Mannheim, 12. November 2014. (red/pm) Der Abriss der Kunsthalle Mannheim geht in die letzte Phase: Ein Hydraulikhammer treibt einen Meißel in den Eisenbeton eines ehemaligen Bunkers. Das ist risikoarm, weil “durch Erschütterungsarmut” an den umstehenden Gebäuden nur unwahrscheinlich Schäden entstehen – allerdings ist die Methode auch eine große Lärmbelastung
Information der Kunsthalle Mannheim:
“Dort wo bis Mitte August noch der Mitzlaff-Bau der Kunsthalle Mannheim stand, wurde Ende letzter Woche erstmals seit über 30 Jahren der Tiefbunker aus dem zweiten Weltkrieg wieder sichtbar. Gestern durchbohrte der Abbruchbagger nun mit dem Meißel die Bunkerdecke und legte so die Massivität der bis zu 2,50 Meter dicken Wände offen.
Damit startete die letzte Phase des Abbruchs im Kunsthallen-Areal jenseits des denkmalgeschützten Jugendstilbaus, der mit ambitionierten Ausstellungen für Besucher weiter offen steht. Auf der anderen Seite schafft die Stiftung Kunsthalle Mannheim Platz für den Neubau, der die gravierenden konservatorischen, klima- und sicherheitstechnischen Probleme ebenso lösen, wie neueste Forderungen an Brandschutz, Barrierefreiheit und Besucherorientierung erfüllen wird.
In den Kriegsbunker, der ab den 2000er Jahren als Kunstdepot und zeitweise auch als Ausstellungsraum diente, drang Wasser ein – für Kunstwerke ein unkalkulierbares Risiko. Eigentlich glaubte man, genau diese Gefahr durch eine vorangegangene Sanierung und Klimatisierung der Räume in den 1990er Jahren gebannt zu haben, doch dem war nicht so. Bereits 2003 entdeckte man wasserführende Risse in den Mauern. Daraufhin wurden die Risse verdämmt und bestimmte Stellen noch einmal abgedichtet, doch es half alles nichts: Das Wasser trat immer wieder an anderen Stellen neu zum Vorschein.
Ungeklärte Ursache
Die Ursachen der Wassereintragungen konnten sämtliche Fachleute nicht eindeutig bestimmen; sie sind bis heute ungeklärt. Das Immobilienmanagement Mannheim (ehem. Hochbauamt) kam deshalb im April 2009 zu folgendem Schluss:
Instandsetzung und erneute Abdichtung können eine dauerhafte Dichtigkeit des Bunkers nicht gewährleisten, da durch den unglücklichen statischen Verbund von Bunkerdecken und Erweiterungsbau erneute Rissbildungen nicht ausgeschlossen werden können.
Mit „unglücklich statischen Verbund“ verweist die städtische Behörde auf eine wichtige Besonderheit: Der Tiefbunker wurde in den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs u-förmig auf dem Gelände nördlich des Jugendstilbaus angelegt, mit dem offenen Ende Richtung Friedrichsplatz.
Bei der Planung des Mitzlaff-Baus entschied man Ende der 1970er Jahren aus Kosten- und Zeitgründen, das massive Bauwerk im Erdreich zu belassen und den Erweiterungsbau der Kunsthalle darüber zu setzen.
Haarrisse im gesamten Bauwerk
Dabei verblieb man mit den oberirdischen Außenmauern des neuen Ausstellungshauses nicht innerhalb der unbelegten Fläche, die der Bunker in seiner Mitte freiließ, sondern überbaute die Schutzräume zu etwa 40 Prozent. Statisch gründete man den damaligen Neubau auf Betonpfeiler, mit denen man den Bunker durchbohrte. Das heißt die Pfeiler wurden durch Löcher in der Decke des Bunkers auf dessen Sohle aufgestellt und hielten den Mitzlaff-Bau – der so quasi zum Pfahlbau wurde – in der Schwebe über dem altenSchutzgebäude.
Nicht nur, dass durch diese statische Maßnahme das bauphysikalische Gleichgewicht der Bunkeranlage empfindlich gestört wurde und es damit zu Haarrissen im gesamten Bauwerk kam. Vielmehr nahm man durch die Aufständerung des Mitzlaff-Baus über der 2,50 Meter starken, unregelmäßig ausgebildeten Bunkerdecke auch einen undefinierten Hohlraum von bis zu 20 Zentimetern Höhe in Kauf. Es wird vermutet, dass sich dort über die Jahre Wasser sammeln konnte, das dann unkontrolliert über die Außenwände des Bunkers in die Innenräume gelangte. Denn diese Wände wurden im Gegensatz zur Decke des Bunkers in den 1990er Jahren nicht von außen abgedichtet.
50-Millionen-Euro-Spende
Aufgrund dieser unkalkulierbaren Wassereinträge spielte der Tiefbunker und die akute Gefährdung der wertvollen Sammlungsbestände in den dortigen Depots eine entscheidende Rolle im mehrjährigen Diskussionsprozess um Neubau oder Generalsanierung des Gebäudes am Friedrichsplatz. Die Kosten einer Generalsanierung des Mitzlaff-Baus mussten schon allein aufgrund des Bauzustands des Bunkers hoch angesetzt werden. Die weiteren, dringend erforderlichen Maßnahmen in den Bereichen Museumsklima, Sicherheitstechnik, Brandschutz sowie Ausstellungsbeleuchtung ließen die Kosten ebenfalls steigen und hätten dennoch nur eine suboptimale „Hybridlösung“aus veralteterer Bausubstanz und neuen Einbauten entstehen lassen.
Deshalb entschied sich der Mannheimer Gemeinderat im Juli 2011 für einen Neubau und den dafür erforderlichen Abriss des Mitzlaff-Baus, die wirtschaftlich auf lange Sicht sinnvolle und kostengünstigere Variante, allerdings vorbehaltlich einer Finanzierungsmithilfe durch Dritte. Daraufhin entschlossen sich die langjährigen Mäzene der Kunsthalle Mannheim, Josephine und Dr. h.c. Hans-Werner Hector, zu ihrer 50-Millionen-Euro-Spende für einen ökologisch nachhaltigen Neubau. So bewahrheitete sich, was bereits in den öffentlichen Diskussionsrunden 2009 durch Bürger der Stadt zum Ausdruck gebracht wurde:
Mächtiger Hydraulikhammer treibt Meißel in den Eisenbeton
Private Spenden fließen nicht in Reparaturen, sondern dienen einem grundsätzlichen Aufbruch der Kunsthalle Mannheim. Seit August trägt nun die Abbruchfirma Schleith Mitzlaff-Bau und Tiefbunker sukzessive ab. Dabei wird jetzt, in der letzten Phase des Rückbaus, aufgrund der massiven Bausubstanz des Bunkers mehr Lärm verursacht als bisher. Verantwortlich dafür ist die „Hammer- und Meißelmethode“, mit der die Mauern durchbrochen und zerkleinert werden. Dazu treibt der mächtige Hydraulikhammer den Meißel mit konstanten Schlägen in den Eisenbeton. Insgesamt werden so noch einmal 11.500 Kubikmeter Beton entsorgt.
Auch wenn dies für die Ohren der Anwohner nicht angenehm ist, bietet diese Methode durch Erschütterungsarmut den umstehenden Gebäuden Schutz vor Schäden. Dies überprüft die Kunsthalle Mannheim zur Sicherheit der Kunstwerke im Jugendstilbau und im Interesse der Besucher und Anwohner ständig, indem sie die Erschütterungen direkt neben der Baugrube im Athene-Trakt misst. Hierzu orientiert sich das Museum an der für Gebäudeerschütterungen zulässigen DIN-Norm und setzt seinen Grenzwert doppelt so niedrig an.
Auch dieser Wert wurde bei den bisherigen Arbeiten um ein Vielfaches unterschritten. Für den Fall, das er doch einmal erreicht werden würde, bliebe dies auf keinen Fall unbemerkt, denn Bauleitung und Baukoordinator der Kunsthalle bekämen sofort eine Alarm-SMS auf ihr Mobiltelefon.
Vergabe soll regionale Bauwirtschaft stärken
Die Stiftung Kunsthalle Mannheim hat beschlossen, die Realisierung des Neubaus der Kunsthalle – beginnend mit den Rohbauarbeiten ab 2015 – mit Einzelvergaben zu realisieren. Bei dieser Art der Vergabe von Bauaufträgen wird nicht das gesamte Bauvorhaben auf einmal ausgeschrieben, sondern jedes Baugewerk für sich. Der Stiftungsrat mit dem Unternehmer Dr. Manfred Fuchs und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz an der Spitze verfolgt mit der Einzelvergabe das Ziel, den regionalen Mittelstand der Rhein-Neckar-Region zu stärken.
Darüber hinaus liegen bei dieser Methode Qualitäten, Kosten und Termine bis zum Schluss in der steuernden Hand der Stiftung. Die einzelnen Ausschreibungen zur Angebotsabgabe werden in den Regionalzeitungen rechtzeitig angekündigt und teilweise auch von Anzeigen begleitet.