Mannheim, 04.Februar 2016. (red/tb) Bewusste Unfertigkeit, hemmungslose Offenheit und schnelle Geschwindigkeit: Die Kunsthalle Mannheim eröffnet ab dem 04. Februar eine neue Ausstellung. Mit „Abstrakt nach ’45“ zeigt die Kunsthalle Mannheim vom 05. Februar bis zum 03. April die Künstlersammlung von Harry Kögler. In drei Ausstellungsräumen entfaltet sich abstrakte Kunst aus der Nachkriegszeit Deutschlands.
Von Tanja Biedermann
Malen als Handlung – nicht um andere zu überzeugen, sondern als nie enden wollender Prozess, eine eigene Überzeugung zu finden.
– Axel Heil
Bei der neuen Ausstellung stehen vor allem die eigenen Gedanken im Vordergund: „Die Bildfindung selbst“, erzählt Kurator Thomas Köllhofer, „soll Teil des Bildes werden.“ Die Werke der einzelnen Künstler sind dabei frei von einer bestimmten Bedeutung, man kann seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Besonders mit Kindern mache es daher großen Spaß durch die Ausstellung zu gehen, meint Thomas Köllhofer. Mit ihrer Fantasie entdecken sie in den Bildern immer wieder neue Gesichter oder Formen – ein spannendes Erlebnis. So hat jeder seine eigenen Assoziationen zu den abstrakten Formen und dynamischen Strukturen der Bilder.
Nach ’45 gab es für viele Künstler einen Neuanfang. Sie entwickelten sich in der Nachkriegszeit neu und versuchten verschiedene Techniken aus. Die Ausstellung, in der auch Werke von Gerhart Bergmann, Axel Heil und Hiromi Akiyama oder Hann Trier zu sehen sind, verdeutlicht die gleichzeitige Vielfalt abstrakter Bildfindungen in der Nachkriegszeit.
Badener Lokalgeschichte
Harry Kögler hielt sich vom kommerziellen Kunstbetrieb seiner Zeit fern und wirkte sich dennoch vielfältig auf die Künstler und Kunstszene im Nachkriegsdeutschland aus.
Von 1966 bis 1987 unterrichtete er an der Staatlichen Akademie der Bildenen Künste in Karlsruhe – später leitete er sie sogar als Direktor. Dort wollte man sich auf keinen Fall von der Kunstgeschichte vereinnahmen lassen, sondern den einzelnen Künstlern bei der eigenen Stilfindung helfen.
Man hielt sich von Marketing und Kunstgeschehen der Zeit fern – was dazu führte, dass heutzutage viele der Künstler nicht mehr bekannt sind.
„Badener Lokalgeschichte“ nennt Köllhofer die Ausstellung – sie sei eine Hommage an die Karlsruher Lehrweise.
Harry Kögler war ein bedeutender Teil dieser Geschichte: Trotz Auflösung der Form sind seine Arbeiten von einer Ordnung geprägt. Um 1960 befreit er teilweise Form und Farbe und lässt mit weit ausgeholten Pinselschlägen Strukturen auf dem Bildträger entstehen.
Grenzen zwischen Form und Farbe
Thomas Köllhofer präsentiert neben den Arbeiten von Harry Kögler auch Künstler, deren Werke der Berliner Maler gesammelt hat.
Sie lassen die Grenzen zwischen Form und Farbe verschwimmen und nutzen oft auch kunstfremde Materialen. Es entstehen Bilder mit einer völligen Offenheit. Bildgefüge, die Vorstellungen an eine dingliche Welt setzen, ohne konkrete Inhalte zu besitzen. Die Bilder, die scheinbar schnell hingemalt sind, scheinen oft sogar unfertig und unordentlich. Durch Weglassen und Vereinfachen formten viele Maler etwas Allgemeineres.
Andere Künstler schufen klare Formen, die an heutige industrielle Produkte erinnern – als könnten sie als Verkehrszeichen benutzt werden. Simpel und minimalistisch. Die wahre Bedeutung aber bleibt dem Betrachter verwehrt. Eine symbolische Bildsprache, die frei von einem vorgegebenen Inhalt geblieben ist.
Durch die neue Ausstellung „Abstrakt nach ’45“ gibt die Kunsthalle Mannheim einen Einblick in die Kunst der Nachkriegszeit. Die scheinbar schnell hingemalten Werke der Künstler faszinieren bei jeder Betrachtung durch ihre bewusste Offenheit aufs Neue.
Anm. d. Red.: Autorin Tanja Biedermann (14) absolviert seit Montag, dem 01. Februar, eine Woche lang ein Schüler-Praktikum in unserer Redaktion. Hier stellt sie sich vor.