Mannheim, 24. Juni 2013. (red/ld) Sie will eine Spaß-Demonstration sein und doch war es den gut 650 Radlern, die sich am Samstag der sechsten Mannheimer Radparade angeschlossen hatten, ernst: Sie forderten „gleiche Rechte für gleiche Räder“. Die Stadt solle mehr tun für die Verkehrssicherheit von Fahrradfahrern, mehr Radwege bauen und diese sicherer machen, forderten die Veranstalter. Wegen des Großbrands in Ludwigshafen führte die Route diesmal nicht über den Rhein, sondern zweimal über den viel befahrenen Mannheimer Ring und in die Neckarstadt. Die Strecke hatte die Polizei extra für die Radler kurzzeitig abgesperrt. Unterstützung erhielten die „Kampfradler“ von oberster Stelle des Rathauses: Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und Umweltdezernentin Felicitas Kubala strampelten mit. Auch der Grüne Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick war dabei.
Von Lydia Dartsch
Da hat uns gerade ein Autofahrer den Stinkefinger gezeigt,
spricht Stadtrat Gerhard Fontagnier (Grüne) radelnd in sein Megafon. Während der Radfahrt über den Mannheimer Luisenring, Friedrichsring, den Kaiserring, die Bismarckstraße und den Parkring, weiter über die B44 in die Neckarstadt hat die Polizei die Durchfahrt für den motorisierten Verkehr gesperrt. Der musste erst einmal warten, bis der gut 200 Meter lange Zug von Radlern an ihnen vorbei gefahren war. Bis dahin stehen sie im Stau.
Gegen 14:00 Uhr war die Fahrradkolonne an den Kapuzinerplanken gestartet, wo zeitgleich der Mannheimer Radsalon – ein Gebrauchtradmarkt mit verschiedenen Service-Angeboten für Radfahrer – stattfand. Nur wenige waren dem Aufruf gefolgt, sich nach dem Motto „Kampfradeln“ zu verkleiden oder ihr Rad zu dekorieren. Laut waren sie trotzdem: Mit Trillerpfeifen, Trommeln und Geklingel verursachten einen Ohren betäubenden Lärm.
Die Forderung der Radler: Die Stadt soll mehr Geld für ihre Verkehrssicherheit ausgeben, statt für Autos. Und das seit fünf Jahren, als die Radparade noch „Critical Mass“ – Kritische Masse – hieß. Die war dann erreicht, wenn mindestens 16 Radfahrer zusammmen kamen. Dann durften sie, wie ein Auto, auf der Straße fahren.
Ich finde es gut und wichtig, hier mitzufahren,
sagte Nina Schäfer, Bürgerin aus Mannheim, die kein Auto besitzt und auf ihr Fahrrad angewiesen ist. In der Stadt gäbe es einige „heikle“ Stellen für Radfahrer, vor allem der Ring um die Quadrate sei nicht ohne.
25 Prozent Fahrradverkehr bis 2020
15 Euro pro Bürger solle eine Stadt wie Mannheim im Jahr für Radverkehr ausgeben, sagte Stadtrat Fontagnier vor dem Start der Radparade. Tatsächlich würden nur 5 Euro investiert. Das sei zu wenig.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz nimmt solche Vorwürfe gelassen:
Die geforderten 15 Euro sind Kennzahlen, die es auch für den Autoverkehr gibt. Die werden in aller Regel auch da nicht eingehalten,
sagte er auf unsere Nachfrage bei der Parade und verwies auf den anstehenden Umbau der Bismarckstraße, der einen tiefen Einschnitt in den motorisierten Individualverkehr bedeute und mit Kosten im zweistelligen Millionenbereich verbunden sei.
Das ist keine banale Sache: Es müssen Ampelschaltungen und das ganze Verkehrsnetz abgestimmt werden, wenn der Verkehr dort eingedämmt werden soll,
sagte er uns. 200.000 Euro standen für die Vermessung, die Planung der Ampelsteuerung, sowie die Simulation des Verkehrsflusses zur Verfügung. Die Bismarckstraße ist eine der Haupverkehrsadern in der Mannheimer Innenstadt. Weit mehr als 10.000 Autos fahren dort jeden Tag, schätzt Oberbürgermeister Kurz.
Die Stadt will den Radverkehr fördern. Seit 2009 verfolgt sie daher ein 21-Punkte-Programm, das bis zum kommenden Jahr den Anteil der Radfahrer im Gesamtverkehr von 15 auf 20 Prozent anheben soll. Bis 2020 soll dieser 25 Prozent betragen. Veranstaltungen wie die „Radcouture„, der Mannheimer Radsalon, der Ausgangspunkt für die Radparade war oder der Wettbewerb „Mannheim gibt Kette„. Auf der Internetseite www.rad-im-quadrat.de gibt es außerdem Informationen rund ums Radfahren in der Stadt.
Eine Million Euro hatte der Gemeinderat im vergangenen Jahr für die Verbesserung der Radinfrastruktur bereitgestellt. In diesem Jahr sind es 700.000 Euro. Außerdem wurde bei der Stadt die Stelle eines Radverkehrsplaners ausgeschrieben und gemeinsam mit Ludwigshafen und Heidelberg ein Konzept für ein Fahrradverleihsystem ausgearbeitet, das eigentlich im Sommer vergangenen Jahres hätte starten sollen.
Die wahrscheinlich wichtigste Maßnahme für die Stärkung des Radverkehrs dürfte wohl die Einrichtung von Fahrradstraßen sein, in die Autofahrer nur bedingt einfahren dürfen und sich darin der Geschwindigkeit der Radfahrer anpassen müssen. Sieben neue Fahrradstraßen sollen in diesem Jahr entstehen: Gerade wurde in Neckarau die Mönchwörthstraße in eine Fahrradstraße umgewandelt. In diesem Jahr soll die Karl-Ladenburg-Straße in Neuostheim folgen sowie die Rollbühlstraße in Käfertal als Bestandteil der Hauptroute Innenstadt-Käfertal/Viernheim, die Berliner Straße und die Tattersallstraße zwischen Nationaltheater und Hauptbahnhof. In Mannheim-Schönau soll die Stettiner Straße umgewandelt werden und eine weitere soll entlang des Stephanienufers auf dem Lindenhof entstehen.
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