern wirken wir aber unmittelbar am Herz-Kreislauf-System der Demokratie mit.
Wir setzen Artikel 5 des Grundgesetzes um und ermöglichen Bürgerinnen und Bürgern, sich ungehindert aus öffentlichen Quellen zu informieren und sich eine Meinung zu bilden.
Beiträge wie von Herrn Professor Welker zeigen, dass diese an der Öffentlichkeit, dem Gemeinwesen und Gemeinwohl interessierte Arbeit (trotz oder gerade wegen der dafür notwendigen Kritik) wichtig, irgendwie klassisch und doch innovativ ist. Und sie ist vor allem wertvoll – weil der kritische Blick auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft immer geeigneter ist, Werte zu erhalten und zu entwickeln, als eine unkritische Hofberichterstattung.
Das moderne Internetzeitalter hat journalistisch eine „klassische“ Reanimation ausgelöst: Back to the roots, zurück zu den Anfängen, Graswurzel-Journalismus wächst wieder neu.
Und ganz ehrlich? Das wurde auch Zeit!