Mannheim, 21. April 2015. (red/nw) Wer von einer heilen Welt träumt, erlebt im Stück „Arsen und Spitzenhäubchen“ ein böses Erwachen. In der 1939 entstandenen schaurig-fidelen Komödie verschwimmen die Grenzen zwischen Normalität und Wahnsinn. Topaktuell ist es aber immer noch, denn wer oder was ist heute schon „normal“? Das Stück feierte am Freitagabend im Oststadt Theater in N1 Premiere.
Von Nadja Weber (Theaterkritik), Caro Beez (Probe)
Mit „Arsen und Spitzenhäubchen“ schuf der Deutsch-Amerikaner Joseph Kesselring in den vierziger Jahren ein Evergreen des schwarzen Humors. Das Stück wurde zu einem der erfolgreichsten Theaterstücke, das jemals auf den Bühnen des Broadways gespielt wurde. Nach über 1.400 Aufführungen auf den New Yorker Theaterbühnen setzte „Arsen und Spitzenhäubchen“ im September 1944 seinen Siegeszug im Kino fort und zählt zu den besten – und wohl kuriosesten Komödien aller Zeiten. Frank Capras Verfilmung des Theaterstückes kam erst drei Jahre nach der Uraufführung mitten im Bombenkrieg gegen Hitler in die Kinos.
Am vergangenen Samstag feierte das Oststadt Theater Mannheim Premiere. Regie führt Petra Förster, die seit 2011 fest zum Ensemble gehört.
Verrückte, heile Welt

Wer den selbstgemachten Holunderwein kostet, landet in der Holztruhe / Foto: Oststadt Theater Mannheim
1941. Ein Spätsommernachmittag in Brooklyn. In Europa wütet der Krieg – und in den Köpfen der Menschen. Doch in der Villa der reizenden älteren Damen Abby (Susanne von Grumbkow) und Martha Brewster (Carmen P. Linka-Gamil) findet man scheinbar noch einen Ort der Ruhe und Nächstenliebe. Liebevoll haben die Brewster-Schwestern ihren geisteskranken Neffen Teddy (Michael Hördt) bei sich aufgenommen, der sich für den Präsidenten Roosevelt hält. Auch um ihre Gäste kümmern sich die beiden übertrieben hilfsbereit.
Für so manche Gäste haben die Damen eine besondere Vorliebe: Für alleinstehende, ältere Herren, die auf einer Zimmersuche in Brooklyn sind. Mit selbstgemachten Holunderwein, angereichert mit Arsen und Strychnin befördern Martha und Abby die Herren ins Jenseits und sehen darin auch noch einen Akt der Barmherzigkeit, diese von ihrer Einsamkeit zu erlösen. Im ersten Akt stellen die beiden Tanten stolz und lustvoll ihr Geheimrezept vor:
Auf einen Liter Holunderwein nehme ich einen Teelöffel voll Arsen, einen halben Teelöffel Strychnin und eine Prise Zyankali.
Die Leichen werden im Keller der Villa entsorgt, wo Teddy den Panama-Kanal auszuheben glaubt. Als der Neffe Mortimer (Wolfang Kerbs) durch Zufall von einem der toten Herren erfährt, bricht er in schiere Verzweiflung aus: „Aber ihr könnt ihn doch nicht einfach im Keller begraben?!?“
Aber natürlich, Liebling. Das haben wir doch mit den anderen auch so gemacht. Das hier ist der Zwölfte. Jetzt haben wir das Dutzend voll.
Lautet die Antwort der Brewster-Schwestern in einem sorglosen und unbeschwerten Ton. Die reue- und skrupellos getöteten Herren dürfen sich dann auch noch – in leblosem Zustand – einer persönlichen Trauerfeier erfreuen und werden selbstverständlich in einem persönlichen Grab im Keller entsorgt. Eigentlich alles halb so wild. Schließlich hat fast jeder irgendwo im Keller eine Leiche versteckt. Doch der „Brewster-Wahnsinn“ fängt da erst richtig an.
Das schwarze Schaf der Familie, Neffe Jonathan (Knut Frank), reist in der Halloween Nacht an. Mit einer Leiche im Gepäck. Genauer gesagt, im Kofferraum. Wegen Mordes ist dieser seit Jahren auf der Flucht vor der Polizei. Mit dabei hat er seinen Komplizen Mr. Einstein (Thomas Koob). Die scheinbare friedvolle Brewster-Villa dient ihm als ein passendes Versteck. Der vermeintliche Panama-Kanal als eine perfekte Grabstätte für die mitgebrachte Leiche.
Groteske trifft auf schwarzen Humor
Die Mannheimer Inszenierung des Repertoire-Klassikers reist das Publikum erst nach den ersten Szenen mit sich. Auf der Bühne trifft jeder Dialog direkt ins Pechschwarze. Darauf müssen sich die Zuschauer erst einmal einstellen. Nach einigen Szenen hört man doch Gelächter aus dem Publikum. Vor allem die Witzfigur Teddy kommt bei den Zuschauern gut an. „Präsident Roosevelt“findet mit seinen speziellen Gepflogenheiten schnell Begeisterung. Insbesondere die von einem lautstarken „Attackeeeee!“ begleitete Erstürmung der Treppe erweist sich als komisch-lustiger „running gag“.
Die beiden Brewster-Tanten überzeugen mit ihren absurden und komisch unbeschwerten Charakterzügen. Verrückt genial. Doch die übertriebene Ironie und die überspitzen Dialoge treffen nicht jedermanns Geschmack. Regisseurin Petra Förster ist entschlossen boulevardesk, fügt dem Spaß manchmal aber mehr als nur eine Prise ironische Übertreibung hinzu.
Liebevolles Bühnenbild – leider sehr einseiteig
Das vom Bühnenbilddesigner (Mahmoud Gamil) liebevoll gestaltete Bühnenbild versetzte das Publikum zurück in die 40er Jahre. In der Mitte des Wohnzimmers der beiden Tanten steht ein schmucker Holztisch eingedeckt mit edlem Servie. Links davon bietet eine Treppe artistische Stolpermöglichkeiten, die hinauf zu den Zimmern von Teddy, Abby und Martha führt.
Auf der rechten Bühnenseite stehen ein Kamin und ein Schrank, darauf Kinderbilder der Neffen. Diese Requisiten sollen wohl den Eindruck einer gemütlichen und friedlichen Atmosphäre vermitteln. Nicht zu vergessen die Holztruhe, die unter dem Fenster im Wohnraum steht und als makaberes Leichenversteck dient. Das Publikum erhält lediglich Einblick in den Wohnraum der Brewster-Villa. Mit ein wenig Fantasie kann man sich den schaurigen Keller mit den zwölf Leichen vorstellen.
Das Stück läuft im Stadthaus N1 von April bis einschließlich August. Wer seinen Abend mit groteskem Bürgertheater versüßen möchte, wird mit „Arsen und Spitzenhäubchen“ sicherlich nicht enttäuscht nach Hause gehen. Darauf können Sie Gift nehmen.
Die Proben liefen anders
Während der Proben zum Stück im März ging es hier noch ganz anders zu. Das Bühnenbild war praktisch noch gar nicht vorhanden, von den Kostümen nur das Nötigste vorhanden und über Requisiten wurde gerade erst nachgedacht. Auch der Text saß bei weitem noch nicht zu 100 Prozent.
Zweieinhalb Stunden probten die Schauspieler und das mindestens zwei Mal die Woche. Und dann immer und immer wieder die gleiche Szene, bis sie perfekt saß. Die Atmosphäre ist dabei komplett entspannt.Wenn man auch merkt, dass es doch strikt nach der Meinung der Regisseurin geht.
Bitte mehr lächeln. Komm lieber von der anderen Seite in den Raum. Lächeln nicht vergessen,
gibt Petra Förster ihre Anweisungen aus dem Zuschauerraum an die Darsteller. Und die setzen auf der Bühne brav alles davon um. Man merkt hier schnell, die Schauspieler kennen sich und können gut miteinander, da wird vor Beginn der Proben noch über den letzten Mallorca Urlaub erzählt aus dem man gerade erst zurück ist und dann miteinander auf der Bühne kommuniziert – in seiner Rolle natürlich.
Momentan ist es hier noch ganz locker, aber kurz vor der Premiere, im April wird es dann auch bei den Proben ernster,
sagt Regieassistentin Simone Gölz. Und das sah man. Bei der Premiere gab ein ausgefeiltes Stück zu sehen, von dem bei den Proben lediglich der Rohbau stand.
Weitere Einblicke die Proben:
Oststadt Theater | ||||||||||||||
|