Rhein-Neckar, 24. Juli 2015. (red) Die Integrationsministerin Bilkay Öney hat offenbar verstanden, dass man viele Fehler in der Kommunikation gemacht hat. Welche Konsequenzen folgen daraus? Beauftragt man nun PR-Agenturen oder lässt man Journalisten die „Wirklichkeit“ abbilden? Journalisten dürfen nicht auf das Gelände der Patrick Henry Village außerhalb von „offiziellen Terminen“. Warum eigentlich nicht? Wovor fürchtet sich die Politik? Vor kritischen Berichten? Was ist das bitte für ein Verständnis von Pressefreiheit und Demokratie? Wir haben uns ohne Termin eingeschlichen. Muss man vor unserem Bericht Angst haben?
Von Hardy Prothmann
Die Telefonate sind zahlreich und wenig befriedigend. Nein – es gibt keine grundsätzliche Erlaubnis für Reporter, das Gelände der Patrick Henry Village (PHV) zu betreten. Das ist vom Land gemietet. Das Land hat Hausrecht.
Die Argumente: Das Land muss „Persönlichkeitsrechte“ der Asylbewerber schützen. Das Land möchte keine Verantwortung übernehmen, falls ein Reporter zu Schaden kommt.

Durch die Sperre kommt man nur mit „Sondererlaubnis“ – Journalisten wird die außerhalb von „Terminen“ nicht gewährt.
Liebes Land – gehts noch? Betrachtet Ihr Journalisten grundsätzlich als potenzielle Persönlichkeitsrechtsverletzer? Und ist das PHV ein Ort, wo Journalisten vermutlich zu Schaden kommen? Ist das wirklich eure Argumentation?
Angst vor Reportern
Die ehrliche Antwort ist: Nein, wir haben Schiss, dass Reporter dabei sind, wenn es mal zur Sache geht.
Mittags ist Essensausgabe. Dann ist alles ruhig. No problem. Man kann sich gerne „frei bewegen“, nachdem man vorher von einem Mitarbeiter des Regierungspräsidiums begleitet worden ist.
Die Polizei berichtet über nächtliche Einsätze – doch dann dürfen keine Journalisten dabei sein. Denn das Regierungspräsidium, das Menschen im Casino in Betten stapelt, befürchtet, dass Reporter Persönlichkeitsrechte verletzen könnten. Geht es absurder?
Oder befürchtet das Regierungspräsidium, dass die Öffentlichkeit erfährt, was Polizisten und andere als „alltägliche Realität“ erfahren müssen. Wovor hat man Angst? Davor, dass jemand aufschreibt, fotografiert, filmt, was auch Realität ist?
Kein Ort ist mehr „nicht-öffentlich“
Liebes Regierungspräsidium. Was soll ich machen als Journalist, den ihr unter fadenscheinigen Argumenten bei der Arbeit behindert? Soll ich mich morgen vor das Tor stellen und „Insassen“ Geld anbieten, damit sie uns Videos zuspielen, von denen wir nicht wissen, wo und wann sie gemacht worden sind? Wollt ihr das?
Wollt ihr nicht? Aber das wird kommen. Versprochen. Und wenn jemand Geld für ein Video zahlt, auf dem etwas zu sehen ist, was inszeniert wurde, damit es Geld gibt?
Nicht beim Rheinneckarblog – wir berichten seriös und nur unsere Inhalte. Aber andere werden das machen. Über die könnt Ihr Euch dann aufregen und lamentieren.
Über Eure pressefeindliche Haltung, die seriösen Journalismus verhindert, werdet Ihr hingegen nie eine Träne verlieren.
Ich war heute auf dem Gelände – die Security hat einfach nicht gecheckt, dass ich da eigentlich nicht sein dürfte. Ich habe keine Lust, mich in einem Kofferraum zu verstecken oder durch einen Zaun zu schneiden, um wieder auf das Gelände zu kommen. Aber vielleicht würde ich das machen – ziemlich sicher sogar, wenn ich denke, dass ich das muss.
Wollt Ihr mich zum Kriminellen machen?
Damit treibt Ihr, liebes Regierungspräsidium, mich als Reporter in die Kriminalität. Mein Berufsethos sagt mir, dass ich ausschließlich auf Basis der Gesetze agiere – außer, es geht nicht anders. Aber das ist übel, das will ich nicht und wäge immer ab, ob das öffentliche Interesse das rechfertigt.
Klar habt Ihr PHV angemietet, klar habt ihr Hausrecht. Klar ist das aber ein öffentlicher Ort, für den sich viele Menschen interessieren und ganz klar müsste sein, dass man den örtlichen, relevanten Medien den Zugang erlaubt.
Tut man das nicht, hat man was zu verbergen. So einfach ist das.
Es ist beschämend, dass sich Regierungsbehörden der öffentlichen Kontrolle entziehen wollen. Korrektur – es ist nicht beschämend, es ist zutiefst presse- und demokratiefeindlich.
Wer nichts zu verbergen hat, kann die Tore aufmachen. Die Flüchtlingslager sind keine „private Angelegenheit“ einer Regierungsbehörde. Sondern Sie sind von höchstem gesellschaftlichem Interesse.
Am allerbedauerlichsten ist, dass man einer Regierungsbehörde, die eigentlich auf einem demokratischen Fundament stehen sollte, das öffentlich erklären muss. Aber nachdem telefonische Anfragen nicht fruchten, muss die Öffentlichkeit wissen, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe an einem freien, unabhängigen Zugang für Journalisten nicht nur kein Interesse hat, sondern entschlossen ist, diesen zu verhindern.