Edingen-Neckarhausen/Rhein-Neckar, 09. März 2016. (red/ms) Simon Michler ist erst 31 Jahre alt – und damit der jüngste Bürgermeister rund um die Bergstraße. Noch vor einigen Monaten war er in Edingen-Neckarhausen kaum jemandem bekannt. Im Wahlkampf zog er von Haus zu Haus und stellte sich persönlich vor – mit Erfolg: Bei der Wahl setzte sich Herr Michler gegen fünf Mitbewerber durch, von denen drei im Gemeinderat sind oder waren. Im Interview mit dem Rheinneckarblog erläutert der junge und dynamische Mann zwei Monate nach seinem Amtsantritt, wie er sich die kommenden acht Jahre für seine Gemeinde vorstellt.
Interview: Minh Schredle
Sie haben einen spannenden Wahlkampf hinter sich und in den ersten Wochen seit Amtsantritt einen prall gefüllten Terminkalender. Hatten Sie schon Zeit, sich hier einzuleben?
Simon Michler: Meinen letzten Arbeitstag in Aalen hatte ich am 30. Dezember – meinen Urlaub habe ich für den Wahlkampf hier aufgebraucht. Ich bin dann aber noch vor Silvester umgezogen und hier ging es gleich mit dem Neujahrsempfang am 01. Januar weiter. Also ein fließender Übergang und erst einmal keine Zeit zum Durchschnaufen.
Bei der Wahl im November hatten Sie noch keine Wohnung in Edingen-Neckarhausen.
Michler: Man kann ja nie wissen, wie eine Wahl ausgeht – zumal der Vorsprung im ersten Wahlgang ja sehr knapp war.
Aber auf die Schnelle hat es dann noch geklappt? Sind Sie zufrieden mit Ihrer Wohnsituation?
Michler: Ja, sehr. Ob ich da jetzt auch die nächsten 30 Jahre wohnen werde, müssen wir sehen. Ich wohne dort zur Miete, vielleicht will ich auch mal selber etwas kaufen oder bauen. Für die Anfangszeit ist das aber sehr gut. Meine Frau hat inzwischen auch einen Job in der Region gefunden. Sie hat auch in Aalen gearbeitet, aber nicht in der Stadtverwaltung, sondern beim Landratsamt. Sie hat sich jetzt umbeworben und eine Zusage vom Landratsamt in Heidelberg bekommen. Dort fängt sie am 15. März an.
“Viele Vorhaben gehen weit über Ortsgrenzen hinaus”
Ich hatte in Ihrem Wahlkampf den Eindruck, Sie sind in CDU-Kreisen ganz gut vernetzt, mit Unterstützung von Landrat Stefan Dallinger, MdL Georg Wacker, MdB Karl Lamers und vielen Bürgermeistern aus der Region. Sind Sie jetzt im Landtagswahlkampf für die CDU unterwegs?
Michler: Nein, überhaupt nicht. Das habe ich im Wahlkampf auch immer betont: Ich bin ein Bürgermeister für alle. Ich wurde von der CDU stark und tatkräftig unterstützt und dafür bin ich auch sehr dankbar.
Aber jetzt bin ich Bürgermeister für alle 14.000 Einwohnerinnen und Einwohner – dass man dann vor den Landtagswahlen Werbung für einzelne Abgeordnete macht, das geht nicht.
In Aalen waren Sie Amtsleiter für Kultur, Sport und Bildung und verantwortlich für etwa 50 bis 60 Mitarbeiter. Jetzt als Bürgermeister sind es ungefähr 130 – wie ist der Kontakt zu Ihren Kollegen?
Michler: Bis jetzt sehr gut. Wir sind noch in der Kennenlernphase, aber im Rathaus gibt es natürlich einen täglichen Austausch. Einmal wöchentlich treffen sich alle Amtsleiter, teils auch ihre Stellvertreter und wir besprechen die laufenden Themen und was an Projekten ansteht. Es gibt natürlich auch viele spannende Schnittmengen mit Nachbargemeinden und Vorhaben, die weit über die Ortsgrenzen hinaus gehen.
Hier ist die Konstellation mit Ladenburg und Ilvesheim ja ganz besonders spannend. Sind Sie schon mit Bürgermeister Ziegler und Bürgermeister Metz zusammengekommen, um die ortsübergreifenden Themen zu besprechen?
Michler: Genau. Ich habe die Kollegen kurz nach meinem Amtsantritt besucht und wir haben uns ausgetauscht.
Es gibt viele Bereiche, bei denen man sich gegenseitig helfen kann und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir gut zusammenarbeiten werden.
Haben Sie schon einmal das heikle Thema Neckarbrücke behandelt?
Michler: Bis jetzt haben wir das nur am Rande gestreift. Die Kollegen sehen das Projekt natürlich sehr positiv, die Anwohner in Neckarhausen eher kritisch. Aber wir werden das nicht mehr verhindern können. Man muss das also positiv sehen, es hat ja auch seine Vorteile. Wobei ja auch gar nicht geklärt ist, wann die Brücke kommen wird.
“Wir müssen uns als Region ergänzen”
Verkehr und Infrastruktur sind ganz zentrale Punkte der Kommunalpolitik. Wie schätzen Sie die Lage in Edingen-Neckarhausen ein?
Michler: Wir profitieren massiv von unserer Lage. Gerade die OEG-Anbindung ist ein Traum. Wir sind ja geographisch die einzige Gemeinde, die sowohl an Mannheim als auch an Heidelberg direkt angrenzt, entsprechend gibt es hier natürlich schon recht viel Verkehr. Aber insgesamt ist es ein großer Vorteil für uns: Wir liegen hier direkt zwischen zwei deutschlandweit bekannten Großstädten. Einer der ersten Gedanken, mit denen ich mich im Wahlkampf befasst habe, war: “Mensch, 14.000 Einwohner und nur Grundschulen, keine weiterführende Schule?” Das ist ja zunächst sehr außergewöhnlich.
Aber wenn alles um die Ecke ist, ob jetzt Heidelberg, Mannheim oder in diesem Fall auch Ladenburg, dann muss man sagen, wir können nicht in allen Kategorien konkurrieren. Für manches muss man eben in die Nachbarorte.
Muss eine Gemeinde denn alles anbieten können?
Michler: Es ist natürlich für jede Kommune wichtig, attraktiv zu bleiben. Aber noch wichtiger ist, dass wir als Region möglichst viel anbieten können. Dann können wir uns helfen und uns gegenseitig ergänzen. Uns sehe ich als attraktiven Wohnort – mit Neckarnähe, das hat auch nicht jeder. Viele wollen ja gar nicht mehr in die Großstadt, die sehnen sich nach Ruhe und da bietet sich der ländliche Charme an.
Sie hatten seit Ihrem Amtsantritt eine rasante Einstiegsphase mit vielen Terminen, Besuchen und Verpflichtungen. Trotzdem hat Edingen-Neckarhausen schon den Haushalt für 2016 verabschiedet, dabei gehören die Finanzen einer Gemeinde und wie viel Geld wofür verwendet wird, zu den komplexesten Fragen der Kommunalpolitik. Wie hat das funktioniert?
Michler: Ich war schon im Dezember einige Male hier, außerhalb meiner Amtszeit. Anders würde so etwas ja auch nicht funktionieren. Ich habe mich dabei auch mit Manfred Kettner, unserem Kämmerer, zusammengesetzt und besprochen, wie die finanzielle Lage aussieht. Den letzten Feinschliff haben wir dann im Januar zusammen mit dem Gemeinderat vorgenommen und sind gut durchgekommen. Den Plan konnten wir schon im Februar mit kleineren Änderungen beschließen. Aber das war natürlich eine straffe Zeitschiene.
Haushalt: “So wie aktuell kann es nicht weiter gehen”
Wie schätzen Sie die finanzielle Lage der Gemeinde denn ein? Viele Großprojekte wie das Hilfe-Leistungszentrum oder der Mensa-Neubau für die Grundschule sind ja noch gar nicht eingeplant. Trotzdem muss die Gemeinde Schulden machen und Geld aus der Rücklage entnehmen. Können Sie da entspannt in die Zukunft schauen?
Michler: Ich habe das schon in meiner Haushaltsrede angesprochen: So wie aktuell kann es nicht weiter gehen. Dieses Jahr fehlen uns gut fünf Millionen Euro für einen ausgeglichenen Haushalt. Zwei Millionen Euro holen wir aus den Rücklagen, außerdem nehmen wir einen Kredit in Höhe von 3,3 Millionen Euro auf. Der Zinssatz ist zur Zeit zwar sehr gut, aber das kann man natürlich auch nicht jedes Jahr sagen. Sonst häuft man Schuldenberge an, die man nicht mehr abbauen kann.
Wir müssen den Haushalt also strukturell entlasten.
Es stehen ja einige bedeutende Projekte an, dieses Jahr natürlich der Kindergarten im Amselweg. Ganz überwiegend handelt es sich dabei aber um Maßnahmen, die tendenziell eher weitere Folgekosten mit sich bringen, statt eine strukturelle Entlastung. Etwa ein Hallenbad.
Michler: Ja, da haben Sie recht. Gerade unser Hallenbad ist natürlich traditionell ein großer Kosten-Faktor, das uns jährlich ein Defizit von etwa 800.000 Euro verursacht.. Der Kindergarten ist aus finanzieller Sicht auch erst mal ein Brocken: Insgesamt wird dieser gut 2,7 Millionen Euro kosten.Dieses Jahr haben wir dafür 2 Millionen einkalkuliert. Das ist natürlich viel Geld. Aber was wir uns erst recht nicht leisten können, ist es, gar nichts zu machen. Man darf bei Haushaltsfragen nicht nur den finanziellen Aspekt betrachten.
“Wir müssen am Puls der Zeit bleiben”
Was denn noch?
Michler: Der neue Kindergarten im Amselweg zum Beispiel wird den modernsten Standards entsprechen. Das halte ich für einen wichtigen Standortfaktor. Wir müssen hier als Gemeinde attraktiv bleiben. Einmal für die Bürger, die schon hier wohnen. Aber natürlich auch für Menschen, die noch hierher ziehen wollen. Menschen, die hier in der Metropolregion arbeiten, schauen sich um und vergleichen: Wo kann man hier schön leben?
Gerade für junge Familien ist die Qualität der Kinderbetreuung ein entscheidendes Kriterium.
Ein anderer wichtiger Faktor ist das Freizeitangebot. Deswegen sind mir auch die Schwimmbäder in Edingen und Neckarhausen sehr wichtig, auch wenn sie uns viel kosten. Als Wohngemeinde müssen wir am Puls der Zeit bleiben und attraktive Angebote bereithalten. Sonst kommt gar niemand mehr und das ist fatal für Handel, Wirtschaft, Gewerbe und damit natürlich auch für den Haushalt einer Gemeinde – der dann noch weniger Mittel für Investitionen hat.
Sie wollen die Einnahmen der Gemeinde auch verbessern, indem sie neue Mitbürger nach Edingen-Neckarhausen locken. Wie sehen Sie denn die Lage am Wohnungsmarkt in Edingen-Neckarhausen? So viel Leerstand gibt es hier ja nicht.
Michler: Das stimmt. Aber es gibt eine riesige Nachfrage. Unser Angebot reicht aktuell nicht aus. Zur Zeit gibt es nur wenig verfügbaren Wohnraum. Sobald etwas auf den Markt kommt, geht es weg.
Viele offene Baustellen
Was genau wird denn nachgefragt? Gibt es eher Interesse an hochwertiger Eigentumsbildung oder sind die Leute hier eher auf der Suche nach sozialem Wohnungsbau und günstigen Mieten?
Michler: Hier gibt es einen Bedarf in eigentlich allen Preissegmenten. Wir wollen attraktiven und bezahlbaren Wohnraum für alle. Ich habe mich erst vor kurzem mit einem weinenden türkischen Ehepaar unterhalten, die gesagt haben: „Mensch, wir wollen hier wohnen, aber es gibt einfach nichts.“
Gerade im sozialen Wohnungsbau haben wir Probleme, etwas zu vermitteln und hier müssen wir sicher nachlegen. Aber auch ein Uniprofesser aus Heidelberg, der hier etwas sucht, kann in Schwierigkeiten kommen, etwas passendes zu finden.
Ich denke also, wir müssen schauen, wo wir neue Baugebiete ausweisen können. Dabei gilt natürlich zuerst einmal der Grundsatz: Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Ein großes Potenzial hat hier der Raum Neckarhausen Nord, das war ja auch im Wahlkampf ein großes Thema, bei dem eigentlich alle Kandidaten einhellig die Meinung vertreten haben, dass wir hier etwas machen wollen. Aber da gibt es noch viele offene Baustellen. Zum Beispiel: Wo kommt denn die mögliche neue Halle des Turnvereins hin? Da wird man nicht von heute auf morgen Entscheidungen treffen können. Deswegen habe ich auch vor, parallel andere, vielleicht kleinere Baugebiete in Betracht zu ziehen.
“Wir müssen uns noch gemeinsam festlegen”
Wie würde das mit der Finanzierung aussehen? Größere Bauprojekte sind ja in der Regel auch eher im Millionenbereich anzusiedeln.
Michler: Wenn die Kommune der Eigentümer von Grund und Boden ist, dann bedeutet das in aller Regel zumindest mittelfristig für uns mehr Einnahmen als Ausgaben. Die Bodenwerte schwanken ja, aber ich würde sagen, 400 bis 500Euro pro Quadratmeter kann man hier in den guten Wohnlagen mindestens einplanen. Wenn man das hochrechnet, kann man da als Gemeinde auch Millionenbeträge einnehmen.
Wo wir das machen und in welchem Ausmaß will ich mit dem Gemeinderat zusammen auf einer Klausurtagung im April beraten.
Da wollen wir auch noch ein paar andere große Themen angehen, etwa das Hilfeleistungszentrum und zusammen eine Zeitschiene ausarbeiten, mit welchen Prioritäten wir welche Projekte angehen wollen und wie das finanzierbar ist.
Was sind denn die großen Projekte für die kommenden acht Jahre? Was ist unverzichtbar?
Michler: Wie gesagt, darauf müssen wir uns noch gemeinsam festlegen. Ich denke beim Hilfeleistungszentrum gibt es kein Zurück mehr. Die Frage ist hier nur: Wann können wir das angehen? Das interessiert natürlich auch die Feuerwehr. Das wird nicht gleich 2017 gehen, aber wir müssen ein Zeitfenster beschließen, wann wir das angehen, damit wir uns entsprechend vorbereiten können. Auch die Mensa und der Verwaltungstrakt der Pestalozzischule, der ebenfalls in die Jahre gekommen sind, sind große Themen, die wir in eine Zeitschiene bringen müssen. Das wird kommen. Aber wann es kommen wird – darauf müssen wir uns noch festlegen. Der Kindergarten kommt jetzt. Das muss aber nicht heißen, dass damit Ruhe ist in der Kindergartenlandschaft. Es gibt hier eine riesige Nachfrage, die Kindergärten sind voll. Da kann es gut sein, dass wir an der ein oder anderen Stelle noch anbauen müssen, um den Bedarf zu stillen. Oder vielleicht besser gesagt: dürfen. Das ist ja eigentlich etwas sehr Positives.
Was ist denn aus dem gemeinsamen Vereinshaus auf dem Kultur- und Sportzentrum geworden, das mal zur Debatte stand? Das wären ja auch noch einmal ein paar hunderttausend Euro an Kosten.
Michler: Das ist auch noch einmal eine Detailfrage, die wir für das Gesamtkonzept Neckarhausen-Nord beraten müssen. Es gibt Vereine, die dann einen Bedarf nach einer neuen Halle bzw.einem neuen Sportplatz haben. Das wird man alles noch beraten müssen: Wo kommen die hin, wenn dort Wohnraum geschaffen wird?
Dass die Vereine einen Ersatz brauchen, ist klar. Naheliegend wäre es, das Kultur und Sportzentrum zu erweitern, das ist aber auch nicht zwingend notwendig.
Aber wenn man dort beispielsweise eine neue Halle bauen würde, könnte man das durch die Einnahmen aus dem neuen Wohngebiet refinanzieren. Wo genau die möglichen neuen Standorte hinkommen – da müssen wir auch die Vereine mitnehmen.
Sie selbst sind ja auch ein aktiver Sportler.
Michler: Ich war es zumindest…
Kommen Sie als Bürgermeister nicht mehr dazu?
Michler: Im Moment leider wenig. Das Neckarufer ist sicher eine tolle Joggingstrecke – ich warte leider immer noch darauf, die auszuprobieren. Wenn erst einmal die Anfangszeit hier überstanden ist, bin ich mir schon recht sicher, dass ich dort regelmäßig laufen werde. Das ist ein guter Ausgleich. Früher habe ich selbst Leichtathletik in einem Verein betrieben. Die Vereine sind hier sehr breit aufgestellt und hier geht es sehr lebhaft zu. Das finde ich ganz wichtig für das Klima in einer Gemeinde: Mir ist der Austausch mit den Vereinen sehr bedeutsam.
“Der Zusammenhalt wird mit jedem Jahr noch besser”
Edingen-Neckarhausen gehört ja auch zu den Kommunen, die in den 70er-Jahren zusammengelegt worden sind und da schien es in der Anfangszeit ja auch gewisse Animositäten zwischen den Ortsteilen gegeben zu haben. Ich bin hier aufgewachsen und habe eigentlich nie etwas von einer vermeintlichen Feindseligkeit zwischen den Ortsteilen mitbekommen. Was ist denn Ihr Eindruck dazu nach den ersten Wochen?
Michler: Das ist ja jetzt schon vierzig Jahre her und das ist eine lange Zeit, in der sich viel verändert hat. Im Wahlkampf bin ich ja viel um die Häuser hier gezogen und gerade bei den älteren Bürgern habe ich das schon noch mitbekommen – viele meinen das aber auch eher spaßig. In den 70er-Jahren gab es in der Anfangszeit sicher eine gewisse Skepsis.
Aber ich glaube, der Zusammenhalt wird mit jedem Jahr noch besser und mit insgesamt 14.000 Einwohnern hat man schon ein gewisses Gewicht in der Metropolregion.
Auch in der Vereinsarbeit wird ja jetzt zunehmend kooperiert. Persönlich würde ich aber Vereine niemals dazu zwingen, zu fusionieren. Die Bereitschaft muss von den Vereinen und ihren Mitgliedern kommen.
Jetzt wollen Sie ja noch ein paar Anwohner mehr ansiedeln. Haben Sie da eine Richtgröße, wie viele Menschen einmal in der Gemeinde leben sollen?
Michler: Ich setze hier auf moderates Wachstum. Nichts zu tun, können wir uns nicht leisten, wenn wir uns einmal unsere Nachbarschaft anschauen: Ladenburg, Heddesheim, Ilvesheim – alle haben große, neue Baugebiete.
Wenn wir da nicht nachziehen, werden wir abgehängt.
Aber man kann sich eigentlich kaum festlegen, wie viele neue Menschen das werden sollen. Wenn man sich die Einwohnerentwicklung der vergangenen Jahre ansieht, waren das eigentlich immer relativ konstant um die 14.000 Menschen. Es wäre schön, wenn wir da noch ein paar hundert dazu bekommen.
Ich bin sehr glücklich, dass wir ein einzigartiges Projekt wie die Fischkinderstube in unserer Gemeinde verwirklichen werden. Da möchte ich mich noch einmal bei meinem Vorgänger Roland Marsch für sein großes Engagement bedanken.
Das wird sicher ein paar junge Familien begeistern können. Wichtig ist es auch, die Lebensqualität in der Gemeinde beizubehalten und noch zu verbessern. Zu schnelles Wachstum wäre dafür nicht zuträglich. Eine Gemeinde verkraftet es nicht immer, wenn zu schnell zu viel neue Infrastruktur geschaffen werden muss.
“Die Kommunen brauchen mehr Unterstützung”
Die Fischkinderstube wird weitestgehend durch Landesmittel finanziert, etwa zwei Millionen Euro werden bezuschusst. Dabei handelt es sich ja sicher auch ein lohnenswertes Vorhaben. Aber wie sieht es denn an anderes Stellen aus? Wo würden Sie sich da noch mehr Zuschüsse und Unterstützung wünschen? Gerade im Wohnungsbau scheint vielen Gemeinden das nötige Geld für Projekte zu fehlen.
Michler: Der soziale Wohnungsbau muss sicher noch stärker von Bund und Land gefördert werden, und da ist nicht nur Edingen-Neckarhausen auf mehr Unterstützung angewiesen. Gerade mit den gestiegenen Flüchtlingszahlen gibt es ja einen dringenden Bedarf, mehr Unterkünfte zu bauen. Das können die Kommunen nicht alleine stemmen.
Das Thema Flüchtlinge bewegt die Menschen aktuell wie kaum ein anderes. Ich hatte bislang den Eindruck, dass die Stimmung in Edingen-Neckarhausen noch weitgehend positiv ist. Schätzen Sie das auch so ein? Und wo sehen Sie noch Herausforderungen?
Michler: Sie haben Recht, die Stimmung ist bei den allermeisten noch sehr positiv. Das liegt auch an der Bürgerinitiative, die unglaublich starke Arbeit leistet. Da sind etwa 100 Menschen aus der Gemeinde als Ehrenamtliche engagiert.
Die Flüchtlinge werden so gut betreut, da kann gar niemand auf blöde Gedanken kommen. Und wenn mal was ist, ist sofort ein Ansprechpartner vor Ort.
Trotzdem sind ja aktuell noch relativ wenige Menschen in der Gemeinde: 60 Personen in der Gemeinschaftsunterkunft in der Gerberstraße und etwa 60 Menschen, die auf Wohnungen verteilt hier leben. Aber sicher kommt da noch Einiges auf uns zu und wir müssen uns bald entscheiden, wo weitere Standorte in Frage kommen.
Mit wie vielen Menschen rechnen Sie denn, die noch in Edingen-Neckarhausen untergebracht werden müssen?
Michler: Sich hier an Prognosen zu wagen, ist immer schwierig. Nach den offiziellen Zahlen des Kreises kommen dieses Jahr etwa 70 Menschen in die Anschlussunterbringung und 2017 noch einmal “mindestens genauso viele” – aber das ist natürlich noch sehr vage. Wir rechnen schon damit, dass wir in naher Zukunft etwa 200 Flüchtlinge in der Gemeinde Anschlussunterbringung haben. Dafür wollen wir natürlich eine möglichst dezentrale Unterbringung suchen, aber wir werden auch ein oder zwei größere Einrichtungen schaffen müssen. Dann gibt es ja noch die Erstaufnahme, für die der Rhein-Neckar-Kreis zuständig ist. Das können wir als Gemeinde nicht unbedingt beeinflussen. Wenn das Landratsamt hier einen privaten Partner findet, haben wir nur wenig Einfluss auf die Entscheidung. Eine Einrichtung wie in der Gerberstraße wird es aber vermutlich nicht mehr geben. Dort leben 60 Menschen, der Kreis sucht sich inzwischen aber eigentlich nur noch größere Unterbringungen. Für 100, eher 200 Personen. Also wird es noch weitere Großunterkünfte im Landkreis geben.
Auch in Edingen-Neckarhausen?
Michler: Möglicherweise auch in Edingen-Neckarhausen. Konkrete Pläne liegen zwar noch keine vor und auch keine Ankündigungen seitens des Kreises. Aber bei den Zugangszahlen der vergangenen Monate wird kaum eine Gemeinde nicht noch weitere Plätze schaffen müssen. Das ist natürlich ein hoch sensibles Thema – wenn es so weit ist, dass irgendwelche Pläne konkreter werden, wird natürlich eine Bürgerinformation stattfinden. Wir müssen auch schauen, dass wir eine möglichst gleichmäßige Verteilung auf die Ortsteile Edingen, Neckarhausen und Neu-Edingen hinkriegen.
Agieren ist da besser als Reagieren: wenn wir uns vorbereiten, wird uns das besser gelingen.
Wenn wir aber nichts machen und sagen, vielleicht kommen ja doch nicht so viele und dann kommen sie doch – dann müssen wir vielleicht Turnhallen räumen, und der Schulsport und der Vereinssport fällt aus. Da will ich gerne drauf verzichten. Was die Anschlussunterbringung angeht, werden wir deshalb bereits in der März-Sitzung im Gemeinderat über einen möglichen neuen Standort entscheiden.
Zur Person:
Bevor Simon Michler zum Bürgermeister von Edingen-Neckarhausen geworden ist, hat er in Aalen das Amt für Bildung, Schule und Sport geleitet.
Im Bürgermeisterwahlkampf trat Herr Michler also als “Außenseiter” an – drei seiner Mitbewerber sind oder waren im Gemeinderat und schon lange Zeit in der Kommunalpolitik aktiv.
Herr Michler konnte sich im zweiten Wahlgang durchsetzen und gewann mit gut 400 Stimmen und sieben Prozent Vorsprung vor Klaus Merkle, dem Zweitplatzierten von der UBL.
Gefallen Ihnen unsere Artikel?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für informativen, hintergründigen Journalismus. Hier geht es zum Förderkreis. Und hier können Sie über Paypal unterstützen.