Mannheim, 22. April 2016. (red/ms) Sportlich läuft es für die erste Mannschaft des SV Waldhof Mannheim 07 so gut wie seit Jahren nicht mehr – auf der Führungsebene des Vereins gibt es dagegen massive Konflikte zwischen Präsidium, Aufsichtsrat und der Geschäftsstelle. Aktuell erscheint eine Versöhnung unwahrscheinlich: Entweder jemand geht freiwillig – oder er wird gegangen. Fans befürchten, auch die sportlichen Leistungen des Vereins könnten leiden.
Von Minh Schredle
Eigentlich könnte die Ausgangslage kaum besser sein: Als Tabellenführer der Regionalliga Südwest mit sieben Punkten Vorsprung auf Platz 2 und nur noch sechs ausstehenden Spieltagen ist der Aufstieg in greifbarer Nähe. Von 28 Partien wurden nur zwei verloren – mit nur elf Gegentoren stellt der Verein zudem die mit Abstand beste Defensive der Liga.
Nach der eher durchwachsenen Saison im Vorjahr (Tabellenplatz 13) läuft es dieses Jahr sportlich richtig rund – doch ausgerechnet in der entscheidenden Schlussphase werden massive “Meinungsverschiedenheiten” zwischen Präsidium, Aufsichtsrat und der Geschäftsstelle bekannt, die wesentlich für die Zukunft des Vereins sind. Insbesondere, was die Finanzen angeht – und die werden im Geschäft des Profifußballs zunehmend bedeutender:
Allein die Lizenzen für die Bundesliga kosten Millionenbeträge – und zwar auch schon in der dritten,
sagt Thorsten Riehle, Aufsichtsratsvorsitzender des Vereins:
Ohne Sponsoren ist das kaum zu finanzieren – erst recht, wenn man “von unten” kommt.
Insbesondere im Fußball sind die Summen, um die es geht, enorm: Nach Angaben des DFB sind die Umsätze auch in der dritten Fußballbundesliga noch höher als in jeder anderen Profiliga in Deutschland, die nichts mit Fußball zu tun hat. 2011 hätten die Mannschaften hier im Schnitt 6,7 Millionen Euro erwirtschaftet.
Problem Finanzen
Doch die Lizenzen, die zur Teilnahme am Liga-Betrieb vorausgesetzt werden, sind kostspielig und die Geldsorgen des SV Waldhof chronisch. Schon seit mehr als 1,5 Jahren werden daher Pläne diskutiert und erarbeitet, die erste Mannschaft des Vereins als Kapitalgesellschaft in eine “Spielbetriebs-GmbH” auszugliedern.
Dafür wäre allerdings ein Startkapital von etwa einer Million Euro nötig – und die Finanzierung ist eine Streitfrage. Es besteht ein gewisser Zugzwang, denn allzu viel Zeit verbleibt nicht mehr, wenn die Spielbetriebs-GmbH noch bis zur kommenden Saison gegründet werden soll. Auch der Erwerb der Lizenz wäre ohne zusätzliche Fördergelder eine Herausforderung.
“Der Waldhof ist ein Traditionsverein”
Doch wollen sich große Teile des Vereins nicht von einem einzelnen Großsponsoren abhängig machen, dem im Gegenzug für die finanzielle Unterstützung große Gestaltungsspielräume gewährt werden:
Der Waldhof ist schon immer ein demokratischer Arbeiterverein, der viel Wert auf seine Tradition legt,
erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende Riehle. Das wolle man unter keinen Umständen aufgeben. Ganz ohne Sponsoring sei Profisport inzwischen allerdings auch nicht mehr möglich. Herr Riehle selbst ist Mitglied der “Mannheimer Runde”, einem Verbund regionaler Unternehmen, die den SV Waldhof seit 2014 finanziell unterstützen.
Wunderliches Vorgehen
Die Vorteile von Investorenvielfalt liegen auf der Hand: Wenn viele Geldgeber kleinere Beträge liefern, ist der Verlust für den Verein nicht ganz so dramatisch, sollte es zu Zerwürfnissen mit einzelnen Investoren kommen. Gleichzeitig kann so eher vermieden werden, dass einzelne sich zu viel Einfluss “einkaufen”.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Alleingang des Präsidiums am vergangenen Mittwoch in großen Teilen des Vereins für Verwirrung bis Empörung sorgte: Auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz stellte Präsident Steffen Künster den Plan vor, die Spielbetriebs-GmbH mit der finanziellen Unterstützung des Unternehmers Bernd Beetz als alleinigem Investor gründen zu wollen.
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Ganz neu ist der Gedanke nicht – schon vor Monaten verhandelte der Verein mit Herrn Beetz. Insbesondere aus Sicht des Aufsichtsrats und der Mannheimer Runde wurden allerdings einige Forderungen als inakzeptabel zurückgewiesen. Nun spricht Herr Künster von einem “Partner, der sich perfekt in das entworfene Programm „Mannheimer Weg“ einfüge” – doch diese Aussage ist alles andere als unumstritten.
Unklarheit über Verhandlungen
Wenn die Spielbetriebs-GmbH gegründet wird, wird es auch einen neuen, vom “Hauptverein” unabhängigen Aufsichtsrat mit neu zu besetzenden Positionen geben. Drei dieser Posten würden durch das Präsidium besetzt werden, ein Posten vom aktuellen Aufsichtsrat und die restlichen drei über Investoren.
Ein wesentliches Problem: Nach dieser Konzeption würde ein alleiniger Investor also gleich drei Posten besetzen dürfen – und hätte damit potenziell maßgeblichen Einfluss auf den operativen Betrieb. Was nun mit Herrn Beetz ausgehandelt worden ist?
Das weiß bis jetzt nicht einmal der Aufsichtsrat,
sagt Herr Riehle. Man habe keine weitere Kenntnis von den Verhandlungen zwischen Präsidium und Herrn Beetz, die offenbar in der jüngeren Vergangenheit stattgefunden haben müssen. Man wisse nicht, worauf man sich “geeinigt” habe. Die aktuelle Entwicklung sei “sehr überraschend, auch für uns”:
Als Kontrollgremium fühlen wir uns vor den Kopf gestoßen.
Es werde in den kommenden Tagen “klärende Gespräche” geben müssen und zwar möglichst bald. Das Vertrauen der Gremien zueinander sei schwer beschädigt, so könne das nicht weitergehen. Auch Stephan Pfitzenmeier, Leiter der Geschäftsstelle des SVW und vorgesehener Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH, kritisierte das Vorgehen des Präsidiums harsch.
“Wichtig ist, dass der Verein gut wegkommt”
Herr Riehle betont allerdings ebenfalls mit Nachdruck, dass Herr Beetz ein qualifizierter und seriöser Unternehmer sei, gegen den man grundsätzlich sicher keine Vorbehalte habe. Aber es dürfe nicht sein, dass der Aufsichtsrat bei einer so bedeutenden Frage nicht mit einbezogen würde:
Mit ist vor allem wichtig, dass der Verein gut wegkommt. Und der lebt durch seine Mitglieder. Ein Alleingang tut da sicher nicht gut. Schade, dass kein gemeinsamer Weg versucht wurde.
So war die Kommunikation jedenfalls eine Katastrophe – und der Zeitpunkt enorm ungünstig: Die letzten und entscheindenden Wochen der Saison ist solche Unruhe wenig hilfreich. Auch unter den Fans ist die Sorge groß, dass die Konflikte auf Führungsebene auch die sportlichen Leistungen beeinträchtigen könnten.
Gespräche am Wochenende
Wie der Fan-Dachverband PRO Waldhof aktuell per Pressemitteilung bekannt gibt, würden Aufsichtsrat und Präsidium noch an diesem Wochenende zu einem Gespräch zusammenkommen, wobei PRO Waldhof als neutraler Mediator fungieren werde.
Ob es zu einer “friedlichen Lösung” oder einer Versöhnung kommen kann, ist aber dennoch fraglich. Die öffentlichen Anfeindungen untereinander waren zu massiv; die Kritik am Vorgehen des Präsidiums so groß, dass nur schwierig vorstellbar ist, wie es unter diesen Umständen zu einer Einigung kommen soll, ohne dass jemand geht, beziehungsweise “gegangen wird”.
Mögliche Verfehlungen
Im Zweifelsfall wäre es dem Aufsichtsrat möglich, das Präsidium (Vereinsvorstand) abzusetzen. Dafür bräuchte es eine Dreiviertel-Mehrheit, also sechs von sieben Stimmen und laut Vereinssatzung einen “wichtigen Grund”. In der Satzung heißt es außerdem:
Das Präsidium ist dem Aufsichtsrat gegenüber verpflichtet, über seine Tätigkeit uneingeschränkt Auskunft zu erteilen und dem Aufsichtsrat auf Wunsch Einsicht in alle Vereinsdokumente zu gewähren. (…)
Und:
Für das Innenverhältnis wird bestimmt, dass in folgenden Fällen vom Präsidium stets die vorherige schriftliche Zustimmung beim Aufsichtsrat einzuholen ist, wobei eine E-Mail der Schriftform genügt: (…) Beim Abschluss bzw. der Beendigung von Verträgen mit wesentlichen Auswirkungen für den Verein, wie z.B. Vermarktungs- oder Agenturverträge.
Nach Einschätzung der Redaktion könnte das Präsidium gegen diese Pflichten verstoßen haben – welche Konsequenzen wird es also geben?
Wichtig für das Wohl des Vereins ist in jedem Fall, dass nach dem gewaltigen Chaos der vergangenen Woche schnell wieder Klarheit geschaffen wird – am besten noch an diesem Wochenende. Spätestens bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang Juni muss der Kurs für die kommende Saison feststehen.