Mannheim, 22. April 2016. (red/pro) Sie hat niemanden, der ihr Andenken schützt. Die Eltern leben weit entfernt. Kein Anwalt kümmert sich. Der Deutsche Presserat hat eine Rüge gegen den Mannheimer Morgen ausgesprochen, weil die Lokalzeitung das Mordopfer zum Teil eines „Sommerrätsels“ machte. Die Zeitung hatte sich in einer kurzen Notiz dafür entschuldigt, „dass sich diese Tat nicht als Rätsel-Thema eignet“. Die Zeitungsausgabe mit genau diesem Rätselthema bietet der Mannheimer Morgen aber weltweit abrufbar nach wie vor zum Download an.
Von Hardy Prothmann
Was muss noch passieren, dass Gabriele Z. zur Ruhe kommen darf? Der Mannheimer Morgen hat den Mordfall ausgeschlachtet. Der Redakteur Peter W. Ragge wurde für einen diskriminierenden Kommentar durch den Deutschen Presserat ermahnt – die Zeitung hat diese Missbilligung nie veröffentlicht.
Im August 2015 passiert das Unglaubliche. Die Zeitung macht das Mordopfer zum Teil eines „Rätselspaßes“ – Buchpreis zu gewinnen. Wie verderbt kann man sein? Wie verächtlich? Wie gefühlskalt? Wie verhöhnend?
Ansehen der Presse beschädigt
Die Zeitung „entschuldigt“ sich in einer kurzen Notiz. Irgendwo in der Zeitung. Nicht prominent platziert – anders als der diskriminierende Kommentar eines Redakteurs über „Bulgaren“.
Der Deutsche Presserat spricht eine Rüge aus. Das Gremium formuliert sogar, „dass diese Veröffentlichung das „Ansehen der Presse beschädigt“ habe.“
Wir haben darüber am 22. Dezember 2015 berichtet – selbst danach hält die Zeitung den Bericht noch vor. Nichts wurde geschwärzt.
Aktuell, vier Monate später, ist die Zeitungsausgabe immer noch abrufbar und das Mordopfer Gabriele Z. ist weiterhin mit Bild und „Sommerrätsel-Frage“ weltweit verfügbar.
Es gibt keine Pflicht zur Beschämung von Mordopfern
Es gibt gute Gründe, um für den Bestand von Veröffentlichungen zu kämpfen, die „historisch“ wichtig sind. Es gibt eine „Chronistenpflicht“ – aber es gibt keine Pflicht zur Beschämung von Mordopfern.
Die Lokalzeitung hat ein Mordopfer und deren Angehörige massiv beschämt und tut das bis heute. Die Zeitung wurde unmissverständlich durch den Deutschen Presserat gerügt. Die Botschaft der freiwilligen Selbstkontrolle war eindeutig: Beschädigung des Ansehens der Presse.
Was macht die Zeitung, die angeblich für Qualitätsjournalismus steht?
Sie beschämt das Opfer und das Ansehen unseres Berufsstands bis heute. Schamlos.
Wie verderbt muss man sein?
Niemand hatte damals persönlich die Verantwortung übernommen. Die kleine Notiz wurde mit „Die Redaktion“ gezeichnet. Weder die schreibende Redakteurin Angela Boll noch Chefredakteur Dirk Lübke haben ihren Namen darunter gesetzt. Die lapidare Meldung:
Im Nachhinein ist der Redaktion klargeworden, dass sich diese schreckliche Tat nicht als Rätsel-Thema eignet.
Bis heute ist anscheinend dieser Redaktion nicht klar, dass das Mordopfer Gabriele Z. trotz Rüge durch den Deutschen Presserat, trotz Reaktion durch „Die Redaktion“ und trotz unseres Hinweises nach wie vor „posthum vergewaltigt wird„.
Es ist beschämend, wie verderbt diese Zeitung ist. Wie wenig Moral sie hat. Wie wenig „Qualitätskontrolle“. Diese Zeitung beschädigt das Ansehen der Presse trotz Kritik bis heute.