Mannheim, 29. Juni 2013. (red/ld) Die Fassade der Sternwarte Mannheim wird gerade saniert. Rund eine Million Euro sind dafür vorgesehen. Weitere 650.000 Euro soll die Innensanierung kosten, schätzt Bauleiterin Ute Wagner von der Stadt Mannheim. Die Bundesregierung hat dazu 250.000 Euro Fördergelder im Rahmen des Programms „national bedeutsame Kulturgüter“ bereitgestellt. Derzeit werden die Räume in der Sternwarte als Künstlerateliers vermietet. Im 18. Jahrhundert war sie international eine der bedeutendsten Forschungseinrichtungen ihrer Zeit. Heute ist sie die letzte erhaltene Turmsternwarte der Bundesrepublik.
Von Lydia Dartsch
Auf das Dachgeschoss der Mannheimer Sternwarte zu gelangen ist nicht so einfach: Sechs Stockwerke Wendeltreppen nach oben. Im Treppenhaus ist es staubig. Hier sei wohl lange niemand mehr gewesen, stellt Andreas Krock, Kurator der Reiss-Engelhorn-Museen fest. Gemeinsam mit Silvia Köhler und Kai Budde vom Aktionsbündnis Mannheimer Sternwarte will er vom Dachgeschoss der Sternwarte ein Foto schießen. Es soll der gleiche Ausblick sein, den Jakob Rieger 1790 auf einem Kupferstich eingefangen hatte, als die Sternwarte noch die modernste astronomische Forschungseinrichtung ihrer Zeit war.
Die Schlüssel zu dem 1776 fertig gestellten Gebäude haben heute Künstler wie die Maler Edgar Schmandt, Walter Stallwitz, der Bildhauer Jens Trimpin und die Videokünstlerin Uta Dorra. Auch die Bauleiterin Ute Wagner hat einen. Die Geschichte des Turms ahnt man zunächst nicht, würde nicht ein „Stadtpunkt“ mit einer Hinweistafel den entscheidenden Hinweis geben.
„Das könnte der Donnersberg sein“
Der Stich, dessen Perspektive die Drei fotografieren wollen, zeigt das Zeughaus, die Kasernen daneben sowie das Volkskrankenhaus, die dazu gehörige Kirche und einen gefüllten Wassergraben, wo heute der Parkring verläuft.
Ist das dort hinten das Mühlau-Schlösschen?
fragt Silvia Köhler. Das könnte es sein, sagt Kai Budde und sucht nach weiteren Anhaltspunkten, wo sie ihr Foto aufnehmen können: Der Horizont wird abgesucht nach Bergformationen, die mit der Darstellung übereinstimmen:
Das könnte der Donnersberg sein,
sagt Kai Budde und tippt auf die Kopie des Stichs. Das Original hatte Siliva Köhler zu diesem Treffen inspiriert. Sie hatte es in der Asstellung „Faszination Landschaft“ in den Reiss-Engelhorn-Museen gesehen und war auf die Idee gekommen, eine Bestandsaufnahme zu machen: Was hat sich in den vergangenen 230 Jahren geändert?
„Rauchende Schlote“
Eine ganze Menge! Einst die modernste Sternwarte Europas, die unter anderem von Wolfgang Amadeus Mozart, Benjamin Franklin und Thomas Jefferson besucht worden war, wie im Besucherbuch von 1777 bis 1810 nachzulesen ist, wurde sie in den Revolutionskriegen 1792-1801 als Aussichtsturm genutzt, um die Aktivitäten der Franzosen auszuspähen, die bereits die gegenüberliegende Rheinseite eingenommen hatten. Ludwigshafen gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Bis 1886 wurde sie als Sternwarte genutzt. Dann wurden Himmelsbeobachtungen in Mannheim immer schwieriger. Die Stadt hatte sich inzwischen zu einer Industriestadt entwickelt.
Überall gab es rauchende Schlote. Die Luft war sehr schlecht. Die Instrumente waren veraltet und waren schnell mit Ruß belegt. Außerdem störten die Bodenvibrationen von der Eisenbahn die Messungen,
sagt Kai Budde, der das Buch „Sternwarte Mannheim“ geschrieben hat. Die Instrumente kamen nach Karlsruhe und später nach Heidelberg auf den Königstuhl. Dort sind sie heute ausgestellt.
In den 1920er Jahren zogen Künstler in den Turm und nutzten die Räume als Ateliers. Weitgehend unbeschadet überstand er den zweiten Weltkrieg, wurde 1958 und in den 1970er Jahren saniert. Es wurden Stromleitungen verlegt. Seit 1958 haben hier wieder Künstler ihre Ateliers eingerichtet. Als Wohnraum seien sie nicht geeignet, sagt Silvia Köhler:
Die Räume sind schwierig zu heizen. Außerdem sind die Toiletten draußen im Treppenhaus. Da waren sie von Anfang an angelegt.
Die Ateliers auf den fünf Stockwerken werden momentan wenig genutzt. Eines ist sogar unvermietet im Moment. Vor allem wegen der Bauarbeiten sind die Künstler hier wenig aktiv. Denn die Sternwarte wird derzeit saniert und wurde dafür zunächst von außen gereinigt. Die dafür verwendeten Sandstrahler verursachen eine Menge Staub und Schmutz.
Die Zeit hat Spuren hinterlassen
Dafür legen sie immer deutlicher die Schäden frei, die die vergangenen Jahrzehnte hinterlassen haben:
Es werden dann immer mehr Risse sichtbar,
sagt Bauleiterin Ute Wagner.
Andere Spuren der Zeit sind auf dem Dachgeschoss deutlich zu sehen:
Das ist ja Gelbsandstein,
sagt Herr Budde überrascht, als er die Brüstung der Aussichtsplattform begutachtet. Der Rest des Gebäudes ist, wie auch das Mannheimer Schloss aus Buntsandstein, der in Heidelberg gewonnen wurde. Woher der Gelbsandstein kommt, könne er sich erstmal nicht erklären, sagt er.
Auf der Aussichtsplattform hat früher ein drehbares Observationshäuschen gestanden, in dem die Instrumente untergebracht waren. Die Spuren findet Herr Budde unter einer Abdeckplane: Dort gibt es eine kreisförmige Erhebung, die mit Zement zugeschüttet worden war. Einige Brocken sind heraus gebrochen und geben den Blick auf ein bogenförmiges Stück Stein frei, hinter dem Herr Budde sofort den Sockel des drehbaren Häuschens erkennt.
Auch ein Bauteam ist auf der Aussichtsplattform und begutachtet den Zustand des Turms. Von außen versperren Baugerüste und Planen die Sicht. Innen sind die Risse im Putz unübersehbar. Das Ergebnis der Vibrationen von der stark befahrenen Bismarckstraße?
Sanierung für 1,65 Millionen Euro
Die Stadt hat eine Million Euro für die Sanierung der Außenfassade bereit gestellt. 650.000 Euro soll die Sanierung der Innenräume kosten. Unterstützung kam nun von der Bundesregierung, die weitere 250.000 Euro als Fördergelder im Rahmen des Programms „national bedeutsame Kulturgüter“ für die Sanierung bereit stellt. National bedeutsam sei das Gebäude, weil es mittlerweile die einzige noch erhaltene Turmsternwarte in Deutschland sei, sagt Kai Budde. Dazu bilde der Turm gemeinsam mit dem Schloss, der Jesuitenkirche und dem Zeughaus eines der wenigen erhaltenen Barockensembles im Bundesgebiet.
Die Sanierung läuft bereits seit April und soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Vielleicht werde es auch länger dauern, sagt Frau Wagner. Es komme darauf an, wie viele Schäden noch sichtbar werden. Was danach aus der Sternwarte werde, sei noch nicht beschlossen.
Es gibt viele Ideen für die weitere Nutzung: Ein Museum wird es nicht werden. Dazu müsse ein barrierefreier Zugang möglich sein, sagt Silvia Köhler. Wenigstens eine kleine Ausstellung im Erdgeschoss könnte sie sich vorstellen.